Zum Leserbrief "Mehr Realität wagen"
"Inhalte werden zu alternativen Fakten"

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Zum Leserbrief "Mehr Realität wagen" vom 15. November

Dominik Hellers Leserbrief vom 15. November besticht durch die Anzahl von elf Quellenangaben. Damit öffnet er zunächst mal die Herzen all jener, die sich eine sachlich fundierte Diskussion um das Thema Windenergie wünschen.

Skepsis setzt allerdings ein, wenn die Neue Zürcher Zeitung zitiert wird (https://tinyurl.com/28wbp9xh), der verschiedene Medien und Medienforscher "rechtskonservative" oder "rechte" Meinungen bis hin zu Positionen der rechtspopulistischen, in weiten Teilen rechtsextremen, Alternative für Deutschland (AfD) attestieren. Herr Heller meint in dem Artikel (dessen Datum der Veröffentlichung im Artikel nicht genannt wird) Belege dafür zu finden, dass Windkraftanlagen in Deutschland in 83 Prozent der Zeit keinen Strom produzieren.

Tatsächlich wird im zitierten Artikel auf Grundlage von Daten zwischen 2007 und 2010 im Anhang im Abschnitt "Wo finde ich 'echte' Zahlen zur Auslastung der Windräder in Deutschland?" angegeben: "Die entsprechenden Zahlen stellen die vier Übertragungsnetzbetreiber online bereit. Allerdings nur für die vergangenen zwei Jahre und nur für öffentlich eingespeisten Strom." Eine Überprüfung der Behauptung Herrn Hellers kann also über diese Quelle nicht stattfinden: Erstens, weil die Daten zur Beurteilung der aktuellen Situation zu alt sind und zweitens lediglich zwei Jahre betrachten. Hier wird ein typisches Muster vermeintlich wissenschaftlicher Argumentation betrieben: Man liest einen Satz, der in die eigene Denke passt und macht eine Quelle draus, egal, was im Rest des Artikels steht.

Nach dieser Erfahrung habe ich drei Stunden investiert, auch alle anderen Quellenangaben des Artikels zu prüfen. Und tatsächlich: immer dieselbe Masche! Zusätzlich auch Verständnisprobleme Herrn Hellers bezüglich des Begriffs "Primärenergie" (siehe Artikel des Bundesumweltamtes (BUA) vom 22. März, https://tinyurl.com/ya9tsb2v). Als Primärenergie werden vom BUA alle fossilen Energieträger und daraus erzeugter Strom bezeichnet. Erneuerbare Energien können keine Primärenergie erzeugen, denn sie funktionieren eben nicht über die Verbrennung von Primärenergie. Übrigens wird in dem zitierten BUA-Artikel für Strom aus Wind, Wasserkraft oder Photovoltaik ein Wirkungsgrad von 100 Prozent gesetzt, für die Geothermie von zehn Prozent und für die Kernenergie von 33 Prozent.

Weitere Beispiele (ich nenne nur die aus meiner Sicht eindeutig auf den manipulativen Zweck des Leserbriefs von Herrn Heller hindeutenden) für Quellenzitate, die bei Überprüfung meist das Gegenteil der Inhalte bergen, die Herr Heller ihnen beimisst: Im zitierten Artikel der Max-Planck-Gesellschaft vom 6. Februar 2019 (https://tinyurl.com/ymet5xj8) steht als Kernsatz: "Fast 40 Prozent des erzeugten Stroms kamen im Jahr 2018 aus erneuerbaren Quellen, allein 17 Prozent aus Windkraft. Damit trägt die Windenergie etwa in dem Maße zum Strommix bei, wie unter den Wetterbedingungen in Deutschland zu erwarten ist." Laut dem täglich aktualisierten Energiemonitor der "Zeit" betrug am 20. November der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtstromverbrauch 80 Prozent, 61 Prozent davon stammen aus Windenergieanlagen. Der Artikel des Magazins Focus vom 31. Juli (https://tinyurl.com/yrtn6s6a) hat nicht etwa zum Inhalt, dass Recycling von Rotorblättern unmöglich wäre. Dort steht, dass "nur wenige Unternehmen sich auf das Recycling von Rotorblätter spezialisiert haben und derzeit viele Unternehmen an der Verbesserung der Verfahren arbeiten." Der Beitrag der Tagesschau vom 18. August 2022 (https://tinyurl.com/2xd29jg5) berichtet nicht davon, dass auf unabsehbare Zeit Schwefelhexafluorid in Windkraftanlagen verbaut wird. Dort steht: "Dieses extrem klimaschädliche und extrem langlebige Gas darf noch bis 2030 eingesetzt werden, und dies, obwohl bereits unschädliche Alternativen zur Verfügung stehen." Und so weiter und so fort.

So werden unpassende Inhalte zu alternativen Fakten, zu Fake News. Hat das die Gegnerschaft von erneuerbaren Energien tatsächlich nötig? Und wie bitte lauten die Lösungsvorschläge? Auch ich kann hier nur anmahnen: Mehr Realität wagen!

Johannes Garvelmann aus Bretten

Autor:

Kraichgau News aus Bretten

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