Kundgebung der Initiative „gemeinsam“ auf der Sporgasse
"Alle Menschen bei Maßnahmen mitnehmen"

Initiator Ronny Winkler begrüßt die Teilnehmer der Kundgebung am Samstagnachmittag.  | Foto: bea
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  • Initiator Ronny Winkler begrüßt die Teilnehmer der Kundgebung am Samstagnachmittag.
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Bretten (bea) Die Sporgasse war für den Autoverkehr gesperrt, eine Umleitung eingerichtet. Vor der Weißhofer Galerie war eine Bühne aufgebaut, die Musik davon weithin zu hören. Auf der verkehrsberuhigten Straße unter der St. Laurentiuskirche war bereits kurz vor Beginn der Kundgebung viel los. Verantwortlich dafür war Ronny Winkler, der mit seiner Initiative „gemeinsam“ zur Kundgebung gegen die geltenden Corona-Vorschriften aufgerufen hatte. 

Positiv überrascht von Resonanz

Diesem Ruf folgten viele Kulturschaffende, Einzelhändler und Bürger. Für 250 Menschen hatten die Initiatoren den Bereich zwischen Weißhofer Galerie und Sporgassenparkplatz mit weißen Kreuzen markiert. Diese sollten für den notwendigen Mindestabstand unter den Kundgebungsteilnehmern sorgen. Doch auch auf dem Sporgassenparkplatz und dem Postweg verfolgten Menschen - mit Abstand - dem Verlauf der Kundgebung. Insgesamt kamen über 200 Menschen auf der Sporgasse zusammen. Über die "große Resonanz" war Winkler "positiv überrascht“. 

Noch immer keine Perspektive in Sicht

Sein Ansatz sei nicht das Verleugnen des Coronavirus oder dessen Auswirkungen, sondern die Kritik an ungerechten und widersprüchlichen Regelungen von Bundes- und Landesregierung. Das betonte Winkler in seiner kurzen Begrüßung. Außerdem störe ihn, dass mehr als ein Jahr vergangen sei und es für viele Betroffene noch immer keine Perspektive gebe. Sogleich bat er Gerhard Meier-Rhön auf die Bühne, der direkt mit den Interviews mit Kulturschaffenden, Einzelhändlern und Politikern begann. Er wolle die Bedeutung von Solidarität in der Pandemie beleuchten, so Meier-Rhön. Diese gelte ebenfalls für Menschen, deren Existenzen gefährdet seien. Daher stelle sich die Frage, ob die Maßnahmen verhältnismäßig seien. Das wolle er anhand von Beispielen, Schicksalen und Erfahrungen von Betroffenen abfragen.

Droht in Kürze ein neuer Lockdown?

Es zeichne sich ab, dass in Kürze ein neuer Lockdown bekanntgegeben werde, sagte Meier-Rhön. Dafür werde Bundestagsabgeordneter Christian Jung (FDP) seine Stimme nicht abgeben, versicherte dieser den Zuhörern. Es könne nicht sein, dass man nur noch eine Person pro Tag treffen dürfe. Insbesondere sprach er sich gegen eine Ausgangssperre aus. Außerdem hätte der Bund die Steuervorauszahlung von Geschäftsinhabern kurzerhand zurückzahlen können. "Dann hätten jetzt alle Geld." Stattdessen sei eine "Superbürokratie" erlassen worden, die zum heutigen Stand der Dinge geführt habe. Daher rechne  Jung im Herbst, sobald eine Insolvenz wieder gemeldet werden müsse, mit einer großen Insolvenzwelle.

E-Mail an den Ministerpräsidenten

Auch die beiden Vertreterinnen der Interessengemeinschaft Brettener Innenstadt (IGBI), Agathe Pohl und Heike Böhm, kämpfen für ihr wirtschaftliches Überleben. "Man versucht alles mögliche", sagt Böhm. Sie habe ihr Geschäft bislang 21 Jahre lang geführt und sei gut aufgestellt gewesen. "Doch nach 20 Jahren musste ich wieder einen Kredit beantragen." Zwar habe sie staatliche Hilfen erhalten, doch das Problem in ihrer Branche sei, dass sie die Bekleidung ein halbes Jahr vorher bestellen und auch im Vorhinein bezahlen müsse. "Viele Kollegen haben für den Winter nichts eingekauft, da sie nicht wissen, ob sie überhaupt öffnen können." Auch das Angebot "Click & Collect" werde nicht so gut von den Kunden angenommen, ergänzt Pohl. Daher habe sie eine E-Mail an Ministerpräsident Winfried Kretschmann geschrieben. Darin bat sie ihn zu erläutern, warum kleine Geschäfte trotz Hygienekonzept schließen müssten. Eine Antwort auf ihre E-Mail habe sie zwar erhalten, jedoch keine Antwort auf ihre Frage. In der E-Mail sei um Geduld und Verständnis gebeten und auf die Inzidenzzahlen verwiesen worden. Daher bat Pohl die Anwesenden: "Kauft lokal."

