Evangelische Kirchengemeinde goes „fair“
Kirchengemeinde Oberderdingen-Großvillars will "Faire Gemeinde" werden

Die Evangelische Verbundkirchengemeinde Oberderdingen-Großvillars macht sich auf den Weg zur „Fairen Gemeinde“. Beim Erntedank-Gottesdienst am 8. Oktober wird das thematisiert.   | Foto: Symbolbild: Racamani – stock.adobe.com
  • Die Evangelische Verbundkirchengemeinde Oberderdingen-Großvillars macht sich auf den Weg zur „Fairen Gemeinde“. Beim Erntedank-Gottesdienst am 8. Oktober wird das thematisiert.
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Oberderdingen (hk) Die Evangelische Verbundkirchengemeinde Oberderdingen-Großvillars macht sich auf den Weg zur „Fairen Gemeinde“, nachdem der Kirchengemeinderat bereits im Juni 2023 einen entsprechenden Beschluss gefasst hatte. Das Siegel „Faire Gemeinde“ wird von der Organisation „Brot für die Welt“ vergeben und würdigt das Engagement von Kirchengemeinden für das Thema Fairtrade. „Wir haben uns im Gremium damit auseinandergesetzt und uns dafür entschieden“, erläuterte Pfarrerin Ditta Grefe-Schlüntz gegenüber der Brettener Woche/kraichgau.news. Die Mitglieder seien sich einig gewesen, dass sie damit einen Beitrag leisten können, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dahinter stecke die Idee, nicht nur selbst umzudenken und zu handeln, sondern auch die Gemeindemitglieder zum Nach- und Umdenken über das Thema Fairtrade anzuregen. „Als Christen sind wir mit der Nächstenliebe beauftragt – wir sehen hier eine konkrete Möglichkeit, diesem Auftrag ein Stück weit nachzukommen", erklärt die Pfarrerin.

Umsetzung von Fairtrade-Prinzipien im Gemeindeleben

Voraussetzung für die Zertifizierung ist die Umsetzung von Fairtrade-Prinzipien in verschiedenen Bereichen des Gemeindelebens. Der Kirchengemeinderat habe beschlossen, in den nächsten zwei Jahren drei konkrete Kriterien umzusetzen, um die Zertifizierung als „Faire Gemeinde“ zu erhalten. Die Kirchengemeinde verpflichte sich, bei Gemeindeveranstaltungen Lebensmittel aus Fairtrade-Produkten sowie aus regionalem und saisonalem Anbau zu verwenden. Als ein Beispiel für diesen Wandel nennt die Pfarrerin die Umgestaltung des Speiseangebots bei den diesjährigen Kinderbibeltagen im Sommer. Statt auf weit transportierte Wassermelonen setzte die Kirchengemeinde auf regional angebautes Gemüse, das in Form von Gemüsesticks mit Kräuterquark und Hummus serviert wurde. Auch bei den belegten Brötchen ging die Gemeinde bewusst den Weg zum örtlichen Bäcker und Metzger, anstatt auf Produkte aus dem Discounter zurückzugreifen.

"Menschen zum Umdenken anregen"

Ein weiterer Schritt sei die Verpflegung der Mitarbeiter während der Veranstaltungen, die aus fairem Handel bezogen wurde. Diese bewusste Entscheidung sei "bemerkt und sehr geschätzt" worden, weiß die Pfarrerin. Ein weiterer Bereich, in dem die Gemeinde einen Wandel vollziehen will, sind die Weihnachtsgeschenke für die Mitarbeiter. "Ziel ist, dass wir umdenken und Menschen zum Umdenken anregen, und da tut sich sofort erstaunlich viel."

Menschen ein Leben in Würde ermöglichen

Ziel des Fairen Handels ist es, die Situation der produzierenden Kleinbauern und Beschäftigten in Entwicklungs- und Schwellenländern zu stärken. Das bedeutet unter anderem, für bessere Arbeitsbedingungen, medizinische Versorgung und Bildungsmöglichkeiten zu sorgen und somit letztendlich den Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Man wolle dazu anregen "dass wir nicht gedankenlos billige Kleidung kaufen, die mit Kinderarbeit und Dumpinglöhnen hergestellt wurde, dass wir nicht gedankenlos verschwenderisch Schokolade und Kaffee konsumieren, die von Menschen unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen produziert wurden." Dies geschehe, wenn darauf geachtet wird und die Möglichkeit der Ausbeutung gesetzlich ausgeschlossen wird. Im Sinne der Menschenrechte und im Sinne des Gebotes der Nächstenliebe und der Hoffnung auf Gerechtigkeit und Frieden für die Welt sei das ein zutiefst christliches Anliegen.

