Rekordhaushalt und Schuldenabbau
Brettener Gemeinderat verabschiedet Haushalt 2024

Der Haushalt der Stadt Bretten durchbricht bei Erträgen und Aufwendungen erstmals die 100-Millionen-Euro-Marke. Foto: kuna
  • Der Haushalt der Stadt Bretten durchbricht bei Erträgen und Aufwendungen erstmals die 100-Millionen-Euro-Marke. Foto: kuna
  • hochgeladen von Havva Keskin

Bretten (hk) Nicht einschüchtern ließ sich der Brettener Gemeinderat vom Haushalt 2024, der die "100-Millionen-Euro-Schallmauer" durchbricht: Einstimmig verabschiedeten die Stadträte das von Kämmerer Dominique Köppen vorgelegte Zahlenwerk.
Oberbürgermeister Martin Wolff schlug in seiner Rede zu diesem Tagesordnungspunkt zunächst sorgenvolle Töne an. Er äußerte seine Besorgnis über die zunehmende Kälte im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontext: Extremisten würden von Themen wie Umvolkung und Remigration schwadronieren, während der gegenseitige Respekt und die Gelassenheit, insbesondere in den sozialen Medien "offenbar völlig abhandengekommen" seien. Gleichzeitig würden Herausforderungen wie Fachkräftemangel, Inflation und gestiegene Zinsen "unseren Wohlstand gefährden", so der Oberbürgermeister. Wolff betonte, dass ein "völliger Rückzug" keine Lösung für diese Probleme darstelle und plädierte stattdessen dafür, die Ärmel hochzukrempeln. "Das gilt natürlich weniger für die großen Krisen und Kriege unserer Zeit. Diese müssen auf anderer Ebene gelöst und beendet werden", fügte er hinzu.

"Je kaputter die Welt draußen, desto heiler muss sie zu Hause sein"

Wolff zitierte den Liedermacher Reinhard Mey mit den Worten "Je kaputter die Welt draußen, desto heiler muss sie zu Hause sein" und unterstrich die Verantwortung für die Melanchthonstadt – diese könne im Sinne von Mey auch als "Zuhause" oder ein "Haus" betrachtet werden –, die es zu "in Schuss halten" gelte, um künftigen Generationen ein lebenswertes und intaktes Zuhause zu hinterlassen. Deshalb investiere man weiterhin "am Anschlag". Die Investitionen in Höhe von zwölf Millionen Euro entsprächen laut Wolff den finanziellen und personellen Möglichkeiten der Stadt. Der größte Teil fließe dabei, wie in den letzten Jahren auch, in den Bildungsbereich. "Und dennoch kommen wir im Haushalt 2024 trotz des Rekordvolumens von mehr als 100 Millionen Euro – und damit auch Rekordaufwendungen – so wie es momentan aussieht, ohne neue Schulden aus", so der OB. Nicht unerwähnt ließ Wolff aber dann auch, dass die Stadtverwaltung in den nächsten zehn Jahren fast ein Drittel ihrer Mitarbeiter durch Ruhestandsaustritte verlieren werde, was Auswirkungen auf die Erfüllung von Aufgaben haben werde. Zum Haushalt, seinem letzten als Oberbürgermeister, sagte Wolff außerdem: "Ich finde, es ist ein Haushalt, mit dem wir mehr als zufrieden, ja, auf den wir gemeinsam wirklich stolz sein können."

