Serie: "Schicksale hinter den Steinen"
Folge 7: Lina Federer: „Warum hilft mir denn niemand?“

Luftbild von Bretten um 1925. Der linke Pfeil deutet auf das Haus, in dem Lina Federer wohnte, der rechte Pfeil auf die Synagoge.
  • Luftbild von Bretten um 1925. Der linke Pfeil deutet auf das Haus, in dem Lina Federer wohnte, der rechte Pfeil auf die Synagoge.
  • hochgeladen von Katrin Gerweck

Bretten (kn) In Bretten liegen 34 Gedenksteine an Opfer der NS-Zeit, die vor deren ehemaligen Wohnhäusern verlegt wurden. Der Künstler Gunter Demnig hat die so genannten Stolpersteine in den 1990er Jahren ins Leben gerufen. Nicht nur in Deutschland, auch in anderen europäischen Ländern wurden seither über 75.000 Stolpersteine verlegt. Oberstufen-Schülerinnen des Melanchthon-Gymnasiums Bretten haben mit Unterstützung von Heidemarie Leins die Schicksale der Menschen aufgeschrieben, die in Bretten von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Sie erscheinen in loser Reihenfolge in der Brettener Woche.

Das Schicksal von Lina Federer

Lina Federer wurde am 19. Oktober 1881 als drittes Kind von Samuel Federer und Bertha Löbmann in Bretten geboren. Der Vater stammte aus Diedelsheim, aus einer Familie, deren Mitglieder als Weißgerber tätig waren und die Mutter aus Wollenberg (Bad Rappenau). Ihre beiden älteren Geschwister Alexander und Adelheid starben sehr früh. Da der Vater, der Händler war, bereits am 3. Februar 1896 starb, musste Linas Mutter als Alleinerziehende für ihr Kind sorgen. Sie trieb wohl weiter Handel, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, womit genau, ist unbekannt.

Synagoge in Bretten wurde 1938 zerstört

Lina Federer wohnte im heutigen Promenadenweg 15, der früher Horst-Wessel-Weg hieß. Während der Nazi-Diktatur war dieser Weg Wessel zur Ehre umgewidmet worden. Nach seiner Ermordung 1930 galt er der NSDAP als Lichtgestalt. Lina hatte es nicht weit zur Synagoge, wo sie seit 1929 bis zur Zerstörung des Gebäudes in der Reichspogromnacht am 10. November 1938 als Synagogendienerin arbeitete.

"Warum hilft mir denn niemand?"

Nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1932 war sie auf sich allein gestellt. Sie buk für den ersten Pessach-Abend Mazzen, ungesäuerte Fladenbrote. Christliche Kinder trugen diese dann in die jüdischen Häuser und freuten sich über das Trinkgeld. Am 22. Oktober 1940 wurde Lina Federer dann von der Polizei abgeholt. Nach Aussage einer Nachbarin schrie sie: „Warum hilft mir denn niemand?“

Letztes Lebenszeichen: Ein Geburtstagsbrief an die Nachbarin

Lina wurde mit rund 6.500 badischen, saarländischen und pfälzischen Juden in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich deportiert. Das letzte Lebenszeichen Linas erhielt ihre Nachbarin Ruth Firnkäs in Form eines Briefes mit Geburtstagswünschen am 14. September 1941. Es war ein vorgedruckter Brief des Roten Kreuzes, der mit maximal 25 persönlichen Worten gefüllt werden konnte.

Odyssee durch Europa bis nach Auschwitz

Am 19. Januar 1942 wurde Lina ins Camp de Noé in Frankreich gebracht. Das Lager war hauptsächlich für Alte und Kranke. Aus dem Lager wurde sie dann am 10. August 1942 in das Sammellager Drancy bei Paris transportiert. Zwei Tage dauerte die Fahrt und zwei Tage wartete sie zusammen mit 990 Personen auf die Abreise in den Tod. Am 14. August 1942 fuhr der Convoi 19 nach Auschwitz, wo sie nach Ankunft ermordet wurde. Die Brettenerin Lina Federer war damals 61 Jahre alt.

Text: Hannah Jung/Heidi Leins

Die weiteren Folgen der Serie finden Sie auf unserer Themenseite "Schicksale hinter Stolpersteinen".

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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