„Kommt bewusster Täuschung gleich"
Rat diskutiert über Gewerbegebiet in Rinklingen
Bretten (hk) Die Entscheidung für oder gegen ein mögliches Gewerbegebiet erhitzte in der jüngsten Gemeinderatssitzung am Dienstagabend die Gemüter. Hintergrund der Debatte war der Tagesordnungspunkt zwei, in dem es um die Fortschreibung des Regionalplans Mittlerer Oberrhein ging. Nur durch die Fortschreibung des Regionalplans können neue Gewerbeflächen ausgewiesen und damit mögliche Optionen für die Ansiedlung von Unternehmen eröffnet werden. Hierzu zeichnet sich im Regionalplan ein neuer „Gewerbeschwerpunkt“ südwestlich von Rinklingen im Zusammenhang mit der geplanten Ortsumgehung B 294 ab.
Die Stadt Bretten favorisiert jedoch anstelle dessen eine Fläche im Bereich „Karlsruher Dreieck“ – dies habe man gegenüber dem Regionalverband auch nachdrücklich kundgetan, so Oberbürgermeister Martin Wolff. Dieser Vorschlag wurde jedoch in der aktuellen Planfassung des Regionalverbandes nicht berücksichtigt. Regionalplanerisch bevorzugt ist Rinklingen. Sollte sich in den nächsten Jahren keine klare Perspektive für die Realisierung der B-294-Ortsumfahrung abzeichnen, würde der Regionalverband die Option des „Karlsruher Dreiecks“ erneut prüfen, so die Verwaltung. Da sich mit dem Vorschlag des Regionalverbands mit der optionalen Entwicklungsmöglichkeit am Karlsruher Dreieck dennoch ein Lösungsansatz abzeichne, schlug die Verwaltung dem Rat vor, dem Vorschlag zu folgen. Aus Sicht der Verwaltung müsse Bretten als Mittelzentrum sicherstellen, dass zukünftig eine neue gewerbliche Entwicklung möglich ist, zumal die bisher vorhandenen Flächen ausgeschöpft sind.
"Das entscheidende Gremium ist der Gemeinderat"
Oberbürgermeister Wolff eröffnete die Debatte mit einem klaren Statement: Ansiedlungswilligen Unternehmen nichts mehr anbieten zu können, wäre fatal für die Weiterentwicklung von Bretten, so Wolff. Mehrere Rinklinger Bürger brachten an diesem Abend ihre Sorge zum Ausdruck. Ein Bürger ging sogar so weit, dem Oberbürgermeister vorzuwerfen, er widerspreche seinen früheren Aussagen, wonach es in Rinklingen kein Gewerbegebiet geben werde. „Das kommt einer bewussten Täuschung gleich“, so der Rinklinger, dem seine Verärgerung um eine mögliche Zerstörung der Struktur des Stadtteils deutlich anzumerken war.
Die Entwicklung von Gewerbe dürfe nicht auf Kosten der Rinklinger Bürger gehen, zumal Rinklingen „durch die auf seiner Gemarkung ansässigen Unternehmen einen erheblichen Beitrag“ leiste. Ein anderer Rinklinger sprach das Problem des Verkehrsflusses an, der schon jetzt angespannt sei. Die Antwort des Oberbürgermeisters, dass es sich lediglich um Optionsflächen handele und die Planung noch in den Kinderschuhen stecke, beruhigte die Gemüter nur bedingt. Ein weiterer Bürger brachte die Firma Deuerer ins Spiel, deren Geruchsbelästigung die Stadt „immer noch nicht in den Griff" bekomme. „Hier versagt die Stadt jetzt schon“, so der Rinklinger. OB Wolff mahnte: „Wir alle leben auch von der Gewerbesteuer.“ Mit diesen Einnahmen würden Schulsanierungen oder die Instandhaltung von Straßen finanziert. „Wir müssen schauen, dass Geld reinkommt – ganz einfach“, stellte er klar und warf dem Bürger vor, zu überschätzen, was der Oberbürgermeister zu entscheiden habe. „Das entscheidende Gremium ist der Gemeinderat – ich bin nur ein Teil davon“, machte Wolff deutlich.
"Rinklingen wird von heute auf morgen Gewerbeschwerpunkt"
Cornelia Hausner, Leiterin des Amts für Stadtentwicklung und Baurecht, erklärte, dass es darum gehe, Entwicklungsspielräume überhaupt zu ermöglichen. Nicht in erster Linie neue Unternehmen sollen nach Bretten geholt, sondern Flächen für bereits ansässige Unternehmen mit Erweiterungsbedarf bereitgehalten werden. Gleichwohl plädierte sie dafür, die Bedenken der Bürger ernst zu nehmen und zu reflektieren.
Für die Grünen sprach Otto Mansdörfer, der die Ausweisung weiterer Gewerbeflächen ablehnte. Er verwies auf den unbebauten siebten Abschnitt im Gewerbegebiet in Gölshausen und forderte für das dortige Gebiet Klarheit, bevor weitere Schritte in Rinklingen unternommen werden. Auch Edgar Schlotterbeck (SPD) äußerte sich kritisch zu dem Vorschlag, in Rinklingen Gewerbeflächen anzusiedeln. Dies sei "nicht machbar und nicht tragbar." Ortsvorsteher Timo Hagino äußerte ebenfalls seine Bedenken: "Rinklingen wird von heute auf morgen Gewerbeschwerpunkt. Da wird eine Entscheidung gefällt, die Tausende von Bürgern betrifft."
Stadträtin fordert "Masterplan"
Anders sah das Bernd Diernberger von den Freien Wählern, der davor warnte, Zukunftschancen zu verspielen: "Dann brauchen wir auch keine neuen Wohngebiete auszuweisen, weil wir uns das finanziell nicht leisten können." Der Regionalplan gebe einen Rahmen vor, was passieren kann, aber nicht muss. Die Stadträte, die in Zukunft im Gemeinderat sitzen, müssten dann entscheiden. Hermann Fülberth (die aktiven) argumentierte, dass es keine klare Stadtentwicklungsidee für Bretten gebe, was die Diskussion zusätzlich erschwere. OB Wolff widersprach und bezeichnete den Regionalplan als den "Masterplan", den zuvor die fraktionslose Stadrätin Sibille Elskamp gefordert hatte, falls die Umgehungsstraße nicht realisiert wird. Bei der Abstimmung über das vom Regionalverband favorisierte mögliche künftige Gewerbegebiet bei Rinklingen fiel die Entscheidung denkbar knapp aus: Zehn Ja-Stimmen überwogen acht Nein-Stimmen bei fünf Enthaltungen.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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