Altersarmut in Bretten: Die meisten Bezieher von Grundsicherung im Alter sind weiblich
(ch) Ein Pfandflaschen sammelnder alter Mann am Bahnhof, ein Obdachloser an der Supermarktkasse, gestrandete Biertrinker unter der Bahnbrücke – wer hinschaut, kann auch im Brettener Straßenbild Armut entdecken. Doch oft bleibt sie auch unsichtbar, bei alleinerziehenden Frauen zum Beispiel - und bei alten Menschen.
In Bretten waren nach offiziellen Angaben zwischen 2013 und 2015 jeweils über 140 Menschen registriert, die Grundsicherung im Alter bezogen. Ihre Rente reichte nicht für ihren tatsächlichen Lebensbedarf. Bis Ende September dieses Jahres sank ihre Zahl zwar geringfügig auf 139, aber nur, weil durch die Anhebung des Wohngelds einige wenige nun knapp oberhalb der Bedarfsgrenze gelandet sind, wie Michael Bolek, Leiter des Amts für Grundsatz und Soziales im Landratsamt Karlsruhe, erläutert.
Sozialpolitiker warnen vor Anstieg der Altersarmut
„Langfristig haben wir es mit einem kontinuierlichen Anstieg der Altersarmut zu tun“, ist der Experte überzeugt. Die Kreisbehörde erledigt laut Brettens Bürgermeister Michael Nöltner seit der Rückdelegation 2011 wieder alle Angelegenheiten rund um die Grundsicherung im Alter. 2015 flossen nach Bretten insgesamt 715.000 Euro für die Grundsicherung. Bürgermeister Michael Nöltner befürchtet, dass diese Ausgaben in den nächsten zehn Jahren steigen werden, insbesondere wenn das Rentenniveau weiter sinkt.
Minijobs und Lücken in Erwerbsbiografie als Armutsrisiko
Betroffen sind überwiegend Frauen. „Weil sie meist eine niedrigere Rente beziehen“, erklärt Michael Bolek. Ebenso wie eine lückenhafte Erwerbsbiografie erhöhen auch die meist von Frauen ausgeübten Minijobs und Paartrennungen das Risiko, im Alter unter Armut zu leiden. Riskant seien „generell alle Jobs, bei denen man sich nicht zusätzlich versichern kann“, sagt Achim Lechner, Dienststellenleiter des Diakonischen Werks in Bretten.
Auch Selbstständige sind gefährdet
Kreissozialamtsleiter Bolek weiß auch von Selbstständigen: „Wenn´s im Geschäft mal schlecht lief, haben manche ihre private Altersvorsorge hineingesteckt, die fehlt jetzt.“ Unter die möglichen Mitverursacher von Altersarmut rechnet Achim Lechner auch hohe Mieten, die manche mit ihrer kleinen Rente nicht mehr zahlen können. Aber, so Lechner: „Selbst wenn sie in eine günstigere Wohnung ziehen wollten, würden sie derzeit oft keine finden.“
Manche schämen sich
Kopfzerbrechen bereitet den Fachleuten auch jene Dunkelziffer an Senioren, die zwar Anspruch auf Grundsicherung hätten, sich aber nicht melden. Aus Erfahrung weiß Achim Lechner: „Armut ist gerade bei alten Menschen mit sehr viel Scham besetzt.“
Wer hat Anspruch auf Grundsicherung? Antworten auf diese und weitere Fragen lesen Sie unter Fragen und Antworten zur Grundsicherung
Autor:Chris Heinemann aus Bretten |
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