Schweigen auf Appell – Bretten braucht Richtung
Stillstand ist keine Strategie

Symbolbild. Stadtentwicklung Bretten | Foto: Björn Böttle.
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[Aktualisierung 23. Mai 2025, 07:45 Uhr]
Kurz darauf hat sich auch Bürgermeister Michael Nöltner per WhatsApp gemeldet: Er habe meinen Appell vom 12. Mai über seinen WhatsApp-Status gelesen, da ihm die E-Mail offenbar nicht zugegangen sei. Er bekräftigt seine Unterstützung für die Gartenschau und lädt zu einem persönlichen Gespräch ein.

„Gerne können wir uns darüber unterhalten. Am liebsten bei einem persönlichen Gespräch. Ich denke aber, dass es bekannt ist, dass ich weiterhin ein Befürworter der Gartenschau bin.“

[Aktualisierung 22. Mai 2025, 18:35 Uhr]
Dreieinhalb Stunden nach Veröffentlichung dieses Artikels hat Oberbürgermeister Nico Morast geantwortet: Er bedankt sich für mein Engagement, betont, dass sachliche Kritik respektvoll behandelt werde, und verweist auf die Bürgerinformationsveranstaltung am 19. Mai 2025 sowie die bereits beworbenen Beteiligungsformate. Konkrete Termine für einen vertiefenden Dialog nennt er noch nicht.

„Kritik, die sachlich und konstruktiv vorgetragen wird, verdient nicht nur Respekt, sondern auch eine ehrliche Auseinandersetzung.“

[Aktualisierung 22 Mai 2025, 18:23 Uhr]
Das Datum der Gemeinderatssitzung wurde auf den 27.05. korrigiert. Vorher war fälschlicherweise der 26.05. angegeben.

Viel Resonanz – kein Dialog

Anfang Mai erschien mein Beitrag zur Stadtentwicklung Brettens auf kraichgau.news – ein Text, der viele Reaktionen auslöste: persönlich, öffentlich, zustimmend. Die Rückmeldungen zeigten deutlich: Das Thema trifft einen Nerv. Viele Menschen spüren, dass Bretten an einem Wendepunkt steht – und wünschen sich Veränderung.

Aus diesen Rückmeldungen heraus entstand mein offener Appell, den ich am 12. Mai per E-Mail an die Stadtspitze, den Gemeinderat und die lokalen Redaktionen gesendet habe. Ziel war es, die Debatte vom Kommentar in die konkrete Verantwortung zu bringen – und einen echten Dialog über die Zukunft dieser Stadt anzustoßen.

Der vollständige E-Mail-Appell ist unterhalb dieser Stellungnahme dokumentiert.

Doch bis heute: keine Reaktion. Kein Gesprächsangebot. Kein „Danke für Ihre Zeilen“. Nicht einmal eine Eingangsbestätigung.

Diese Funkstille ist mehr als nur still. Sie steht für ein politisches Klima, das Kritik nicht aufnimmt – sondern aussitzt. Für eine Kommunikation, die Beteiligung zwar verspricht, aber systematisch vermeidet.

Die Gartenschau ist keine Kür – sondern eine Chance

Nach der jüngsten Informationsveranstaltung hat sich mein Eindruck weiter verfestigt: Die Stadt Bretten hat nicht verstanden, was Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert bedeutet. Die Gartenschau ist kein bloßes Blumenfest. Sie kann – oder könnte – ein kraftvoller Hebel sein für Mobilitätswende, Klimaanpassung, Stadtgrün, Aufenthaltsqualität und Beteiligung. Ein Zeitrahmen mit klarer Förderstruktur, ein Impuls mit greifbaren Zielen.

Doch statt diesen Hebel mutig zu nutzen, erleben wir: Rückzug in Symbolpolitik.
Ein sogenanntes „Mobilitätskonzept“ reduziert sich inzwischen auf die Planung von Parkhäusern – während ein echtes Rad- und Fußwegekonzept fehlt. Die für 2025 angekündigte Rad-Ost-West-Achse? Bisher nicht einmal begonnen.
Statt konkreter Fortschritte: Projektskizzen ohne Substanz. Und ein Ausweichen in Ausreden, sobald es ernst wird. Man verweist auf Sachzwänge, auf andere Ebenen – und taucht ab.

Dabei geht es längst nicht mehr nur um die Frage, ob die Gartenschau kommt – sondern um das politische Signal, das mit ihrer drohenden Absage verbunden ist. Die Stadtverwaltung hat angekündigt, am Dienstag, den 27. Mai 2025, im Gemeinderat die Entscheidung über den Rückzug vorzulegen – ein bisher einmaliger Vorgang in der Geschichte der baden-württembergischen Gartenschauen.

