Gemeinderat stimmt Haushaltsplan 2022 zu
Brettener Haushalt mit Gegenwind

Der Haushalt der Stadt Bretten sieht erstmals nach elf Jahren Steuererhöhungen vor. Foto: archiv
  • Der Haushalt der Stadt Bretten sieht erstmals nach elf Jahren Steuererhöhungen vor. Foto: archiv
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Bretten (swiz) Das Wort "Einigkeit" wäre deplatziert, wenn man über die Beschlussfassung des Brettener Gemeinderats zum Haushaltsplan 2022 und demWirtschaftsplan Abwasserbeseitigung schreibt. Mit insgesamt 14 Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen wurde dem Haushalt zwar mehrheitlich zugestimmt, das Ergebnis zeugt jedoch von Diskussionsbedarf.

Konter gegen VBU

Doch Diskussionen gab und gibt es nicht nur zwischen den Fraktionen und der Verwaltung, sondern auch der Vereinigung Brettener Unternehmen (VBU) und der Rathausspitze. So hatte die VBU unlängst erst harsche Kritik an den im Haushaltsbeschluss verankerten Erhöhungen der Hebesätze der Grundsteuer A und B sowie der Gewerbesteuer geübt (wir berichteten). In seiner Haushaltsrede stellte Oberbürgermeister Martin Wolff dann auch weniger die reinen Zahlen, als eine Entgegnung zur VBU-Kritik in den Mittelpunkt (eine ausführliche Berichterstattung zur Entgegnung des OB finden Sie hier). So bezeichnete er die Äußerungen der Vorsitzenden Marion Klemm und Paul Metzger unter anderem als "populistische Stimmungsmache".

"Steuererhöhungen sind unumgänglich"

Die Steuererhöhungen seien demnach, so Wolff, unumgänglich, da auch nach einer erfolgreichen Steuerschätzung im November das Defizit im Ergebnishaushalt bei einer Million Euro lag. Durch die Erhöhung der Hebesätze erreiche man nun eine rote Null mit einem Ergebnis von minus 56.000 Euro. "Darüber hinaus ist weiterhin nicht klar, welche Mehrbelastungen die Corona-Auswirkungen für den städtischen Haushalt mit sich bringen. Ebenso sind die zusätzlich entstehenden Kosten für die Aufnahme der geflüchteten Menschen aus der Ukraine völlig unklar. Auch die massiv steigenden Energiekosten werden den städtischen Haushalt erheblich belasten", gibt Wolff zu bedenken.

"Ohne Steuererhöhung gibt es Sparmaßnahmen"

Man könne zudem sehen, welche konkreten Auswirkungen die Steuererhöhungen hätten, wenn man sich die tatsächliche Mehrbelastung pro Jahr anschaue: So schlage laut Wolff die Mehrbelastung bei der Grundsteuer A bei einem landwirtschaftlichen Großbetrieb mit 151,73 Euro, die Grundsteuer B bei einem Einfamilienhaus (Grundstück 525 Quadratmeter) mit 20,22 Euro und die Gewerbesteuer bei einem Einzelhändler (Ertrag 2021 mit 380.000 Euro) mit 2.486 Euro zu Buche. Bei einem mittelständischen Unternehmen (Ertrag circa 900.000 Euro) seien es dagegen 5.544 Euro, bei einem Handwerker (Ertrag 2021 mit 62.800 Euro) 268 Euro. Man müsse außerdem wissen, dass man mit diesen Hebesätzen im Vergleich mit anderen Städten ähnlicher Größenordnung im Durchschnitt liege. Würde man die Steuern nicht erhöhen, käme es zwangsläufig zu Sparmaßnahmen, so Wolff. Dies betreffe dann zum Beispiel städtische Kulturveranstaltungen, Märkte, Jugendförderung an die Vereine, Schulsozialarbeit oder auch Museen und die Förderung des sozialen Wohnungsbaus.

