Wie man Glück unterrichtet
Die Schulsozialarbeit am Melanchthon-Gymnasium fußt auf gemeinsamen Erlebnissen
Bretten (ger) „Machen die das freiwillig?“ Diese Frage hört Markus Gewald oft, wenn er mit 15 Teenagern im Hochgebirge unterwegs ist. „Ja, die machen das freiwillig“, ist seine Antwort. „Und lernen nebenbei ganz viel.“ Gewald ist Schulsozialarbeiter am Melanchthon-Gymnasium Bretten (MGB). Vor zwölf Jahren hat er die Stelle angetreten, die die Stadt erstmals ausgeschrieben hatte, was damals durchaus noch Pioniercharakter hatte. So musste er die Sozialarbeit an der Schule zuerst mit Leben füllen. Auch dank der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Rektorin Elke Bender – sie hat ihre Stelle zeitgleich mit Gewald angetreten – ist ihm das mit vielseitigen Angeboten gelungen, von der jede Jahrgangsstufe profitiert.
Erlebnispädagogik bringt Stärken zum Vorschein
Gewalds Schwerpunkt liegt dabei auf der Erlebnispädagogik. „Wenn man mit den Schülerinnen und Schülern draußen was erlebt, nehmen sie ganz viel für ihre Biographie mit“, sagt er. Rauszugehen aus der Schule, die für manche nicht nur positiv besetzt ist, mit den Klassenkameraden in anderer Umgebung zu interagieren, lässt die Kinder sich selbst in neuem Licht sehen, bringt neue Stärken zum Vorschein. Entwicklung von Kommunikation und Kooperation, Selbst- und Verantwortungsbewusstsein, Belastungs- und Stresstoleranz sowie die Fähigkeit, Probleme zu analysieren und zu lösen, stehen im Fokus bei Gewalds Angeboten. Dabei legt er Wert auf deren Nachhaltigkeit: „Man kann solche Angebote natürlich auch fremdvergeben. Aber eine anhaltende Wirkung haben sie nur, wenn man sie kontinuierlich macht, nur so gelingt der Beziehungsaufbau.“
Kletter-AG zum Kennenlernen
Kurz nachdem die Fünftklässler aus ihren meist kleinen Grundschulen am großen MGB angekommen sind, geht es mit dem Schulsozialarbeiter, dem Klassen- und einem Fachlehrer ins Burgwäldle zum Waldtag. Ziel ist es, sich als Klasse zu finden, noch bevor sie ins dreitägige Schullandheim aufbrechen. „Die Kids sollen sich kennenlernen und Vertrauen zueinander aufbauen“, erläutert der Diplom-Sozialarbeiter. Er baut einen Parcours auf, den die Kinder mithilfe der Mitschüler bewältigen müssen. Zugleich gibt es an dem Tag aber auch noch Zeit für Freispiel und Bewegung im Wald. „Die Erkenntnis für die Klassengemeinschaft soll sein: Jeder hat Stärken, die er nutzen kann.“ Viele der Zehn- und Elfjährigen kennt Gewald zu dem Zeitpunkt schon, da sie zu ihm in die Kletter-AG kommen. „Damit hab ich vor zwölf Jahren gleich begonnen, denn so lernte ich einen großen Teil der Neuankömmlinge an der Schule kennen.“ Seit der Fertigstellung der Sporthallenrenovierung im Bronnerbau sei die Kletter-AG, die es auch für die sechsten Klassen gibt, noch besser ausgestattet als zuvor, freut sich der 55-Jährige.
In Klasse acht gibt es eine altersgerechte Wiederaufnahme des Waldtags. Mit der Profilwahl werden die Klassen in dieser Stufe neu zusammengewürfelt und müssen wieder neu in eine Gemeinschaft finden.
Abiturienten spenden Geld für Sozialarbeit
Auch für die anderen Stufen bietet Gewald Aktionen an. So zum Beispiel Gewaltprävention in Stufe sieben, Floßbau für Klasse acht, eine Veranstaltung zum Thema Verhütung/Aufklärung in Kooperation mit der Fachschaft Biologie für die Neuntklässler sowie einen Tag zur psychischen Gesundheit als gemeinsame Veranstaltung aller Schulsozialarbeiter der Stadt Bretten für die zehnten Klassen. Wo nötig, unterstützt der Förderverein mit finanziellen Mitteln, und es kommt vor, dass Abiturienten, die noch Geld in der Abikasse haben, es für die Angebote der Schulsozialarbeit spenden.
"Raus aus dem medialen Wahnsinn"
Seit zehn Jahren gibt es „MGB Rocks“, die dreitägige Hochgebirgstour für Schüler der Mittelstufe. Was zu Beginn nur für Jungs gedacht war, wird seit 2015 auch für Mädchen angeboten. Zusammen mit zwei Lehrkräften, die auch langjährige Gebirgserfahrungen haben, führt Gewald, der zertifizierter C-Bergwandertrainer ist, 15 Schüler beziehungsweise Schülerinnen aus unterschiedlichen Klassen auf Berggipfel, Hüttenübernachtung inklusive. Viele melden sich von sich aus an, aber gemeinsam mit den Klassenlehrern überlegt Gewald auch frühzeitig, wen man für die Tour gezielt ansprechen könnte. Warum geht man das Risiko ein, mit Schülern ins Hochgebirge zu gehen? „An körperliche und psychische Grenzen zu gehen, mal stundenlang durch Regen oder Hitze zu müssen, vor allem mal raus aus dem medialen Wahnsinn, da entsteht ganz viel“, bringt Gewald es auf den Punkt. Die Touren variieren, aber jede wird zuvor von Gewald und den Lehrkräften begangen.
Hoher Gesprächsbedarf nach Corona
Ganz wichtig sei für die Kinder, dass der Sozialarbeiter keine Lehrkraft sei. „Viele, die zu mir kommen, wissen nicht so genau, wie sie mich einordnen sollen. Sie fragen mich dann: ‚Herr Gewald, welche Fächer geben Sie eigentlich?‘ Und dann sag ich: Ich unterrichte Glück! Oder: Ich unterrichte Natur!“ Einen erwachsenen Ansprechpartner an der Schule zu haben, der nicht nach Leistung beurteilt und Noten verteilt, ist für die Kinder und Jugendlichen ein unschätzbar hohes Gut. Gerade nach Corona sei der Gesprächsbedarf immens. In letzter Zeit, seit sich die Krisen häufen, beobachtet der Sozialarbeiter immer mehr Zukunftsängste bei den Schülern. „Durch die Schulschließungen während Corona denken einige, leistungsmäßig den Anschluss verpasst zu haben“, sagt er. Er versuche dann, den Kids klarzumachen, dass Schule nur ein Teil des Lebens und nicht alles sei. Manche Schüler kommen mehrmals zu ihm, manchen reicht ein Gespräch. Zudem ist Gewald bestens vernetzt, so dass er bei größeren Problemen an die passende Stelle vermitteln kann. Als Ansprechpartner ist er auch für Eltern da und mit dem Lehrerkollegium tauscht er sich ebenfalls regelmäßig aus. Die Hauptsache sind für ihn aber die Kinder und Jugendlichen: „Ich bin da, um die Schüler stark zu machen.“
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
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