Wenn der Rückzug tatsächlich beschlossen wird, entfällt nicht nur ein Förderrahmen – sondern auch Orientierung, Verbindlichkeit und der politische Druck, endlich zu handeln. Die einst formulierten Ziele drohen nun zu verwässern oder in der Verwaltung zu versanden. Das ist nicht nur ein planerisches Risiko – es ist politisch gefährlich. Denn die Herausforderungen wachsen: Klima, Verkehr, Wohnen, Teilhabe, Lebensqualität.

Die Kosten sind nicht das Problem – sondern die Art, damit umzugehen

Natürlich: Es geht auch ums Geld. Aber das Kostenargument ist nicht neu – es kam nicht überraschend. Die Gartenschau wurde gefeiert wie ein „Sechser im Lotto“. Doch es fehlte an Steuerung, an Verlässlichkeit, an Grundsicherung. Dass auf Flächen geplant wurde, die nie im Besitz der Stadt waren, war kein Schicksal – sondern ein Planungsfehler mit Ansage.

Wer nach fünf Jahren feststellt, dass ein Projekt „zu teuer“ wird, ist nicht Opfer der Umstände – sondern hat Verantwortung zu tragen.
Das gilt auch für den nun verworfenen Plan B mit rund 32 Millionen Euro – ein Konzept, das weder strukturell überzeugt noch gestalterisch motiviert wirkte. Es wirkte lustlos, unambitioniert – eher wie eine Pflichtübung, um sagen zu können: „Wir haben ja immerhin einen Plan B gemacht.“

Ein großer Teil der von der Stadtverwaltung genannten Summen wäre in Grundstücke geflossen, die im städtischen Eigentum bleiben – also Werte, nicht Verluste. Weitere Investitionen wären in Radwege, Hochwasserschutz, Stadtgrün und Aufenthaltsräume geflossen – Infrastruktur, die langfristig Lebensqualität und Sicherheit schafft.

Wer solche Investitionen einseitig als „untragbar“ bewertet, denkt nicht zukunftsorientiert – sondern kurzsichtig.

Was fehlt, ist das Ziel – und der Wille, es zu formulieren

Die Stadt hat es zudem versäumt, klar zu vermitteln, was die Gartenschau für Bretten hätte bedeuten können. Kein Zielbild. Keine glaubwürdige Beteiligung. Keine kommunikative Kraft, die Lust auf Veränderung gemacht hätte. Stattdessen: Rückzug auf Parkhäuser, etwas Kosmetik im Grün – und eine Umgehungsstraße, die womöglich nie rechtzeitig fertig wird und deren verkehrlicher Nutzen mehr als fraglich ist.

Das zeigt: Bretten fehlt eine Leitidee – ein klarer, gemeinsamer Blick nach vorn. Wie soll die Stadt im Jahr 2030 aussehen? Oder 2040? Niemand kann es sagen – weil niemand es formuliert hat. Und ohne Kompass bleibt jede Maßnahme zufällig – und läuft ins Leere.

Die Gartenschau könnte ein Baustein dieses Zukunftsbildes sein – wenn der Mut zur Umsetzung noch aufgebracht wird. Doch stattdessen hängt wieder alles an Einzelentscheidungen, an Haushaltsdebatten, an Tagespolitik. Das ist kein Rückzug – das ist städtebauliches Versagen mit Ansage.

Was jetzt notwendig ist

Die Stadt braucht nicht nur neue Konzepte – sie braucht den politischen Willen, sie umzusetzen.
Auch der Gemeinderat steht hier in der Verantwortung: sich zusammenzuraufen, Haltung zu zeigen und zum Wohl kommender Generationen zu handeln. Natürlich unter Berücksichtigung der Kosten – aber ein bewusst herbeigeführter Stillstand und die Aussicht auf reines Stückwerk wären das komplett falsche Signal.
Jetzt ist der Moment für Klarheit, Richtung – und den Mut, Entscheidungen zu treffen, die über die eigene Amtszeit hinaus wirken.

Ich fordere alle politischen Entscheidungsträger:innen in Bretten auf:

  • Entwickeln Sie ein klares, verbindliches und langfristiges Stadtentwicklungskonzept – mit strategischem Zeithorizont.
  • Schaffen Sie echte Beteiligungsformate – transparent, strukturiert, kontinuierlich.
  • Setzen Sie mutige Prioritäten – für Klima, Mobilität und Lebensqualität. Nicht isoliert, sondern im Zusammenhang.