Defizit von 2,44 Millionen Euro prognostiziert

Im Anschluss erläuterte Kämmerer Dominique Köppen noch einmal die wichtigsten Werte des Haushalts (wir berichteten). So schließt der Etat mit einem negativen Ergebnis von 2,44 Millionen Euro mit Erträgen in Höhe von 100,08 Millionen Euro und Aufwendungen in Höhe von 102,52 Millionen Euro im Ergebnishaushalt. Bis Ende 2024 wird der Schuldenstand der Stadt voraussichtlich auf 20,6 Millionen Euro sinken. Aus einer Darlehensaufnahme von 1,2 Millionen Euro und einer Darlehenstilgung von 1,5 Millionen Euro ergibt sich eine Netto-Schuldentilgung von 300.000 Euro.
Der Bau-Etat 2024 umfasst ein Volumen von 7,2 Millionen Euro. Größte Posten sind dabei im Hochbaubereich die Erweiterung der Johann-Peter-Hebelschule (800.000 Euro, gesamt 2,34 Millionen Euro), die Generalsanierung des "Bronnerbaus" am Melanchthon-Gymnasium (500.000 Euro, gesamt 14 Millionen Euro), die Sanierung der Jahnhalle (1,4 Millionen Euro, gesamt 4,2 Millionen Euro) sowie die Sanierung der Schwandorf-Grundschule in Diedelsheim (650.000 Euro, gesamt 21,5 Millionen Euro). Hinzu kommen Posten im Tiefbaubereich wie Umbau- und Verbesserungsmaßnahmen an der Frühlingstraße in Büchig (120.000 Euro, gesamt 340.000 Euro), Neubau der Tiefgarage auf der Sporgasse (150.000 Euro, gesamt 6,9 Millionen Euro), Umbau der Pforzheimer/Weißhofer Straße (1,2 Millionen Euro, gesamt 3,6 Millionen Euro), Hochwasserschutzmaßnahmen in der Gesamtstadt (220.000 Euro, gesamt 7,8 Millionen Euro), LED-Umrüstung der Straßenbeleuchtung (100.000 Euro, gesamt 5,7 Millionen Euro) sowie die Erweiterung der Saatschule (100.000 Euro, gesamt 350.000 Euro).

CDU-Stadtrat fordert realistische Herangehensweise im Haushalt

Mit Blick auf den von Köppen vorgestellten Haushalt stimmte CDU-Stadtrat Bernd Neuschl dem Kämmerer zu, dass der Haushalt eine Gratwanderung darstelle, insbesondere da die Rahmenbedingungen für ein ganzes Jahr unklar seien und "wir nicht wissen, was auf uns zukommen wird." Neuschl sagte, dass der Haushalt eine "Absichtserklärung" sei und die Gemeinderäte hätten es in der Hand, was man umsetzen wolle. Angesichts eines Mittelabflusses von knapp über 50 Prozent im Finanzhaushalt forderte er eine realistischere Herangehensweise. Folglich, so Neuschl weiter, würden nicht alle geplanten Maßnahmen umsetzbar sein. Für die CDU-Fraktion stehe Bildung an oberster Stelle, und Neuschl zitierte an dieser Stelle Philipp Melanchthon, der sagte, die Jugend "recht zu bilden" sei eine anspruchsvollere Aufgabe als das Erobern von Troja. Daher sei jeder investierte Cent als "im höchsten Maße ertragreich investiertes Kapital" anzusehen. Bei Schulsanierungen, aber etwa auch bei dem Neubau von Radwegen sei die CDU-Fraktion darauf bedacht, das Bestmögliche zu erreichen, jedoch ausschließlich das nachweislich Notwendige umzusetzen.

Grüne: "Vorschlag für Pilotprojekt auf dem Kirchplatz liegt auf dem Tisch"

Der Fraktionssprecher von Bündnis90/Die Grünen, Otto Mansdörfer, erklärte in seiner Stellungnahme, dass erhebliche Preissteigerungen für den laufenden Betrieb in Beschaffung und Unterhalt sowie steigende Personalkosten im Rathaus zu diesem Rekordhaushalt beitrügen. Trotz eines Defizits im Ergebnishaushalt von 2,4 Millionen Euro sei es möglich, dieses aus der vorhandenen Liquidität zu decken. Mansdörfer sprach auch die geplanten Kreditaufnahmen für Investitionen im Rahmen der Gartenschau und Stadtentwicklung an, die einen „erhöhten Kapitaldienst für Zinsen und Tilgung“ nach sich ziehen würden. Gleichzeitig würden Klimaschutz und -anpassung "massive Anforderungen" auslösen. In den vergangenen Jahren seien deshalb Millionen in den Hochwasserschutz investiert worden, und obwohl man damit noch nicht einmal fertig sei, rücke die „sommerliche Hitzeproblematik“ immer stärker in den Fokus. Mansdörfer sagte, die „Versiegelungswelle der letzten 60 Jahre" müsse zum Beispiel durch mehr offene und möglichst intensiv begrünte Flächen zurückgedreht werden. „Unser Vorschlag, auf dem Kirchplatz der Stiftskirche hierzu ein vorzeigbares Pilotprojekt umzusetzen, liegt auf dem Tisch.“