Auch "aktive" bekommen verbale Abreibung

Neben der VBU bekam auch die Fraktion der "aktiven" von OB Wolff eine verbale "Abreibung". Die Verwaltung sei in den letzten Wochen von Anfragen der Fraktion "quasi bombardiert" worden. Zudem werde in einem Artikel der Brettener Woche von den "aktiven" behauptet, dass „durch die jetzige geplante Steuererhöhung Löcher in der Kasse gestopft werden sollen, die ohne Not, beispielsweise durch das Projekt Sporgasse, dessen Abschreibung später in den Haushalt einfließt, entstehen“. Natürlich, so Wolff, werde nach Fertigstellung der Tiefgarage die Abschreibung dafür erwirtschaftet werden müssen, "aber dann dürften wir generell gar nichts mehr bauen, weil jede bauliche Investition das Anlagevermögen verbessert und Abschreibungen auslöst". Zudem werde die Zurücknahme von städtischen Investitionen ohne Kapitalrückfluss gefordert, es dürften nur „rentierliche Schulden“ gemacht werden, zitiert Wolff die Vorwürfe der Fraktion weiter. "Das würde heißen, dass wir alle Investitionen für zum Beispiel Hochwasserschutzmaßnahmen, Schulbausanierungen, Sporthallensanierungen, Feuerwehrausstattung, Schulausstattung und vieles mehr einfach streichen. Dann sind wir mit den Investitionen schnell fertig", kritisiert Wolff.

Personalkosten als großer Posten

Bevor die kritisierte Fraktion in ihrer Rede Stellung nehmen konnte, ließ sich Kämmerer Matthias Enz noch zu seinem Zahlenwerk Haushalt 2022 (wir berichteten) ein. Dieses basiere "auf einem fragilen Fundament aufgrund der außenpolitischen Gesamtlage", so Enz. Dennoch habe man die "rote Null" bei einer Netto-Neuverschuldung von 2,63 Millionen Euro im Finanzhaushalt geschafft. Die größten Kostenfaktoren im Ergebnishaushalt seien dabei die Personalaufwendungen mit rund 18,94 Millionen Euro (2021: 18,32 Millionen Euro), die Kosten für Umlagen in Höhe von 38,18 Millionen Euro (2021: 34,36 Millionen Euro) und die Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen mit 14,41 Millionen Euro (2021: 14,41 Millionen Euro). Größter Ausgabeposten im 21,24 Millionen Euro schweren Finanzhaushalt sind mit 16,3 Millionen Euro klar die geplanten Baumaßnahmen in Bretten. "Dabei", so hatte OB Wolff im Vorfeld betont, "betreffen die 2022 geplanten Investitionen in den meisten Bereichen bereits begonnene Maßnahmen." In der Tat sind die "dicksten Brocken" in 2022 4,5 Millionen Euro für die Sanierung des Bronnerbaus, drei Millionen Euro für die Tiefgarage Sporgasse und 1,45 Millionen Euro für die Sanierung des Gebäudes Weißhofer Straße zwei.

"Die schwarze Null ist nicht erkennbar"

In der Aussprache der Fraktionen betonte Martin Knecht (CDU), zunächst seine Dankbarkeit, dieses Zahlenwerk überhaupt in Frieden diskutieren zu können. So stelle man sich den Herausforderungen der Stadt, "und gleichzeitig wütet in nur 2.000 Kilometern Entfernung ein unsäglicher Krieg mit viel menschlichem Leid, das auch unsere Stadt tangieren wird". Festzustellen sei aber, "die schwarze Null ist nicht erkennbar und der laufende Betrieb weist derzeit noch Finanzierungslücken auf". Auch deshalb und im Sinne des Gemeinwohls stimme die CDU-Fraktion einer moderaten Steuererhöhung zu. "Als Gegenleistung erhalten wir eine gut funktionierende Infrastruktur und den von allen geforderten Freiwilligkeitsleistungen kann nachgekommen werden." Man befürworte viele Millionen schwerpunktmäßig für die nachwachsende Generation auszugeben, beispielsweise für Schulen und Kindergärten, fordere die Neustrukturierung des Alten- und Pflegeheims St. Laurentius und alle Verkehrsteilnehmer vom Auto über das Fahrrad, vom Fußgänger bis zum ÖPNV intelligent miteinander zu vernetzen.

