Altstadtretter erzielen großen Erfolg
Rat beschließt Erhaltungssatzung für die Brettener Altstadt
Bretten (hk) Die Altstadtretter haben ihr größtes Ziel erreicht: Künftig wird die Brettener Altstadt durch eine Erhaltungssatzung „Historische Altstadt Bretten“ geschützt. Dies hat der Brettener Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung im September mehrheitlich beschlossen. Die Satzung dient, wie die Stadtverwaltung auf Nachfrage informiert, der "Erhaltung der städtebaulichen Eigenart der noch mittelalterlich geprägten Altstadt". Stadtbildprägende Gebäude ohne Denkmalstatus könnten so vor der Veränderung wesentlicher bestehender Gestaltmerkmale oder einem Abriss bewahrt werden. „Mit der Erarbeitung der Erhaltungssatzung haben wir den wichtigen Schritt zur Erhaltung wertvoller und stadtbildprägender Gebäude in der Altstadt unternommen“, freut sich Cornelia Hausner, Leiterin des Amtes Stadtentwicklung und Baurecht. „Mit den Grundstückseigentümern, die Bauabsichten im Geltungsbereich der Satzung haben, werden wir diese gern erörtern, in der Hoffnung gemeinsam zu guten baulichen Lösungen im Sinne der Satzung zu kommen. Mit dem Gemeinderat möchten wir dann in ein, zwei Jahren ein Monitoring über die durch die Satzung tangierten Bauvorhaben und die Wirkungsweise der Satzung vornehmen“, so Hausner weiter.
Böckle-Haus hatte Debatte entzündet
Die öffentliche Debatte entzündet hatte der damals bevorstehende Abriss des Böckle-Hauses, dessen Erhalt die Bürgerinitiative Altstadtrettung Bretten mit Nachdruck forderte – insbesondere nachdem eine Begutachtung der Denkmalbehörde ergeben hatte, dass das rund 300 Jahre alte Gebäude nicht als Denkmal eingestuft wird. „Auch viele andere Gebäude in der Brettener Innenstadt stehen nicht unter Denkmalschutz. Wir haben uns also gefragt, was wir tun können, wenn der Denkmalschutz nicht greift“, erklärt Matthias Goll, Gründer der Altstadtrettung, im Gespräch mit dieser Redaktion. Vor diesem Hintergrund setzten sich die Altstadtretter für ein gesetzliches Instrument zum Schutz der Altstadt ein – ein Anliegen, das nun, rund drei Jahre nach Gründung des Vereins, Wirklichkeit geworden ist. „Für die Altstadtretter ist das ein großer Erfolg. Wir haben sehr darauf hin gefiebert“, freut sich Goll über den positiven „Impact“ der Altstadtretter auf die Stadtentwicklung. Der Weg dorthin war mit vielen Schritten verbunden, wie ein Rückblick zeigt.
Altstadtretter sammeln mehr als die erforderlichen Unterschriften für Einwohnerantrag
Im März 2022 gelang es der Bürgerinitiative, den Gemeinderat per Einwohnerantrag zu verpflichten, die Erhaltungssatzung auf die Tagesordnung zu setzen. „Dafür haben wir Unterschriften gesammelt, sind von Haustür zu Haustür gegangen, haben Flyer verteilt und Menschen persönlich angesprochen“, berichtet Goll. Am Ende kamen mehr als die für einen Einwohnerantrag erforderlichen 450 Unterschriften zusammen: Insgesamt hatten rund 600 Bürger das Gesuch mit ihrer Unterschrift unterstützt. Im April 2022 wurde der Antrag der Initiative im Gemeinderat einstimmig für zulässig erklärt. Im gleichen Zug stimmte der Gemeinderat einem fast gleichlautenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zu. Im Juni 2022 folgte ein weiterer einstimmiger Ratsbeschluss, der die Verwaltung beauftragte, einen Entwurf für eine Erhaltungssatzung sowie einen Abgrenzungsvorschlag zu erarbeiten.
