Nahrungsmittelreste können Virus verbreiten
Schweinehaltern drohen wegen Afrikanischer Schweinepest drastische Einbußen

Schweinehaltern drohen bei der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest massive finanzielle Einbußen. | Foto: AdobeStock, Countrypixel
  • Schweinehaltern drohen bei der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest massive finanzielle Einbußen.
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Bretten/Eisingen (hk) „Deutschland ist jetzt nicht mehr seuchenfrei“: Als der baden-württembergische Agrarminister Peter Hauk letzte Woche diese Worte aussprach, meinte er nicht das Coronavirus. Eine weitere Seuche hat Deutschland inzwischen erreicht – die Afrikanische Schweinepest, die bei einem toten Wildschwein in Brandenburg nahe der Grenze zu Polen nachgewiesen worden ist. Dabei handelt es sich um eine Virusinfektion, die ausschließlich Haus- und Wildschweine betrifft und für diese meist nach kurzer Zeit tödlich ist. Zu den Symptomen gehören nach einer Inkubationszeit von circa vier Tagen Fieber, Hautverfärbungen und Appetitlosigkeit. Bisher ist keine Impfung möglich.

Kein Grund auf Schweinefleisch zu verzichten

Für den Menschen stellt die Afrikanische Schweinepest keine Gefahr dar. „Bisher ist ja auch kein schweinehaltender Betrieb betroffen, sondern lediglich ein infiziertes Wildschwein gefunden worden. Sollten Hausschweine betroffen sein, gelangen diese nicht in die Nahrungsmittelkette“, erklärt Ulrich Hauser, Kreisvorsitzender des Bauernverbands Enzkreis. Es gebe keinen Grund auf Schweinefleisch zu verzichten. Im Gegenteil: „Für die Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe ist es sehr wichtig, weiterhin Schweinefleisch zu konsumieren“, betont Hauser. Auch wenn Verbraucher weiterhin bedenkenlos Schweinefleisch essen können, so gelten Menschen als der größte Risikofaktor. Das weiß auch Landwirt Alexander Kohler aus Bretten-Neibsheim, der eine Schweine-Mastanlage mit mehreren hundert Tieren betreibt.

Verhalten der Menschen zieht weite Kreise

Als Beispiel nennt er Lkw-Fahrer, die Speiseabfälle wegwerfen und somit dafür sorgen könnten, dass das Virus über Ländergrenzen hinweg transportiert wird. Wurstreste, die von einem infizierten Tier stammen und von einem anderen Wildschwein gefressen werden, könnten auf diese Weise den Erreger übertragen. Hauser appelliert daher an die Verbraucher: „Die in den letzten beiden Jahren aufgetretenen Fälle in der Tschechei und Belgien, weit ab vom bisherigen Geschehen in Ostpolen und Russland, wurden sehr wahrscheinlich durch weggeworfene infizierte Nahrungsmittelreste verursacht, die dann von Wildschweinen gefressen wurden. Deshalb meine Bitte, bei Reisen in Regionen, die von der Afrikanischen Schweinepest betroffen sind, auf das Mitbringen von Nahrungsmitteln zu verzichten.“ Und Landwirt Kohler betont: „Für den Menschen ist die Afrikanische Schweinepest zwar unbedenklich, aber sein Verhalten kann weite Kreise ziehen.“

Exportstopp macht Sorgen

Nach Südkorea verhängte am Samstag auch China als größter Abnehmer für deutsches Schweinefleisch außerhalb der Europäischen Union einen Stopp für Einfuhren aus Deutschland. Seitdem sind die Schweinefleischpreise rapide nach unten gefallen. Kohler stellt Preisunterschiede von bis zu 30 Euro fest. „Und wer weiß, wie lange das noch geht“, sagt er bedrückt. Der Exportstopp macht auch Hauser große Sorgen. Durch die Sperrung wichtiger Exportmärkte, wie aktuell China und Südkorea, die vor allem Teilstücke wie Schweinepfoten und Kopfteile aufnehmen, die in Deutschland und Europa schwierig oder gar nicht zu vermarkten seien, verschlechterten sich die Absatzmöglichkeiten. „Das bleibt auch den Einkäufern des Lebensmitteleinzelhandels nicht verborgen, die versuchen, diese Situation zu ihren Gunsten auszunutzen“, weiß der Kreisvorsitzende. Als Reaktion auf die Nachricht über den Fund des infizierten Wildschweines sei am vergangenen Freitag der Erzeugerpreis für ein Kilogramm Schlachtgewicht um 20 Cent gesunken. „Bei einem durchschnittlichen Schlachtgewicht von 95 Kilogramm pro Schwein bedeutet das einen Erlösrückgang von 19 Euro pro Tier von heute auf morgen“, erklärt Hauser. Eine nicht zu unterschätzende Summe, wenn man bedenkt, dass in Deutschland pro Woche circa 900.000 Schweine geschlachtet werden. „In einer Woche bedeutet das einen Einnahmeverlust von circa 17 Millionen Euro für die schweinehaltenden Betriebe in Deutschland“, verdeutlicht Hauser.