SPD fordert kostenfreie Kindergärten

"Wie wollen wir das zukünftig schaffen?", fragte Stadtrat Tom Rebel (Freie Wähler Vereinigung), der die bevorstehenden personellen Veränderungen in den Fokus rückte. Er sprach von den Herausforderungen, die sich mit dem vorzeitigen Ruhestand des Oberbürgermeisters, dem Wechsel des Kämmerers zum Städtetag und der Neubesetzung des Gemeinderats im Juni ergeben würden. Dennoch, so Rebel weiter, sehe er darin auch eine Chance. Er äußerte sich optimistisch darüber, dass mit einem "neuen, tatkräftigen und ideenreichen Oberbürgermeister" sowie einem "gewieften Kämmerer" die Zukunft Brettens keine Sorgen bereiten sollte. Die Stadt sei mit dem diesjährigen 100-Millionen-Haushalt gut aufgestellt, und die geplante Gartenschau im Jahr 2031 sei ein "wunderbares Nahziel". Mit Blick auf die größten Haushalts-Posten, die in die Bildung fließen, forderte SPD-Stadträtin Birgit Halgato die kostenfreie Bildung bereits im Kindergartenalter: "Für die SPD-Fraktion sind auch Kindergärten Bildungseinrichtungen und diese sollten auch im reichen Baden-Württemberg wie in Berlin kostenfrei sein."

Stadträtin appeliert gegen politischen Rechtsruck

Die fraktionslose Stadträtin Ariane Maaß verwies im Ergebnishaushalt auf die positive Entwicklung bei der Gewerbe- und Einkommenssteuer, während sie im Finanzhaushalt die Ausstattung der Feuerwehr, die mit über einer Million zu Buche schlägt, als "sicherlich gut angelegtes Geld" beschrieb. Auch zur Gartenschau im Jahr 2031 äußerte sich Maaß optimistisch: "Geld wird zurückgelegt und mit der Förderung wird das eine Herausforderung, aber eine lösbare Aufgabe, da bin ich zuversichtlich." Bei den Grundstücken sei man jedoch auf die Mithilfe der Eigentümer angewiesen. Ein weiteres Thema, das Maaß ansprach, waren die bevorstehenden Wahlen (Europaparlament, Gemeinderat und Jugendgemeinderat) im Juni. Sie warnte vor einem Rechtsruck und dankte denjenigen, die sich aktiv für die Verteidigung der Demokratie einsetzen, und ermutigte dazu, im Alltag gegen Hass und Hetze einzutreten. "Wir wollen nicht, dass 2024 ein neues 1933 wird, das Deutschland, Europa und die ganze Welt in die Katastrophe geführt hat", sagte die Stadträtin abschließend.

AfD äußert Bedenken zu "ideologischen Stellen"

Für die "aktiven" sprach Jörg Biermann, der darauf einstimmte, dass die nächsten Jahre für den neuen Gemeinderat schwierig werden würden, etwa dann, wenn er sich damit befassen müsste, die neuen Hebesätze für die Grundsteuer zu bestimmen. Während die FDP und die fraktionslose Stadträtin Sibille Elskamp von einer Stellungnahme absahen, verwies AfD-Stadtrat Andreas Laitenberger auf die historische Dimension des Budgets von über 100 Millionen Euro: "Das gab es noch nie", sagte er. Die Investitionen in Bildung und Sicherheit und die "guten Schulden" seien zwingend notwendig, um "nicht ins Stagnieren zu kommen." Dennoch bezeichnete er das vorliegende Zahlenwerk als ein Wagnis, insbesondere angesichts der "leidenden Wirtschaft" in Deutschland. Laitenberger äußerte außerdem seine Bedenken hinsichtlich der Vielzahl an "ideologisch motivierten Stellen" wie Klimabeauftragten und Energie-Managern, die besetzt werden würden. Er zweifele auch daran, ob eine Erhöhung von Gehältern ausreichen würde, um qualifiziertes Personal anzulocken, da Bretten im Wettbewerb mit umliegenden Kommunen stehe, die ebenfalls die "Bezahlhebel ankurbeln" könnten. Er wolle jedoch nicht den "Teufel an die Wand malen". In diesem Sinne stimme auch er dem Haushalt, den er mitgestaltet habe, zu.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

12 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.