„Doch dann ist das Thema aus unserer Sicht im Abgrund verschwunden, nachdem der Gemeinderat die Stadt mit den nächsten Schritten beauftragt hatte“, so Goll. Die Erarbeitung der Erhaltungssatzung sei wegen „starker Personalunterdeckung im Bereich der Stadtplanung“ ins Stocken geraten, wie die Stadt im Dezember 2022 gegenüber dieser Redaktion mitteilte. In der Zwischenzeit unternahmen die Altstadtretter eigenständig einen weiteren Schritt: Sie entwarfen ein Modell der Brettener Altstadt, das sie in bronzener Form gießen ließen. Heute steht dieses Altstadtmodell vor dem Alten Rathaus. Parallel dazu arbeitete die Stadt an den Kriterien für die Einstufung der Gebäude in der Erhaltungssatzung. Hierbei wurden die Gebäude einer gründlichen Stadtbildanalyse unterzogen und vier Kategorien zur Bewertung der stadtbildprägenden Gebäude definiert. Dies hatte das Brettener Amt für Stadtentwicklung und Baurecht im Mai dieses Jahres vorgestellt.
Peter-und-Paul-Fest soll von Erhaltungssatzung profitieren
Zu diesem Vortrag von Cornelia Hausner und Bauleitplaner Michael Oechsner waren jedoch nur zwei Bürger gekommen: der Altstadtbewohner Michael Boch und der Altstadtretter Matthias Goll. Schon damals betonte Goll, dass die Erhaltungssatzung niemandem vorschreibe, wie ein Gebäude innen auszusehen habe. Diese Auffassung bekräftigt er auch heute und fügt hinzu: „Die Erhaltungssatzung bedeutet auch nicht per se, dass man als Eigentümer mehr Geld ausgeben muss.“ Die Erhaltungssatzung lege fest, welche Gebäude wegen ihrer Bedeutung für das charakteristische Stadtbild nicht abgerissen oder maßgeblich umgestaltet werden dürfen, auch wenn sie nicht unter Denkmalschutz stehen, erklärten Hausner und Oechsner in ihrem Vortrag.
In diesem Zusammenhang sieht Goll auch „marketingtechnische“ Anreize. Er stellt fest: „Für das Peter-und-Paul-Fest bedeutet es, dass dank der Erhaltungssatzung das charakteristische Stadtbild nicht weiter leidet, wie etwa nach der Nachkriegszeit.“ Diese positive Entwicklung könnte, falls die Gartenschau tatsächlich kommt, noch verstärkt werden. In diesem Kontext ließe sich die Erhaltungssatzung im Rahmen der Gartenschau-Marketingstrategie als Ausdruck dafür nutzen, dass man sich aktiv um das Stadtbild kümmere.
"Erprobungsphase für alle Seiten – Eigentümer, Baurechtsamt, Gemeinderat"
Der Fraktionssprecher der Grünen, Otto Mansdörfer, sieht in der nun beschlossenen Erhaltungssatzung einen "Riesenfortschritt", wie der Stadtrat gegenüber der Brettener Woche erklärt. "Jetzt folgt eine Erprobungsphase für alle Seiten – Eigentümer, Baurechtsamt, Gemeinderat", so Mansdörfer. Alle Gebäude im Abgrenzungsbereich der Satzung würden nun künftig ein Prüfverfahren durchlaufen, wenn sie verändert oder abgerissen werden sollen. Und dies sei der wichtige Kern der Erhaltungssatzung: "Damit wird keine Bürokratie aufgebaut, sondern die von allen Brettenern wertgeschätzte Altstadt der Nachwelt erhalten", teilt Mansdörfer mit. Die Ruinenfläche in der Lammgasse sollte ein warnendes Beispiel sein, so der Stadtrat weiter.