"Keine Zustimmung ohne Erhöhungen"

Auch die Grünen-Fraktion sprach sich für die Erhöhung der Hebesätze aus. "Wir Grüne stehen für eine solide kommunale Haushaltspolitik und würden einem Haushalt ohne diese Erhöhung nicht zustimmen", so Ira Zsarina Müller-Kschuk. Man sei darüber hinaus zufrieden, dass die eigenen Anträge wie die Planung eines Fahrrad-Parkhauses am Bahnhof, eine Stadtbildanalyse der Brettener Altstadt mit anschließender Erhaltungssatzung und der Mobilitätsmanager grundsätzlich angenommen worden seien. Es müsse aber bezüglich ihrer zeitlichen Umsetzung "noch etwas mehr Licht ins Dunkel gebracht werden". Positiv sei auch, dass der Stillstand beim Klimamanagement in Bretten zu Ende gehe. "Dennoch ist unseres Erachtens nach, noch genügend Spielraum nach oben vorhanden, wie beispielsweise nachhaltige Gewerbegebiete oder Entsiegelung und Durchgrünung im Stadtgebiet", betont Müller-Kschuk.

"Manchmal müssen Gemeinderäte unpopuläre Entscheidungen treffen"

Ebenfalls Zustimmung für die Steuererhöhungen kam von der FWV. Man habe sich schwergetan bei der Entscheidung, aber "manchmal sind von uns Gemeinderäten eben auch sehr unpopuläre Entscheidungen zu treffen", konstatierte Thomas Rebel. Nun müsse man in den kommenden Jahren "zielorientiert und mit Augenmaß den Sparkurs fortsetzen und trotzdem den kreativen Stadtumbau in die Wege leiten". Zu den Forderungen der FWV gehört es demnach, neben dem Öffentlichen Personennahverkehr, "auch unbedingt andere Mobilitätsarten zu stärken, um unsere Mitbürgerinnen und Mitbürgern zum Umdenken, beziehungsweise zum Umstieg vom Auto aufs Fahrrad oder E-Bike zu bewegen", so Rebel. Ebenfalls wichtig sei es, die Fußgängerwege in den Fokus zu nehmen und die Digitalisierung an Schulen und Verwaltung voranzutreiben.

"Es muss erlaubt sein, Fragen zu stellen"

Anders als gedacht musste in der Folge wohl Jörg Bierman ("die aktiven") seine frei gehaltene Rede beginnen. Man sei vom OB in der Sitzung ja geradezu "abgewatscht" worden, betonte der "aktiven"-Sprecher. Dennoch halte man an der Überzeugung fest, dass Politik, die nicht in der Öffentlichkeit geschehe, auch nicht stattfinde. Der Fraktion müsse es erlaubt sein, die Frage zu stellen, ob man ein Projekt wie die Sporgasse überhaupt brauche. Die Abschreibungen und der Unterhalt für das Großvorhaben müssten erst einmal erwirtschaftet werden und "das holt uns ein", prognostizierte Biermann. Zudem laufe der Bau äußerst schleppend und die Baustelle stehe aktuell immer noch still. Kritik übte Biermann auch an der Sanierung des Bronnerbaus am Melanchthon-Gymnasium. "Gestartet sind wir mit Baukosten von acht bis neun Millionen Euro, jetzt sind wir bei 14 Millionen Euro. Da stellt sich die Frage, ob wir die Sanierung in diesem Ausmaß brauchen." Sparen müsse man auch definitiv an den zu hohen Personalkosten der Verwaltung und auch die Steuererhöhungen lehne seine Fraktion ab.