Die Menschen in Bretten sind bereit, sich einzubringen. Sie erwarten aber auch, dass Politik führt – nicht nur verwaltet. Dass sie zuhört – und entscheidet. Und dass sie die Richtung vorgibt, statt sich wegzuducken.

Und auch an die stillen Stimmen in der Bürgerschaft geht dieser Appell:
Jetzt ist der Moment, sichtbar zu werden. Wer sich eine lebenswerte Stadt wünscht, sollte sie nicht nur fordern – sondern auch mitgestalten.

Dabei ist entscheidend, wie wir streiten.
Diese Auseinandersetzung braucht Haltung – aber keine Lautstärke um der Lautstärke willen. Wer echte Veränderung will, muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, Kompromisse zu denken – und sich klar abzugrenzen von populistischer Polemik, wie sie aus manchen politischen Lagern allzu gern kommt.

Bretten darf sich nicht länger selbst im Weg stehen. Es ist Zeit für Verantwortung, für Klarheit – und für politischen Mut. Jetzt.


---

Der gesendete Appell vom 12. Mai 2025 im Wortlaut:

Betreff: Bretten braucht eine Wende – Offener Appell zur aktuellen Stadtentwicklung

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Morast,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Nöltner,
sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderats,
sehr geehrte Damen und Herren der Redaktionen,

anbei sende ich Ihnen einen offenen Beitrag zur aktuellen Situation rund um die Gartenschau 2031 und die damit verbundenen Herausforderungen in Bretten.

In zahlreichen Gesprächen und Rückmeldungen wurde deutlich: Viele Menschen haben den Eindruck, dass wir als Stadt an einem entscheidenden Wendepunkt stehen – und Gefahr laufen, diesen ungenutzt verstreichen zu lassen.

Was ursprünglich als Impuls für mehr Klimaschutz, Mobilität, Beteiligung und Stadtentwicklung gedacht war, droht aktuell zu scheitern – nicht nur an finanziellen Hürden, sondern vor allem an fehlender strategischer Klarheit, an mangelnder Führung und an politischen Blockaden. Die vielen Hinweise aus der Bürgerschaft zeigen: Die Menschen sind bereit, sich einzubringen. Aber sie erwarten auch, dass ihre Stadtführung diesen Gestaltungswillen ernst nimmt.

Als außenstehender Beobachter nehme ich mit wachsender Sorge wahr, dass Gemeinderat und Stadtverwaltung – ebenso wie die Fraktionen untereinander – oft weniger miteinander als vielmehr nebeneinander oder sogar gegeneinander arbeiten. Gerade dort, wo es im Sinne der Stadt dringend gemeinsamer Entscheidungen bedarf, entsteht der Eindruck politischer Zersplitterung. Dieses Gegeneinander ist aus meiner Sicht Ausdruck eines tieferliegenden Problems: Es fehlt ein verbindliches, strategisch abgestimmtes Stadtentwicklungskonzept. Ohne gemeinsame Richtung drohen politische Prozesse zum Selbstzweck zu werden – mit kleinen Schritten vorwärts, seitwärts und rückwärts, aber stets ohne Ziel. Wie soll ein Gemeinderat über mehrere Legislaturperioden hinweg konsequent auf ein Ziel hinarbeiten, wenn dieses Ziel nicht klar benannt ist?

Der beigefügte Text versteht sich nicht als Anklage, sondern als Aufruf zur gemeinsamen Verantwortung. Er richtet sich nicht gegen Einzelpersonen, sondern gegen ein System des Verzögerns und Verwalten-Wollens, das sich Bretten in dieser Form nicht mehr leisten kann – nicht angesichts der Herausforderungen unserer Zeit.

Der Beitrag wurde von mir kürzlich auf kraichgau.news veröffentlicht, um eine öffentliche Diskussion anzustoßen. Die vielen positiven Reaktionen darauf haben mich ermutigt, ihn nun auch ganz bewusst direkt an Sie zu richten – als Einladung zur politischen Auseinandersetzung und zur gemeinsamen Verantwortung.

Ich bitte Sie: Nehmen Sie sich die Zeit, die Zeilen zu lesen. Und nutzen Sie die kommenden Tage und Wochen, um politische Entscheidungen zu treffen, die nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich und moralisch überzeugen.

Ich appelliere an alle Verantwortlichen, jetzt konsequent und zeitnah zu handeln.
Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung – und bin gerne bereit, gemeinsam mit anderen engagierten Bürger:innen in den Dialog zu treten.

Mit freundlichen Grüßen
Björn Böttle

Autor:

Björn Böttle aus Bretten

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