Aufmunternde Worte von Jay Alexander zur Corona-Krise
„Ich spüre, wie wenig ich brauche, um glücklich zu sein“
Da sind wir alle doch jetzt in eine turbulente Zeit geraten! Vor Wochen hätte keiner gedacht, dass die Welt so durcheinander gewirbelt wird! Nichts ist mehr so wie es war, und wahrscheinlich wird es so schnell auch nicht mehr werden wie vorher …!? Das klingt dramatisch, ist aber der Situation geschuldet doch recht realistisch.
Wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen bin auch ich arbeitslos. Alle Konzerte, sämtliche Auftritte wurden gestrichen oder vorerst mal in den Herbst verschoben. Vor drei Monaten habe ich noch „mein“ Jahr durchgeplant und war eigentlich mehr als zufrieden über den gefüllten Terminkalender. Niemals hätte ich zu diesem Zeitpunkt gedacht, dass diese Planung von jetzt auf gleich über den Haufen geworfen würde.
Wie fühlt man sich in einer solchen Situation? Von Gelassenheit bis Nachdenklichkeit, von Lachen bis Weinen, von Unbeschwertheit bis Angst – so weitreichend ist meine derzeitige Gefühlsverfassung. Ja, es überfordert mich.
Meine Kinder fragen mich immer mal zwischendurch, ob die Situation ausweglos ist und wie lange das alles gehen wird. Da kommt man dann auch als Vater schnell an seine Grenzen. Wie soll man reagieren? Natürlich gibt man beruhigende Antworten. Man möchte, dass es den Kindern gut geht und dass sie sich keine Sorgen machen müssen. Dennoch müssen auch sie in so einer Situation Verantwortung übernehmen. Derzeit können sie ja nicht in die Schule und müssen zu Hause diszipliniert ihre Lernaufgaben verrichten. Es ist klar, dass die Schließung von Kindergärten und Schulen für viele Mütter und Väter eine immense Herausforderung bedeutet, aber viele Kinder lernen jetzt, kreativer, vielleicht selbstständiger zu werden. Das Spielen in der Gruppe ist derzeit untersagt und auch die Besuche der Großeltern sind eingestellt, da sie zur Risikogruppe zählen. Ein Umstand, den wir alle nicht kennen. Unsere Generation ist sorgenfrei aufgewachsen und durfte mit einer gewissen Leichtigkeit durchs Leben gehen.
Natürlich haben wir jetzt alle mehr Zeit und können auch aus allem Negativen immer etwas Positives ziehen. Zugegeben, dies fällt nicht gerade leicht.
Mich beschleicht das Gefühl, dass diese Situation so kommen musste. Ich hatte in den letzten Monaten oft den Eindruck, dass sich alles irgendwie am Anschlag befindet. Soll heißen, dass wir alle wie ferngesteuert durchs Leben laufen, schöne Dinge gar nicht mehr wirklich wahrnehmen, und die Natur und auch wir Menschen sind regelrecht erschöpft! Während ich meine Gedanken gerade aufs Papier bringe, zwitschern draußen die Vögel. Ja tatsächlich ... es ist Frühling! Die Magnolie vor unserem Haus blüht mit einer Kraft und Energie, wie ich sie selten so wahrgenommen habe. Wir haben sie damals zur Hochzeit geschenkt bekommen mit der Aussage, dass unsere Ehe gemeinsam mit dem Baum wachsen und gedeihen soll! Das haben meine Frau und ich zwischendurch doch tatsächlich vergessen. Es ist alles gut, aber viele Dinge gehen im Alltag unter, und wenn dann so eine Pandemie über einen hereinbricht, werden plötzlich Gedanken wachgerüttelt und die Sinne geschärft. Ich habe das Gefühl (auch wenn das vielleicht sehr übertrieben klingt), dass viele Tiere sich ihren natürlichen Lebensraum zurückholen dürfen. Die Menschen solidarisieren sich und helfen sich wieder gegenseitig – seit langem wächst wieder ein Gemeinschaftsgefühl! Menschen kommunizieren wieder miteinander!
Ich habe bis dato noch nie eine berufliche Einschränkung erleben müssen. Was soll ich sagen? Ehrlich gesagt vermisse ich den Flughafen und die Autobahnen derzeit überhaupt nicht! Für viele bedeutet dieser Verzicht eine Freiheitsberaubung und ganz sicher schmerzen diese beruflichen Einschränkungen (ich nehme mich da keineswegs aus). Dennoch habe ich das Gefühl, dass unsere Erde gerade aufatmet! Natürlich wird unsere Wirtschaft einen riesigen Schaden erleiden! Gleichzeitig wird mir bewusst, was wirklich wichtig ist in meinem Leben und dass das ständige Streben nach mehr so viel Kraft kostet! Ich spüre, wie wenig ich eigentlich tatsächlich brauche, um glücklich zu sein. Es ist doch verrückt, dass man so einen „Schuss vor den Bug“ braucht, um diese Erkenntnis zu erlangen?!
Aber das kennen wir alle ja auch aus anderen Lebenssituationen. Was ich total schön finde, ist die Tatsache, dass viele Menschen in den Städten miteinander singen. Habe kürzlich ein Video im Netz entdeckt, wo in Italien die Leute von den Balkonen aus gemeinschaftlich singen. Ist das nicht herrlich? Wieder einmal ist es Musik, die verbindet und alles zu versöhnen vermag!
Da fällt auch mir wieder ein, dass ich als kleiner Junge im Hausgang meiner Eltern gesungen habe, wenn es mir nicht gut ging. Wie konnte ich das nur vergessen?! Vieles wird auf ein Mal wieder so klar!
Als ich die Gesangbuch-Hymnen zu meinem neuen Album „Du meine Seele, singe …“ aufgenommen habe, konnte noch keiner ahnen, in was für eine Schieflage unsere Welt gerät. Ich habe diese Lieder aufgenommen, weil sie einfach unglaublich schön sind und schon seit Jahrhunderten den Grunderlebnissen der Menschen sprachlich und musikalisch Ausdruck verleihen. 16 Lieder, die Liebesfreude und Liebesleid, Abschied und Heimweh, Glück und Unglück, Reise und Wiedersehen, Glaube und Hoffnung, Freude und Schadenfreude, Freundschaft und Feindschaft, Heimat und Freunde, Ehe und Kinder, Arbeit und Feierabend, Leben und Tod besingen.
„Du meine Seele singe“, das Titellied, drückt meine tiefste Empfindung aus, gerade auch in der momentanen Ausnahmesituation. Auch weil Sie und ich uns in nächster Zeit nicht persönlich sehen, sondern nur hören können: diese Lieder sind Brücken – von Herz zu Herz.
Euer Jay Alexander
Gerade noch vor der Corona-Krise ist es Jay Alexander gelungen, seine neue CD-Produktion „Du meine Seele, singe …“ (erhältlich ab dem 15. Mai) mit dem „Orchester der Kulturen“ fertigzustellen. Am Karfreitag ist Jay Alexander im Rahmen der „Daheim-Konzerte“ des SWR4 ab 17 Uhr zu sehen und zu hören.
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Autor:Kraichgau News aus Bretten |
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