Interview mit Heiko P. Wacker über die Artillerie-Vorführung am Simmelturm
„Geschichte kann so unglaublich viel Spaß machen!“

Heiko P. Wacker kennt sich mit alten Waffen aus.
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Dr. Heiko P. Wacker promovierte im Fach Geschichte über das Heidelberger Schloss und ist seit ihrer Gründung im Jahr 2005 im Vorstand der Brettener Artillerie 1504. Außerdem ist er Mitglied bei den Landsknechten. Bei der Artillerie-Vorführung, die am Samstag ab 17 Uhr am Simmelturm unter dem Motto „Feuer Werk – Die Kraft des schwarzen Pulvers“ stattfindet, und bei der Mitglieder der Landsknechte, der Gruppe Albrecht Schedels Fähnlein und natürlich der Brettener Artillerie mitwirken, fungiert er als Initiator und Moderator.

Herr Wacker, warum sollte man sich die Artillerie-Vorführung am Samstag am Simmelturm nicht entgehen lassen?
Feuernde Geschütze sieht man allenthalben, auch in der Schlacht am Simmelturm. Doch nur in der Artillerie-Vorführung besteht die Möglichkeit, auch den Ladevorgang genau zu beobachten, zumal dieser in aller Ausführlichkeit erläutert wird. Wir verstehen uns als lebendes Museum, wollen Geschichte begreifbar machen. Blankes „Bummbumm“ kann jeder – wir steigen tiefer in die Materie ein. Und wir zeigen Dinge, die in der Schlacht selbst aus Sicherheitsgründen gar nicht erst zum Einsatz kommen können.

Ist die Vorführung auch für Kinder geeignet? Gerade kleine Jungs finden ja Kanonen und Feuer besonders toll.
Eine knifflige Frage stellen Sie da! (Er lacht.) Klar, Jungs haben ihre besondere Freude an so einer feurigen Show. Doch die ist, wie auch die Schlacht selber, für kleinere Kinder definitiv nicht geeignet! Immerhin führen wir die Funktion lautstarker Waffen vor. Und Waffen sind nun mal dafür geschaffen, Menschen zu töten, Menschen zu verletzen. Das darf man nicht vergessen – auch wenn all dies ein Teil unserer Geschichte ist. So lehrreich die Vorführung ist, wir wollen den Krieg nicht verherrlichen.

Welche Waffen kommen zum Einsatz?
Zum einen Handrohre und Geschütze, die auch in der Schlacht zu sehen sind, wie das charmante Kammergeschütz unserer Freunde vom Schedel. Wir wollen aber auch einen Brandballen – solche Brandsätze flogen bereits 1504 in die belagerte Stadt – einen Feuerpfeil und eventuell Handgranaten zeigen.

Welche Gruppen sind an der Vorführung beteiligt? Wie bereiten sie sich auf die Vorführung vor, man kann ja nicht „einfach so und überall“ mit Feuerpfeilen und Kanonenkugeln schießen?
Die Akteure entstammen den drei oben genannten Gruppen, in der Vorführung arbeiten aber alle zusammen, wie wir uns auch gemeinsam in verschiedenen Lehrgängen seit Jahren für solche Aktionen schulen lassen. Die Geschütze sind durch das Bundesamt für Materialprüfung abgenommen und genehmigt, Feuerwerk wie die Brandballen oder -pfeile wurden in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden entwickelt und einzeln von diesen genehmigt und freigegeben. Außerdem haben wir alle „Paragraph 27“-Berechtigungen, ohne die man mit Schwarzpulver erst gar nicht hantieren darf. Und das ist auch gut so! Denn so unterhaltsam das alles auch für die Zuschauer sein mag – es ist kein Spielzeug! Wenn ich deshalb während der Vorführung darum bitte, die Ohren zuzuhalten und den Mund wegen des Druckausgleichs zu öffnen, dann meine ich das auch so!

Woher weiß man, welche Waffen damals benutzt wurden? Und woher stammen die Waffen, die bei der Vorführung gezeigt werden?
Auskunft geben uns Chroniken, erhaltene Originale oder zeitgenössische Zeichnungen, nach denen auch das Orgelgeschütz „Schwarz Agnes“ oder die „Mayrin“, eine Steinbüchse, die 2019 allerdings im Museum im Schweizer Hof steht, entstanden sind. Aber auch die „Chronik des Georg Schwartzerdt“ hilft uns weiter, hier sind Brandballen erwähnt. Originale solcher Ballen finden sich leider nur noch selten, auf der Veste Coburg beispielsweise. Die wiederum kann man mit wissenschaftlichen Methoden wie Röntgengeräten untersuchen und dann anhand alter Rezepte rekonstruieren. Wie das geht, zeigen wir am Samstag ab 14 Uhr im Lager der Artillerie neben dem Rathaus. Alles unerhört aufwändig, aber auch hoch spannend. Aber wenn dann den Menschen auf den Tribünen der Atem stockt, weil das Donnern eines Geschützes tatsächlich eine in der Brust spürbare Druckwelle aussendet, oder ein Brandballen richtig zu arbeiten beginnt, während ich parallel seine verheerende Wirkung in der belagerten Stadt beschreibe, dann ist alle Mühe vergessen. Dann SIND wir ein lebendes Museum. Wir freuen uns, und sind schon richtig „heiß“: Geschichte kann so unglaublich viel Spaß machen!

Die Fragen stellte Katrin Gerweck.

Info:
„Feuer Werk – Die Kraft des schwarzen Pulvers“: Die Artillerie-Vorführung mit detaillierten Erläuterungen findet am Samstag, 29. Juni, ab 17 Uhr am Simmelturm statt.
Die Rekonstruktion von Brandballen und anderem „ernsten Feuerwerk“ sowie Erklärung mit Exponaten (Brandpfeile, Hagelgeschosse, Sturmtöpfe usw.) gibt es ebenfalls am Samstag, 29. Juni, von 14 bis circa 15.30 Uhr im Lager der Artillerie neben dem Rathaus. Alles zum "In-die-Hand-nehmen"!

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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