Mansdörfer fügt hinzu, dass nach einer gewissen Routine im Umgang mit der Erhaltungssatzung der nächste Schritt folgen sollte: „Nämlich eine zweite Erhaltungssatzung für die frühen Stadterweiterungen." Damit bezieht sich Mansdörfer auf die Melanchthonstraße bis zum Kaiserdenkmal, die Weißhofer Straße bis zum Kreisverkehr Breitenbachweg, die Pforzheimer Straße bis zur Aral-Tankstelle. Der Grünen-Stadtrat weist darauf hin, dass eine frühere Umsetzung dieser zweiten Erhaltungssatzung möglicherweise den Abriss des Gebäudes "Stadt Pforzheim", in dem sich zuletzt der Irish Pub befand, hätte verhindern können. Das Haus in der Pforzheimer Straße 45 wird derzeit abgerissen.
Nächster Schritt: Erweiterung des Altstadtschutzes auf Stadterweiterungen
Auch Goll ist der Ansicht, dass eine erweiternde Regelung für die Stadterweiterungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert erforderlich ist. Dort gebe es weitere erhaltenswerte Gebäude, insbesondere in der Melanchthon- und Weißhofer Straße sowie in der Alten Wilhelmstraße. „Wir werden da dranbleiben, dass diese schönen Straßenzüge auch erhalten bleiben; da sind auch viele Kleinode“, erklärt Goll. Ein Beispiel hierfür sei die Weißhofer Mühle, die er ebenfalls als "Kleinod im Dornröschenschlaf" außerhalb der Altstadt verortet. Wie die Stadtverwaltung über die Mühle informiert, fehle zwar das Mühlrad, der Rest sei jedoch intakt. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Mühle laut Stadtarchivar Alexander Kipphan bereits im 13. Jahrhundert. Dieses Gebäude stehe derzeit zum Verkauf, teilt die Stadtverwaltung weiter mit. Außerhalb der Altstadtsatzung, aber dennoch schützenswert, sei auch das „Landmesser-Haus" (Melanchthonstraße 49), das die Firma Harsch als Projekt gekauft, aber bislang noch nicht in Angriff genommen hat. Darüber hinaus stünden in Bretten sowohl in der Alten Wilhelmstraße als auch am Ende der Weißhofer Straße einige gründerzeitliche Villen, die "sicherlich stadtbildprägend sind und es wert wären, diese näher auch unter architekturgeschichtlichen Kriterien zu berücksichtigen, soweit sie ohnehin nicht schon unter Denkmalschutz stehen", so die Stadtverwaltung.
Brettener Spital: 3D-Rekonstruktion des mittelalterlichen Bauwerks in Arbeit
Die Altstadtretter wollen sich nun aber nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen – es soll weitergehen, mit neuen Projekten. Ein Vorhaben betrifft das Brettener Spital, dessen maßstabsgetreuen Plan Goll im Generallandesarchiv entdeckt hat. Das mittelalterliche Kranken- und Pflegeheim, das einst auf dem Gelände der heutigen Weißhofer Galerie stand, diente wohlhabenderen Bürgern und verfügte über eine eigene Spitalmühle. Diesem Spital verdankt die heutige Spitalgasse übrigens ihren Namen. Interessanterweise brachte das Spital den Brettenern den Spitznamen „Spitalmucken“ ein. Goll verrät: „Da der Grundriss aus dem Generallandesarchiv in Karlsruhe so detailliert ist, versuche ich mich nun an einer 3D-Rekonstruktion.“
Ein weiteres Projekt besteht in der Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv: Bei Recherchen ist man auf den sogenannten „Urhandriss von Bretten“ aus dem Jahr 1860 gestoßen, der die Vermessung der gesamten Stadt in einem maßstabgetreuen Lageplan festhält. In diesem Urhandriss lässt sich noch die Struktur der ursprünglichen Altstadt erkennen, obwohl einige der Gebäude längst nicht mehr stehen. Goll will versuchen, diesen ältesten mehrteiligen Stadtplan von Bretten digital zusammenzufassen.
Autor:Kraichgau News aus Bretten |
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