Wo sind Lockerungen für Geimpfte?

In Bretten habe es auch ohne Corona ein Problem beim Einzelhandel gegeben, sagt Marion Klemm, Vorsitzende der Vereinigung Brettener Unternehmen (VBU). Daher könne sie nicht nachvollziehen, warum die Quadratmeterregel nicht wieder eingeführt und auf die Eigenverantwortung der Bürger gesetzt werde. Im Gegensatz zum Einzelhandel sei er, Armin Schulz, Geschäftsführer eines Alten- und Pflegeheims sowie eines Pflegedienstes, wirtschaftlich nicht belastet. Dennoch teste er aufgrund von Personalmangel Altenheimbesucher "in meiner Freizeit". Dabei hätten ihn die Besucher gefragt, wo denn nun Lockerungen für Geimpfte seien. Am Donnerstag habe der Verwaltungsgerichtshof geimpften Altenheimbewohnern das gemeinsame Essen erlaubt. Jedoch sei er als Betreiber haftbar, wenn dabei "etwas passiert". Dabei sei es eine Illusion, Infektionen in Pflegeheimen dauerhaft verhindern zu können, so Schulz.

Noch immer keine Aussicht auf eine Zukunft

Auch Thomas Wacker und Thorsten Gary vom Tribute Duo "Graceland" äußerten sich nach einem musikalischen Zwischenspiel zu ihrer Situation in der Corona-Pandemie. Zwar habe man die November- und Dezemberhilfen erhalten, doch gebe es noch immer keine Aussicht auf eine Zukunft, so Wacker. Eine Aussicht konnte ihm auch die grüne Landtagsabgeordnete Andrea Schwarz nicht machen. In einem von ihm lange erbetenen Telefongespräch soll Schwarz gesagt haben: "Einige fallen eben durch das Raster durch und das ist im Moment eben die Kunst", so Wacker. Da sich das Duo laut Gary ebenfalls existentiell bedroht sehe, fehle ihm eine offene Debatte über die verordneten Maßnahmen. An ihrem Facebook-Profil merke das Duo auch, dass das Interesse an der Kultur während des Lockdowns stark abgenommen habe.

Andere Strategie gefordert

Von sehr treuen Mitgliedern konnte Stefan Hammes, Vorsitzender des TV Bretten, sprechen. Der Verein mache nun sehr vieles online, dabei könnte in der großen Halle mit Abstand Sport gemacht werden. Auch andere Aspekte des gemeinschaftlichen Sportes fielen weg, wie die Erziehung von Kindern und die Gesundheitsförderung. Als Unwägbarkeit bliebe die Frage, ob alle Kursleiter bei einer Öffnung dem Verein wieder zur Verfügung stehen würden. Daher sprach sich auch Hammes abschließend noch einmal für eine andere Strategie - "außer Lockdown" - im Umgang mit der Corona-Pandemie aus. Die jetzige Strategie vergesse Kinder, Schüler, Vereine, Kulturschaffende und Einzelhändler. "Deshalb braucht man eine Strategie, die diese ganzen Menschen mit einbezieht."

Alle Menschen mitnehmen

Fest stehe, dass eine Impfung den Verlauf einer Coronaerkrankung so abmildere, dass ein Aufenthalt auf einer Intensivstation nicht mehr notwendig werde, so Winkler. Daher komme es nun auf die Art und Weise an, wie ein Hygienekonzept umgesetzt werden könne. "Es gibt keinen Grund, warum wir seit über einem halben Jahr schließen müssen." Auch bei der Kundgebung am Samstag gebe es ein gewisses Risiko sich anzustecken. Doch jeder Teilnehmer wisse selbst, dass es sinnvoll sei eine Maske zu tragen. "Eigenverantwortung ist das, was wir brauchen." Außerdem benötige man ein klares, ganzheitliches Konzept. Kinder und ältere Menschen seien "dem Ganzen schutzlos ausgeliefert." Daher wolle man wieder zurück zur Normalität, gerne mit Hygienekonzepten, wobei alle Menschen mitgenommen werden müssten. "Den Konsens verlangen wir heute von der Politik."

Autor:

Beatrix Drescher aus Bretten

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