Nach zwei Jahren folgt die Zertifizierung

Geschenke an Referent/innen und Mitarbeiter/innen der Kirchengemeinde sollen fortan aus fairem Handel, regionaler oder saisonaler Produktion stammen. Ein weiterer Schritt sei die Umstellung des Stromverbrauchs der Kirchengemeinde auf 100 Prozent erneuerbare Energien. Zusätzlich zu den genannten Kriterien hat sich die Kirchengemeinde Oberderdingen verpflichtet, nur noch fair gehandelten Kaffee auszuschenken. Auch andere fair gehandelte Produkte wie Tee und Zucker sollen dabei verwendet werden. „Neben diesen Grundbedingungen und den drei ausgewählten Kriterien sind wir zu Öffentlichkeitsarbeit über das Vorhaben und über Fairtrade verpflichtet und zu einem Bericht, wie wir die gewählten Kriterien umsetzen. Dafür haben wir zwei Jahre Zeit. Dann bekommen wir die Zertifizierung", bringt es die Pfarrerin auf den Punkt.

Blumenschmuck aus Gärten von Gemeindemitgliedern

In der Regel erkennt man fair gehandelte Produkte am bekannten Fairtrade-Siegel. Die Kirchengemeinde will aber noch einen Schritt weitergehen und auch Produkte aus regionalem Anbau oder regionaler Produktion in ihre Definition von fairem Handel mit einbeziehen. „In Oberderdingen und Großvillars ist das gar nicht so schwer“, meint Pfarrerin Grefe-Schlüntz. Weine und Secco zum Beispiel gebe es hier in den Weingütern direkt vom Erzeuger, auch Honig aus hiesigen Gärten und Wäldern sei reichlich vorhanden. Beim Amthoffest zu Pfingsten stammten Gemüse, Kartoffeln und Salat seit jeher von hiesigen Landwirten und Gärtnern. "Oder der Blumenschmuck in den Kirchen im Gottesdienst – das geht sogar über die von uns gewählten Kriterien hinaus – kommt in den Frühlings- und Sommermonaten zu 100 Prozent aus den Gärten von Gemeindemitgliedern", verdeutlicht die Pfarrerin.

"Küchenmeister" Deeg bereitet "Gaisburger Marsch" zu

Einen ersten Vorgeschmack der "Fairen Gemeinde" konnte man bereits beim letzten Amthoffest mit Fairtrade-Produkten erleben. Der Erntedank-Gottesdienst am kommenden 8. Oktober soll daran anknüpfen. Stefan Deeg, nicht nur Kirchengemeinderat, sondern bei dieser Veranstaltung auch „Küchenmeister“, wird einen „Gaisburger Marsch“ zubereiten, der ausschließlich aus Zutaten aus fairem Handel besteht. Das Gericht wird nach dem Gottesdienst als Ernte-Dank-Speisung gegen eine Spende ausgegeben. Doch es bleibt nicht nur beim kulinarischen Erlebnis. Armin Schäufele und Ulrich Hoffmann, Mitglieder der Arbeitsgruppe Fairtrade, werden im Anschluss zum Thema sprechen.

Erntedank als passender Anlass

Warum gerade am Erntedankfest? Pfarrerin Grefe-Schlüntz unterstreicht die Bedeutung dieses Tages: „Da am Erntedankfest Gottes Schöpfung und die Gaben aus Garten, Acker, Feld, und Weinberg eine besondere Wahrnehmung bekommen und wir Menschen uns bewusst machen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass uns so viel gutes Essen zur Verfügung steht, hielten wir Erntedank für einen passenden Kasus, mit dem Thema Fair Trade in die Gemeindeöffentlichkeit zu gehen und über unser Vorhaben zu berichten“, berichtet sie gegenüber der Brettener Woche.

Für Projektumsetzung wurde Fairtrade-Arbeitsgruppe gegründet

Ein neues Detail ist, dass das Erntedankfest in diesem Jahr nicht wie gewohnt gemeinsam mit dem Kindergarten "Villa Sonnenschein" begangen wird. Der Kindergarten habe den Wunsch geäußert, einen Gottesdienst im Advent zu gestalten. Dies habe der Kirchengemeinde die Gelegenheit eröffnet, das Thema Fairtrade im Gottesdienst selbst aufzugreifen und sozusagen aus dem gewohnten Rahmen auszubrechen, erklärt Pfarrerin Grefe-Schlüntz. Konkret werde es darum gehen: Gerechte Arbeitsbedingungen für die Menschen, die Lebensmittel und Genussmittel für die Welt herstellen, und gerechte Verteilung von Lebensmitteln in der Welt.

Fairtrade-Arbeitsgruppe

Die Fairtrade-Arbeitsgruppe spielte eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung dieses Projekts. Armin Schäufele und Ulrich Hoffmann gehören zu der Arbeitsgruppe, die sich der Erarbeitung und der Umsetzung des Themas im Namen des Verbundkirchengemeinderates angenommen haben. Zu dieser Arbeitsgruppe gehören außerdem Olaf und Gabriele Renz, Julian Breitschwerdt, Valerie Reimer, Patricia Burger und Karin Weiß.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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