„Vorsichtsmaßnahmen weiter verschärfen“

Um seine Tiere vor Krankheiten zu schützen, setzt der Brettener Landwirt Kohler auf vielfältige Schutzvorkehrungen. In seiner Schweine-Mastanlage hätten 650 Schweine Platz, dennoch halte er nur 550 Tiere. Mehr Platz komme auch dem Wohl der Tiere zugute. Zudem darf in die Ställe nur ein eingeschränkter Personenkreis und dies auch nur über eine Hygieneschleuse. Zusätzlich hat Kohler vor etwa einem Jahr eine Versicherung abgeschlossen, auch weil er ein Auftreten der Seuche, die seit Monaten im Nachbarland Polen kursiert, hier in Deutschland befürchtet hat. Hauser, der neben seiner Tätigkeit als Kreisvorsitzender des Bauernverbands Enzkreis auch eine eigene Schweinehaltung in Eisingen hat, achtet nach eigenen Angaben darauf, dass kein unkontrollierter Personen- und Fahrzeugverkehr auf dem Betriebsgelände ist, dass Schuhe und Kleidung beim Betreten des Stalles gewechselt werden und der Kontakt nach außen so weit wie möglich reduziert wird. „Das sind eigentlich Standardmaßnahmen zur Biosicherheit. Sollte das Virusgeschehen in der Nähe auftreten, werde ich die Vorsichtsmaßnahmen sicher noch weiter verschärfen“, betont er. Wird der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in einem Betrieb amtlich festgestellt, so müssten alle Schweine sofort getötet und unschädlich beseitigt werden. Zudem müsse ein Sperrbezirk (mindestens drei Kilometer) und Beobachtungsbezirk (mindestens zehn Kilometer) rund um den verseuchten Betrieb eingerichtet werden.

Ortsvorsteher appelliert an Vernunft der Bürger

Die Schweinepest versetzt auch den Ruiter Ortsvorsteher Aaron Treut in Sorge. Erst letzte Woche sei ein Wildschwein zwischen Bretten und Ruit, Richtung Burgwäldle und Ruiter Tal, verendet. "Da wurde aber schnell klar, dass es keiner Krankheit zum Opfer gefallen ist, sondern angefahren wurde, vermutlich auf der Suche nach Wasser", so Treut. Wenn ein totes Wildschwein mit dem Verdacht auf eine Wildkrankheit, im speziellen Afrikanische Schweinepest, gefunden werde, gebe es für Jäger eine Meldekette, die eingehalten werden müsse, so Treut. Jäger seien auch dazu angehalten, eine Notfallnummer zu wählen, über die man zum Amt für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung in Karlsruhe geleitet werde. „Wenn ein totes, infiziertes Wildschwein gefunden wird, wird die Wildjagd in dem Bereich weiträumig eingestellt, um infizierte Tiere nicht aufzuschrecken und die Seuche weiterzuverbreiten.“ Treut betont, dass auch weiterhin, trotz Seuchenprävention, der Mutterschutz für führende Bachen (weibliche Wildschweine, Anm. d. Redaktion) gelte. Um den Wildbestand zu regulieren, reduziere man den Wildschwein-Bestand daher von „klein nach groß“. Wie die Landwirte, befürchtet auch Treut Probleme weiterer Art: „Wir haben nicht mehr den Status ‚seuchenfrei‘. Dadurch müssen wir Exporteinbußen hinnehmen, die in der jetzigen Lage wirtschaftlich sehr schmerzlich sein werden“, so Treut, der wie Hauser an die Vernunft der Menschen appelliert: „Müll, im speziellen Wurst- und Fleischabfälle, bitte nicht unachtsam in der Natur entsorgen, sonst kann das ganz böse nach hinten losgehen und die Seuche sich noch sehr viel schneller verbreiten.“ Treut betont aber auch, dass für den Menschen die Afrikanische Schweinepest "glücklicherweise weder beim Verzehr noch bei Berührung ansteckend ist. Außerdem ist im Moment von einem lokalen Seuchengeschehen auszugehen." Man könne den Seuchenstatus aber auch durch Maßnahmen tilgen, wie zum Beispiel in Tschechien und Belgien geschehen.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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