Ehrung für „Mister Festival der guten Taten“: Gespräch mit Uli Lange anlässlich des bevorstehenden Rathausempfangs
Keiner hat so viele Spenden für soziale Zwecke gesammelt wie er. Anlässlich seines bereits im März vollendeten 80. Lebensjahres wird Uli Lange am Donnerstag, 13. September, mit einem Empfang im Brettener Rathaus geehrt.
BRETTEN (ch) Musik-Benefizfestival Bretten live, Weihnachtspäckchen für Seniorenheime, kostenloses Weihnachtsbüffet für Alleinstehende und finanziell Schwache, ein neues Auto für die Lebenshilfe - wenn in Bretten und der Region von guten Taten die Rede ist, dann fällt unweigerlich irgendwann der Name Uli Lange. Keiner hat so viele Spenden für soziale Zwecke gesammelt wie er. Anlässlich seines bereits im März vollendeten 80. Lebensjahres wird Uli Lange nun am Donnerstag, 13. September, mit einem Empfang im Brettener Rathaus geehrt. Anlass, um mit ihm über sein Lebenswerk, seine Beweggründe und seine Pläne zu plaudern.
Herr Lange, als Initiator, langjähriger Organisator und – im Jahr 2004 – dann auch Gründer des Kuratoriums Festival der guten Taten eilt Ihnen in Bretten und der Region der Ruf eines „Mister Festival der guten Taten“ voraus. Wie gehen Sie damit um?
Das höre ich gerne. Aber ich möchte nicht als etwas Besonderes gelten, sondern ich verstehe das als eine Art Berufung oder Eingebung, dass ich mich um die sozial Schwachen kümmern sollte.
Sie haben in 42 Jahren mehrere Millionen Euro Spendengelder für soziale Zwecke gesammelt und das alles ehrenamtlich – eine enorme Lebensleistung. Was war Ihr Antrieb?
Wissen Sie, ich habe viel Glück gehabt im Leben. Als Kind war ich am Ende des Zweiten Weltkriegs mit meiner Familie auf der Flucht vom damaligen Ostpreußen in den Westen. Wie durch ein Wunder haben wir das Schiff „Wilhelm Gustloff“ verpasst, mit dem wir eigentlich über die Ostsee fahren sollten. Später haben wir dann auf dem anderen Schiff „Hansa“ die Erschütterung von dem Torpedo gespürt, der das ursprünglich für uns bestimmte Schiff versenkt und Tausende Menschen in den Tod gerissen hat. In Kiel, wo wir gelandet sind, habe ich einen Luftangriff überlebt. Und in Holstein, wo wir als Jungs alte Munition zerlegt haben, musste ich miterleben, wie ein Mitschüler dabei auf schreckliche Weise zu Tode gekommen ist. Ich habe mehr als einen Schutzengel gehabt. Da wird man demütig. Ich wollte von meinem Glück etwas weitergeben.
Und was war schließlich der Auslöser, diesen Gedanken in die Tat umzusetzen?
Als ich junger Inspektor im Sozialreferat des Regierungspräsidiums war, gab es vom Sozialministerium wieder mal nicht ausreichend finanzielle Mittel für Sozialeinrichtungen. Da habe ich mir gesagt: Uli, jetzt machst du das mal selbst. Daraus ist die erste Benefiz-Veranstaltung zugunsten der Aktion Mensch zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderung entstanden, sozusagen der Vorläufer von „Bretten live“. Das war 1975 zusammen mit der damaligen Brettener Werbegemeinschaft auf dem Turnplatz in Bretten.
Haben Sie mal ausgerechnet, wie hoch der bis heute gesammelte Spendenbetrag ist?
Das wurde zuletzt für 2004 errechnet. Allein für die Aktion Mensch waren bis dahin 5,2 Millionen Euro gespendet worden. Inzwischen ist der Betrag noch um einiges angewachsen. Hinzuzurechnen wären auch die Spenden für die Weihnachtspäckchenaktion für Seniorenheime, für Tafelessen und Zuschüsse zur Jugendförderung an einzelne Brettener Vereine.
