Fenster in die Brettener Welt

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Die Werke des Fotografen Thomas Rebel, die unter dem Titel „Dialog, Disput und Erneuerung“ stehen, zieren bereits seit Mitte März die Fassaden öffentlicher Gebäude in Bretten und ihren Stadtteilen.

Bretten (hk) Eine Momentaufnahme der Brettener Fußgängerzone, so beschreibt Thomas Rebel sein Werk, das an der Außenfassade der alten Trafostation hängt. Wie ein Fenster in die Brettener Welt begrüßt die Grafik vorbeiziehende Passanten und Autofahrer. Aber man muss ein bisschen verweilen, sich ein bisschen Zeit lassen und sich mit der Kunst im Großformat auseinandersetzen, die sich Tag für Tag wie ein Lauffeuer in der Kernstadt und den Ortsteilen verbreitet hat. Denn dann wird der Brettener erkennen: Hier geht es um mich und meine Stadt.

„Das war einer der Momente, wo mir tatsächlich die Tränen kamen“

Vor einem Vierteljahr hat sich Rebel zum ersten Mal ein Muster einer Grafik machen lassen, „um ein bisschen Sicherheit zu kriegen“ und um einem kleinen Eindruck davon zu bekommen, ob die Pixel, die er rumschubse auch in der Realität wirken. Er erinnert sich an jenes Schlüsselerlebnis: „Ich habe das Muster in meinem Wohnzimmer ausgerollt, die Sonne schien darauf. Und das war einer der Momente, wo mir tatsächlich die Tränen kamen.“ Es ist ein großes Risiko, das man als Künstler bei solchen Großprojekten eingeht. Niemand weiß, ob sich das Resultat mit den eigenen Vorstellungen deckt. „Dass die Farben so leuchtend kräftig werden – ich hatte mit mehr Abstrichen gerechnet. Ab dem Moment wusste ich aber, alles wird gut.“

Ausstellung ist nach Maß angefertigt

Jetzt entfalten sich auf insgesamt 23 Installationen Szenen, die in Verbindung mit der Brettener Geschichte stehen: Der berühmteste Sohn der Stadt, Philip Melanchthon, blickt fast wie im Pop Art-Stil aus luftiger Höhe von der Stiftskirche herab, das „Wimmelbild“ an der Weißhofer Galerie erinnert an eine Huldigungsszene aus dem Mittelalter. „Viele sind der Meinung, die Bilder hingen schon immer dort“, freut sich Rebel. Das ist nicht besonders verwunderlich: Drei Jahre hat der Künstler in die Vorbereitung der nach Maß angefertigten Ausstellung „Dialog. Disput. Erinnerung.“ investiert. Im Zuge dessen hat der 53-Jährige nur für diesen Zweck hochwertige Fotos erstellt („Sonst kann man die Grafiken nicht so groß machen“) und die Aufnahmen digital übereinander geschachtelt. Bis zu acht Aufnahmen können sich dann in einer Grafik verstecken. In einem komplexen Verfahren, in dem Rebel unter anderem die Farben addiert oder subtrahiert, wurden die Szenen schließlich verfremdet. „Das alles funktioniert nur auf dem obersten Level der Technik“, erklärt er.

Kunst muss polarisieren

Aber nicht alle können und konnten sich mit den modernen Kunstwerken anfreunden. „Beim Engelsberg haben wir eine ganz tolle Arbeit nicht realisieren können. Die Eigentümerschaft hat es nicht bewilligt“, so Rebel. Aber damit komme er klar: „Sicher gefällt es nicht jedem, es gibt ja auch negative Stimmen. Aber das ist voll in Ordnung, denn Kunst muss polarisieren. Sonst wäre es langweilig“, findet er. Aber grundsätzlich seien die Reaktionen mehr als positiv. Er werde tatsächlich von wildfremden Menschen angesprochen, die ihm mitteilen, wie toll sie die Installationen finden. „Es gab diese Woche ein Erlebnis, das mich besonders gefreut hat“, beginnt Rebel und erzählt von einer stark verschleierten Frau, die ihm beim Einkaufen begegnet sei. „Nachdem ich mich mit der Kassierin über die Bilder unterhalten habe, sprach sie mich an und sagte, ‚Übrigens, mir gefallen die Sachen auch sehr gut.‘ Und das fand ich wirklich ganz toll, damit hätte ich überhaupt nicht gerechnet.“ Und genau das steht in einer Linie, mit dem was Rebel erreichen möchte: Ein Wir-Gefühl erzeugen.

Stadtmarketing auf höchstem Niveau

Dass das Projekt nun über Bretten hinausschlagen werde, dem ist er sich sicher. Die gewaltige Ausstellung ist schließlich auch Stadtmarketing auf höchstem Niveau. Es ist nicht nur Kunst, sondern auch ein in der Form beabsichtigtes Aushängeschild für die Stadt. Denn Bretten kann auch Neuzeit und nicht „nur“ Peter-und-Paul. „Das Wimmelbild war mein Beitrag zum mittelalterlichen Bretten, aber Bretten kann eben mehr. Und das kann ich mit den riesigen Exponaten zeigen.“ Inzwischen schlagen die kunterbunten Grafiken hohe Wellen, die Image-Werbung des Künstlers geht auf. Ein Paar aus Bad Wildbad habe über die Facebook-Seite der Ausstellung über das Projekt erfahren, nun sei im Sommer ein Besuch mit der ganzen Theatergruppe geplant. Das Konzept bringt also Menschen in die Stadt und in die Ortsteile und vor allem bringt es Menschen zusammen. „Ich wünsche mir, dass man sich vor den Grafiken fotografiert und seine Erlebnisse teilt“, appelliert Rebel an die Menschen.

„Die Menschen sollen erfahren, wie schön es eigentlich hier ist“

Bis zum 31. Oktober, dem Ende des Reformationsjubiläums, wird die Ausstellung an den Fassaden hängen bleiben. Anschließend werden die Bilder zurückgebaut und die Gebäude in den Originalzustand versetzt. Danach sollen aus den Grafiken Stücke heraus geschnitten werden, die zum Teil zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes für einen guten Zweck versteigert werden sollen. Rebel erhofft sich damit, zumindest die Kosten, die bisher entstanden sind, wieder reinzukriegen. Der Künstler selbst habe bisher noch keinen Cent verdient: „Vielleicht klappt es mit dem Abverkauf meiner Arbeiten im Kleinformat in meinem Event-Shop.“ Und warum dann das Ganze? „Die Menschen sollen erfahren, wie schön es eigentlich hier ist.“ Und dazu gehören auch die Brettener selbst.

Auf unserer großen Themenseite „Jubiläum Bretten“ finden Sie weitere Informationen zum 1250. Geburtstag der Melanchthonstadt.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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