Ewige Chemikalien im Grundwasser
Geringe Mengen PFAS in der Region nachgewiesen

Gelangen die PFAS-Stoffe erst einmal in die Umwelt, sind sie biologisch nicht mehr abbaubar.  | Foto: lovelyday12 - stock.adobe.com
  • Gelangen die PFAS-Stoffe erst einmal in die Umwelt, sind sie biologisch nicht mehr abbaubar.
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Bretten/Walzbachtal-Wössingen (kuna) Sie sind unsichtbar und potenziell giftig. PFAS-Chemikalien stehen in Verdacht, zahlreiche Krankheiten auszulösen, darunter Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit oder Krebs. Ein Recherchekollektiv aus 18 europäischen Medien hat jüngst seine Ergebnisse veröffentlicht: An mehr als 1.500 Orten in Deutschland sind demnach PFAS-Belastungen nachweisbar. Auf einer Karte haben sie die betroffenen Stellen markiert. Auch die Stadtwerke in Bretten und das Zementwerk in Wössingen tauchen darauf auf. Was hat es damit auf sich?

Verbot von PFAS gefordert

Egal ob Regenjacken, Pizzakartons, Pfannen oder Kosmetik: In vielen Produkten des alltäglichen Lebens sind PFAS, auch bekannt als PFC, enthalten. Die per- und polyfluorierten Alkylverbindungen kommen nicht natürlich vor und werden industriell hergestellt. Sie sorgen dafür, dass Produkte wasser-, schmutz- und fettabweisend sind. Das Problem: Sie sind extrem langlebig, werden daher auch als „Jahrhundertgift“ oder „Ewigkeitschemikalien“ betitelt. Einmal in der Umwelt angekommen, verteilen sie sich über Luft, Wasser und Böden. In den menschlichen Körper gelangen sie über Lebensmittel oder Trinkwasser. Da die Schädlichkeit vieler PFAS – die Gruppe umfasst rund 4.700 Stoffe – noch nicht erforscht ist, hat die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) Anfang Februar das Verbot aller PFAS gefordert. Auch das Land Baden-Württemberg hat sich dieser Forderung angeschlossen.

PFAS in manchen Bereichen unverzichtbar

Über die Menge der markierten PFAS-Stellen auf der Karte des „Forever Pollution Projects“ zeigt sich auch Hans-Joachim Gehrmann vom Institut für Technische Chemie am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) überrascht. Er äußert sich allerdings kritisch, was ein generelles Verbot von PFAS anbelangt. „Wenn man PFAS verbieten würde, würden viele Produkte des Alltags wegfallen“, meint er. Im privaten Bereich könne man als Einzelperson vielleicht auf vieles verzichten, führt er weiter aus. „In bestimmten industriellen Bereichen aber nicht. Auch in der Medizin sind viele Produkte, die PFAS enthalten, unverzichtbar, so etwa im OP-Bereich.“

"Der Vorteil liegt im Produkt, der Nachteil im Abfall"

Für eine lange Zeit hätten die wünschenswerten Eigenschaften der Chemikalien im Vordergrund gestanden, meint Gehrmann. Das sei mittlerweile anders: „Der Vorteil liegt im Produkt, der Nachteil im Abfall“, sagt er. Produkte, die PFAS enthalten, seien nicht per se schädlich. Zudem sei über viele der Stoffe noch gar nicht bekannt, ob sie überhaupt gesundheitsschädigende Auswirkungen haben. Gehrmann vergleicht die Gefahr durch PFAS mit der Feinstaubbelastung durch Kaminöfen. Denn wie auch bei Feinstaub komme es auf die Konzentration der Stoffe an. „Wenn man durch ein Wohngebiet geht, in dem gerade viel mit Holzöfen geheizt wird und der stinkende Qualm in der Luft liegt, bekommt man zwar nicht gleich Lungenkrebs. Aber kurzfristige Auswirkungen, wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sind nachweisbar.“ Gehrmann betont trotzdem: Während Feinstaub biologisch abbaubar ist, seien die PFAS biopersistent, sprich: nicht abbaubar.

Großflächige PFAS-Verseuchung in Rastatt

Die hohe Dichte an PFAS-Werten in Baden-Württemberg erklärt das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe folgendermaßen: 2013 habe es eine großflächige PFAS-Verunreinigung in Mittelbaden gegeben. Damit spielt das RP auf den Umweltskandal in Rastatt an. 700 Hektar Ackerflächen wurden dabei verseucht, die Ursache war wohl mit Chemikalien belasteter Papierschlamm, der als Dünger über die Felder verteilt wurde. Laut RP sei das der Anstoß gewesen, das Grund- und Trinkwasser systematisch auf PFAS zu untersuchen.

Neue PFAS-Analyse für 2023 und 2024 geplant

Rund 1.900 Messstellen seien zwischen 2015 und 2018 auf 16 PFAS-Einzelsubstanzen analysiert worden. Aus dieser Untersuchung würden auch die beiden Punkte in Bretten (17 ng/l) und in Wössingen (28 ng/l) stammen, die auf der Karte des "Forever Pollution Projects" markiert sind. "Beide Messstellen dienen der Überwachung der Grundwasserqualität", erklärt das RP. Allerdings sei dabei auch festzustellen: "Die genaue Lage der Messstelle wurde dabei nicht unbedingt getroffen." Auch sei eine erneute PFAS-Analyse für 2023 und 2024 geplant, sodass für Bretten und Wössingen aktualisierte Daten in Aussicht seien.

Woher stammen die PFAS in Bretten und Wössingen?

Doch woher stammen die PFAS in Bretten und Wössingen? Ein Pressesprecher des Zementwerkes in Wössingen erklärt auf Anfrage, dass die PFAS-Werte dort bekannt seien und gibt zugleich bekannt: „PFAS-haltige Materialien kommen im Wössinger Zementwerk nicht zum Einsatz, sodass wir einen Eintrag ins Grundwasser auf dem Gelände des Zementwerkes ausschließen können.“ Der Chef der Brettener Stadtwerke, Stefan Kleck, meint dagegen: „Leider ist uns nicht bekannt, woher dieser Wert stammt oder was er betrifft.“ Er erklärt jedoch, dass die Stadtwerke Proben des Trinkwassers auf die Konzentrationsobergrenzen der giftigen Chemikalien durchführen würden. „Meist sind diese deutlich unterschritten“, so Kleck. Da es sich bei den PFAS-Werten um Messungen des Grundwassers handelt, hätte der gemessene Wert zudem nichts mit dem Trinkwasser der Stadtwerke zu tun.

PFAS mittlerweile überall in der Umwelt

Das RP führt die PFAS-Werte in Bretten und Wössingen darauf zurück, dass die Chemikalien mittlerweile ubiquitär seien, also überall in der Umwelt vorkommen. Ein konkreter lokaler PFAS-Schadensfall sei weder in Bretten noch in Wössingen bekannt. Dennoch räumt das RP ein: "Die weltweite Verbreitung von PFAS in der Umwelt ist durchaus besorgniserregend." Es bedeute allerdings nicht, dass bei jeder messbaren Verunreinigung auch eine gesundheitliche Besorgnis gegeben sei. Eine umfassende Regulierung aller PFAS, wie zuletzt von der ECHA vorgeschlagen, bewertet aber auch das RP als "essentiell, um langfristig die Immissionsziele in Grund- und Oberflächengewässern sowie in Böden zu gewährleisten."

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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