War das Sammeln und Weiterleiten solch großer Summen für Sie nie auch mit Belastungen verbunden?
Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das ansprechen. Es gab natürlich Leute, die gemunkelt haben, dass ich von abgezweigten Spenden meine schönen Autos finanziere. In Wirklichkeit fließen die Spenden eins zu eins an ihren jeweiligen Bestimmungsort. Damit das einwandfrei durch eine Rechnungslegung nachvollziehbar ist, habe ich den gemeinnützigen Verein „Kuratorium Festival der guten Taten“ gegründet. Meine Unkosten bezahle ich alle aus eigener Tasche, von meiner Pension.
Sie sind gebürtiger Danziger – das haben Sie mit dem Schriftsteller Günter Grass gemeinsam: Sie kommen beide aus einer weltoffenen alten Hansestadt, wo aber auch der Zweite Weltkrieg begann und später das Ende der kommunistischen Regimes in Europa eingeläutet wurde. Bedeutet Ihnen Ihre Herkunft etwas?
Ich bin stolz auf diese großartige Stadt. Ein großes Kompliment an die Polen, die die Stadt restauriert haben. Seit zehn Jahren besuche ich alljährlich dort den Bund der deutschen Minderheit und schicke Weihnachtspäckchen für bedürftige Mitglieder, seien sie Deutsche oder Polen.
Nach ihrer Modellschlosser-Lehre bei Neff in Bretten haben sie sich unermüdlich weitergebildet bis zum Diplomverwaltungswirt, um schließlich eine erfolgreiche Laufbahn im Regierungspräsidium einzuschlagen, die Sie bis zur Position eines Oberamtsrats geführt hat. Hat der Einblick in unterschiedliche soziale Verhältnisse Ihr Denken und Handeln mitgeprägt?
Lassen Sie mich mit einem Beispiel antworten: Früher standen im Regierungspräsidium an jeder Tür zu einer Amtsstube die Titel der jeweiligen Amtsträger. Da musste eine einfache Frau ja regelrecht im Boden versinken vor lauter Ehrfurcht. Diese Titel auf den Türen habe ich als Personalratsvorsitzender glücklicherweise abschaffen können. Ungleiche Behandlung hat mich immer schon sehr gestört. In meinen Funktionen im Personalrat des Regierungspräsidiums Karlsruhe und im Hauptpersonalrat des Innenministeriums war ich immer ein Kämpfer für Ausgleich und Gerechtigkeit. Und letztendlich auch für den Arbeitsfrieden.
Man sollte meinen, dass das – zusammen mit der beruflichen Aufgabe – schon genug Zeit in Anspruch nimmt. Aber sie haben daneben immer auch noch Zeit für zusätzliches ehrenamtliches Engagement gefunden, vor allem beim KSC. Gehen Sie noch ins Stadion?
Ja, ich bin immer noch Vereinsratsvorsitzender. Mein Herz hängt ja am KSC.
Haben Sie auch selber gekickt?
Nein. Meine Liebe zum Fußball kommt von meiner Familie. Mein Vater war ein perfekter Mittelstürmer, und meine zwei Brüder haben auch Fußball gespielt. Aber ich war in meiner Jugend schleswig-holsteinischer Landesmeister im Ringen nach griechisch-römischem Stil. So sind die Talente eben verschieden.
Und wie kam es dann zum Kontakt mit dem KSC?
Nach der Premiere in Bretten habe ich die zweite Benefizveranstaltung für die Aktion Mensch 1976 in Karlsruhe organisiert. Und nachdem mich dabei der KSC gleich so stark unterstützt hat, da wurden die Beziehungen zum damaligen KSC-Präsident Roland Schmider immer enger. Übrigens war das auch die Geburtsstunde des Festivals der guten Taten. Ein Berichterstatter hatte die erste Veranstaltung in Bretten als „Festival der Regenschirme“ bezeichnet. Da kam mir die Idee: Daraus machst du das „Festival der guten Taten“.
Wenn Sie zurückblicken auf Ihr soziales Engagement, was war für Sie der schönste Moment?