Kostenfreie Bildungseinrichten gefordert

Mehr Zustimmung für den Haushaltskurs erhielt die Verwaltung hingegen von der SPD. So sei man für die Erhöhung der Hebesätze, betonte Valentin Mattis. "Es wurden seit einigen Jahren keine Anhebungen der Hebesätze für Grundsteuer A und B und Gewerbesteuer vorgenommen. Das muss nun der Fall sein, doch seien Sie sich gewiss, dass wir dies in einem vertretbaren Maße realisieren", wandte er sich an die Bürger. Wichtig sei der SPD, dass "rund zehn Millionen Euro in die Schulen, Kitas und Vereine investiert werden". Zudem erneuerte Mattis eine Kernforderung der SPD, wonach sämtliche Bildungseinrichtungen der Stadt Bretten für alle Kinder kostenfrei sein sollten. Dazu zählten auch Kitas. Sinnvoll seien auch die Investitionen in den Hochwasserschutz und die Feuerwehr.

FDP stimmt Haushalt nicht zu

Die FDP werde "dem Haushaltsentwurf dieses Jahr leider nicht zustimmen", betonte dagegen Jan Elskamp. Und weiter: "Die geplanten Steuererhöhungen sind indiskutabel. Wir sehen zudem erheblichen Optimierungsbedarf auf der Ausgabenseite". Bretten werde voraussichtlich ein überraschend positives, ordentliches Jahresergebnis zwischen 7,5 und 8,5 Millionen Euro erzielen. Zugleich laute das Bedarfsdeckungsprinzip für öffentliche Haushalte jedoch, dass Einnahmen und Ausgaben auszugleichen seien. "Von hohen Überschüssen ist nicht die Rede", so Elskamp. "Der Bedarf ist zu decken, der durch zahlreiche öffentliche Pflicht- und freiwillige Aufgaben entsteht." Bretten stelle seinen Bürgern zahlreiche Einrichtungen und Angebote bereit, die in den Bereich der freiwilligen Aufgaben fallen würden. Diese freiwilligen Aufgaben müssten aber ebenso wie die Pflichtaufgaben dauerhaft, hauptsächlich durch Steuern, finanziert werden. Und dies sei auch möglich. Nur begehe die Verwaltung den Denkfehler, "anstatt weiterhin sparsam zu sein und gegebenenfalls die Belastung der Bürger zu reduzieren", umso üppiger freiwillige Aufgaben wie die Sporgasse zu planen, kritisiert Elskamp. Daher müsse unter anderem das Ausgabenportfolio der Stadt eingefroren und das hohe Bauvolumen von 16,3 Millionen Euro wieder auf ein normales Niveau wie in den Vorjahren gesenkt werden.

"Steuererhöhungen sind das falsche Signal"

Gegen Steuererhöhungen sprach sich in der Folge auch Hermann Fülberth (Aufbruch Bretten) aus, der betonte, "diese Steuererhöhung trifft direkt in die Brieftasche der gebeutelten Bürger". Und auch Andreas Laitenberger (AfD) gab zu bedenken, man stehe vor einer finanziellen Krise, die man nicht kalkulieren könne. Steuererhöhungen seien jetzt das falsche Signal und unzumutbar. "Ich hätte dem Haushalt zustimmen können, aber nicht mit diesen Erhöhungen." Man müsse immer auch bedenken, dass nicht alle Menschen einen "prallen Geldbeutel" hätten.

Reduzierung des "Nötigen auf das Notwendige"

Zustimmung zum Haushalt 2022 gab es dagegen von Ariane Maaß. Trotz einer Minimierung der Ausgaben und der Reduzierung des "Nötigen auf das Notwendige" reiche das Geld nicht. "Daher ist eine Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuer notwendig, um unseren Aufgaben gerecht zu werden", so Maaß. Zudem werde in Bretten für die Zukunft viel investiert. "Durch das Engagement der Bürger im Workshop 'Zukunft:Bretten' wissen wir, welche Punkte für Sie besonders wichtig sind und können so Schwerpunkte in der Planung setzen." Wichtig sei auch die Bebauung des Sporgassenareals zur Stärkung der Innenstadt. "Denn nicht mehr der Handel bringt Frequenz in die Stadt, sondern Frequenz für den Handel muss geschaffen werden."

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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