Unendliche Dankbarkeit
Kraichtaler organisiert private Hilfstransporte für Ukraine

Andre Cramme (kniend, unten rechts) mit seinen Freunden vor der Abfahrt des ersten Hilfstransports. | Foto: privat
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  • Andre Cramme (kniend, unten rechts) mit seinen Freunden vor der Abfahrt des ersten Hilfstransports.
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Kraichtal-Gochsheim (swiz) Es sind Bilder, die Andre Cramme wohl nie mehr aus dem Kopf gehen werden. Bilder von frierenden Müttern und Kindern, die bei zwei Grad Kälte und Nieselregen bis zu sechs Stunden an der ungarisch-ukrainischen Grenze stehen, um herüber gelassen zu werden. Bilder von Kleinkindern, die wegen der Flucht vor dem Krieg drei Tage lang die gleiche Windel tragen mussten und nun unter schlimmen Entzündungen leiden. Erlebt hat Cramme, der mit seiner ukrainischen Frau Iryna und den Kindern im Kraichtaler Stadtteil Gochsheim lebt, diese Schicksale bei einem privaten Hilfstransport, den er vor gut einer Woche gemeinsam mit neun Freunden organisiert hat. Beladen mit Spenden waren sie mit fünf Autos 16 Stunden lang in einen kleinen Grenzort namens Tiszabecs in Ungarn gefahren und hatten von dort 18 geflüchtete Frauen und Kinder mitgenommen und damit in Sicherheit vor dem Krieg gebracht.

"Fahren wir endlich wieder nach Hause?"

Cramme, ein kräftiger, großer Mann, sitzt beim Gespräch mit der Brettener Woche an seinem Wohnzimmertisch und bekommt plötzlich Tränen in die Augen, als er sich an ein ganz bestimmtes Erlebnis erinnert. „Wir hatten gerade eine Mutter mit ihren beiden kleinen Kindern in mein Auto gebracht. Als alle angeschnallt waren, fragte dann der vierjährige Junge seine Mama, ob man denn nun endlich wieder nach Hause fahre? Die Mutter verneinte das und der Junge konnte es einfach nicht verstehen. Da sitzt man dann am Steuer und es laufen einem die Tränen übers Gesicht.“ Auf dem Rückweg hatten sie dann alle, Helfer und Geflüchtete, in einem kleinen Hotel übernachtet, um nach den Strapazen wenigstens ein bisschen Schlaf zu finden. „Beim gemeinsamen Frühstück haben mir die ukrainischen Frauen dann erzählt, sie seien so unendlich dankbar für diese Übernachtung, weil es nach langer Zeit der erste Moment der Ruhe gewesen sei.“

"Ich will kein Held sein"

In diesem Moment tritt Crammes Ehefrau Iryna an den Tisch und unterstreicht die Worte ihres Mannes. „Die Menschen in der Ukraine sind so dankbar für die vielen Spenden, die jetzt auch aus Deutschland zu ihnen kommen. Der Krieg hat den Menschen dort einfach den Boden unter den Füßen weggerissen.“ Wegen all dieser Erlebnisse war für Cramme und seine Freunde schnell klar: Diese Hilfe kann nach dem einem Transport nicht stoppen. „Eins will ich dabei aber auch deutlich sagen: Ich will kein Held sein, ich habe den Stein nur ins Rollen gebracht und will ihn jetzt am Rollen halten. Die wahren Helden sind meine Freunde, die da alle völlig selbstlos mitmachen und natürlich die Menschen, die uns so viel spenden.“

"Ich finde es wunderbar, was sie machen"

Und dann zeigt Cramme seine Garage, die inzwischen zum Spendenlager umfunktioniert wurde. Dort stapeln sich Babynahrung, Windeln, Toilettenartikel und vieles mehr. Und wie aufs Stichwort kommt eine Frau in einem blauen Golf in die Einfahrt gefahren und sagt: „Ich habe da auch noch was für sie.“ Im Kofferraum hat sie neben Shampoo und Feuchttüchern auch Tabletten, Einmalspritzen, Seife, Zahnbürsten und vieles mehr. „Ich finde es wunderbar, was sie machen, auch wenn die Fahrt sehr anstrengend sein muss.“ Cramme dankt der Dame und wirkt ein wenig verlegen. „Das geht schon“, meint er.

Spenden werden immer gebraucht

Damit möglichst viele Spenden in der Dr. Alfred-Leitz-Straße in Gochsheim ankommen, rührt Andre Cramme, der eine Firma für Brandmeldeanlagen und Alarmanlagentechnik betreibt, kräftig die Werbetrommel, sei es in den sozialen Netzwerken, bei der Gemeinde oder bei seinen Partnerfirmen. Ein Erfolg war auch die Aufnahme in den Verein „Kraichtal hilft“. „Seitdem ist es uns möglich, auch Spendenquittungen auszustellen“, sagt Cramme. Der nächste Hilfstransport des rührigen Gochsheimers und seiner nicht minder aktiven Freunde an die ukrainische Grenze startet schon am kommenden Freitag. Auch dann sollen wieder geflüchtete Menschen mit zurückgenommen und in Sicherheit gebracht werden. Weg von Krieg und Leid.

Information:
Spenden wie Toilettenartikel, Babynahrung, Fertigsuppen, Einwegteller und vieles mehr können von 9 bis 19 Uhr bei Andre Cramme in der Dr. Alfred-Leitz-Straße 27 in Kraichtal-Gochsheim abgegeben werden.

Andre Cramme (kniend, unten rechts) mit seinen Freunden vor der Abfahrt des ersten Hilfstransports. | Foto: privat
Andre Cramme mit seinen Freunden beim sortieren der Spenden. | Foto: privat
Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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