Die Hilfsbereitschaft und das Zusammensein zu erleben. 40 Partnerstädte und –gemeinden haben diese Idee mit mir bisher erfolgreich umgesetzt. Die haben das begeistert gemacht und mich natürlich mitgerissen. Das ist für mich so ein schönes soziales Erfolgserlebnis, das mich immer wieder neu motiviert. Und dabei habe ich so viele nette Menschen kennengelernt, auch in Ostdeutschland, in Erfurt, Wittenberg, im Heilbad Heiligenstadt und in Dresden. Insofern gab es nicht den einen Moment, sondern eine ganze Perlenkette schöner Momente, die mich immer weitergetragen haben.
Apropos weitertragen: Wo macht das Festival der guten Taten im nächsten Jahr Station?
Für 2019 hat die Gemeinde Bammental bei Heidelberg die Patenschaft übernommen.
Davor findet im Dezember in Bretten zum neunten Mal das von Ihnen zusammen mit der Brettener Woche und der Stadt Bretten ausgerichtete kostenlose Weihnachtsbüffet unter dem Motto „Keiner soll alleine sein“ statt. Sie haben wiederholt gesagt, dass Ihnen diese Veranstaltung besonders am Herzen liegt. Warum?
Das liegt daran, dass man bei dieser Veranstaltung auf Tuchfühlung geht mit sehr bescheidenen Menschen, die es zu würdigen wissen, wenn man ihnen in der Vorweihnachtszeit einen Nachmittag mit kostenlosem Büffet bereitet. Diese Idee der damaligen Brettener Woche-Verlags- und Redaktionsleiterin Gabriele Meyer hat mich sofort überzeugt. Und die Fröhlichkeit, Dankbarkeit und Herzlichkeit bei „Keiner soll alleine sein“ beeindrucken mich immer aufs Neue. Für mich ist das alljährlich eine meiner schönsten Veranstaltungen mit der sozialen Großfamilie in Bretten.
80 Jahre - und mehr als die Hälfte davon sozial engagiert: Wann gehen Sie auch ehrenamtlich in Rente?
Ich gehe dann in den endgültigen Ruhestand, wenn ich nicht mehr die Kraft habe, solche Veranstaltungen durchzuführen. Solange ich so eine hervorragende Gesundheit habe und Freundschaften, die mir beim Organisieren helfen, mache ich weiter. Man macht ja nie alles alleine, da helfen immer sehr viele Menschen mit. Das gibt mir Kraft.
Nach so langer Zeit kann man sich Bretten und die Region ohne Festival der guten Taten eigentlich gar nicht mehr vorstellen. Haben Sie Ihre Nachfolge schon geregelt?
Ja, das habe ich versucht, aber bisher niemand gefunden. Vielleicht will es der Zufall, dass ich noch die oder den Richtigen treffe. Aber ich hänge natürlich an meiner Idee. Deshalb habe ich das Festival der guten Taten als Marke mit meinem Namen patentrechtlich schützen lassen, damit es nicht für kommerzielle Absichten zweckentfremdet werden kann.
Für Ihre ehrenamtlichen und sozialen Verdienste sind Sie mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz, der Heimatmedaille des Landes Baden-Württemberg und der Bürgermedaille der Stadt Bretten. Am morgigen 13. September werden Sie nun von der Stadt Bretten erneut mit einem Empfang geehrt. Macht Sie das stolz?
Ja, natürlich. Denn ich habe in Bretten meine Heimat gefunden. Ich war ja auch christlicher Pfadfinder. Die Erlebnisse bei den Pfadfindern, Peter und Paul, die erste Liebe, das sind Erinnerungen, die bleiben. Und die mich mit Bretten verbinden. Hier bin ich unheimlich herzlich aufgenommen worden, hier war man immer hilfsbereit, badisch-liberal und nett, hier habe ich echte, ehrliche Freunde gefunden.
Die Fragen stellte Chris Heinemann
Mehr über das kostenlose Weihnachtsessen "Keiner soll alleine sein" lesen Sie auf unserer Themenseite
Autor:Chris Heinemann aus Bretten |
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