Verzögerte Zustellung ermöglichte Sofortvollzug
NABU reicht Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Landratsamt Karlsruhe ein

Sehr enttäuscht sind Norbert Fleischer, Vorsitzender des NABU Bretten, und NABU-Landeschef Johannes Enssle (von links) über das Vorgehen des Landratsamts und der Stadt Bretten beim Roden einer Streuobstwiese in Gölshausen.  | Foto: NABU
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  • Sehr enttäuscht sind Norbert Fleischer, Vorsitzender des NABU Bretten, und NABU-Landeschef Johannes Enssle (von links) über das Vorgehen des Landratsamts und der Stadt Bretten beim Roden einer Streuobstwiese in Gölshausen.
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Bretten/Stuttgart (kn) Der NABU Baden-Württemberg teilt mit, dass er gestern, 8. Dezember, eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Landratsamt (LRA) Karlsruhe auf den Weg gebracht hat. Der Naturschutzbund beklagt, dass er vom LRA auf dem Postweg über die anstehende Rodung einer Streuobstwiese in Gölshausen informiert wurde. Die Stadt Bretten plant, dort das Gewerbegebiet zu erweitern.

Gericht stoppte Rodungen, als nur noch ein Baum stand

„Das Landratsamt hat durch die postalische und damit verzögerte Zustellung des Sofortvollzugs, also der Erlaubnis zur Rodung an die Stadt Bretten, den NABU seiner Rechte beraubt. Die Nachricht ging erst sieben Tage nach der fragwürdigen Entscheidung des Amts per Brief bei unserem Rechtsanwalt ein, dabei wäre eine unmittelbare Informationsübermittlung auch per E-Mail, Fax oder Telefon möglich gewesen“, kritisiert der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle. Unmittelbar nach Erhalt der Nachricht hatte der NABU einen Eilantrag vor Gericht gestellt. Dieses hatte die Rodungen dann noch am gleichen Nachmittag gestoppt, allerdings waren zu diesem Zeitpunkt bereits 39 der 40 alten Streuobstbäume gefällt.

Bewusst zeitlicher Vorsprung für die Stadt?

„Die verzögerte Zustellung hat verhindert, dass der NABU noch rechtzeitig Rechtsschutz einholen konnte. Es widerspricht den Grundsätzen der Fairness, wenn Informationen – zumal in einem solch brisanten Fall – ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit umständlich und langwierig per Post verschickt werden“, sagt der Frankfurter Rechtsanwalt des NABU, Dirk Teßmer. Diese Vorgehensweise sei absolut unüblich. Eine E-Mail, ein Fax, ein Anruf oder eine Zustellung über das extra eingerichtete elektronische Anwaltspostfach hätte genügt, zumal davor auch schon auf elektronischem Weg mit der Behörde kommuniziert wurde. „Ich frage mich, ob das Landratsamt der Stadt Bretten hier bewusst einen zeitlichen Vorsprung verschaffen wollte“, argwöhnt Enssle. „Jedenfalls steht fest: Das Landratsamt hat leider nichts dafür getan, um sicherzustellen, dass der NABU rechtzeitig informiert wird und ist damit dafür verantwortlich, dass die gerichtliche Verfügung des Rodungsstopps für viele Bäume zu spät kam“, kritisiert Rechtsanwalt Teßmer.

LRA: "Gewerbeeinnahmen der Stadt höher zu bewerten als Erhalt der Streuobstwiesen"

„Warum die Fällung der Streuobstwiese in Bretten überhaupt erlaubt wurde und ob dies rechtens war, muss in dem von uns nun anhängig gemachten Rechtsverfahren zügig geklärt werden, bevor weitere schützenswerte Streuobstwiesen gefällt werden“, betont der NABU-Landesvorsitzende und führt aus: „In Bretten wurden mehrere über 100-jährige Obstbäume gefällt, mit Bruthöhlen und Refugien für seltene Vogel- und Fledermausarten. Obwohl solche Flächen ausgeglichen werden müssen, ist der Lebensraum von heute auf morgen verschwunden.“ Als Begründung für die Genehmigung führt das Landratsamt in seinem Genehmigungsbescheid an, dass die Stadt Bretten schon lange darauf warte, das Baufeld zu räumen. Zudem seien die Gewerbeeinnahmen der Stadt höher zu bewerten als der Erhalt der geschützten Streuobstwiesen.

NABU: "Krieg gegen die Natur"

NABU-Landeschef Enssle ist entsetzt über solche Aussagen: „Mit Verlaub, solche Argumente sind völlig aus der Zeit gefallen, sie erinnern mich an das, was UN-Generalsekretär António Guterres jüngst als ‚Krieg gegen die Natur‘ angeprangert hat. Mit solchen Argumenten werden Kommunen im ganzen Land immer weiter in wertvolle Lebensräume hineinbauen und sich von Umweltberichten sowie dem Paragraphen 33a Naturschutzgesetz nicht aufhalten lassen“, so die Befürchtung des NABU. „Wir erwarten, dass entweder der Gesetzgeber oder die Verwaltung beim Schutz von Streuobstwiesen nachbessert, damit dieser auch wirklich gewährleistet ist.“

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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