Erfahrungsbericht unserer Redakteurin über Homeschooling
Digitalunterricht mit Quantensprung

Das Homeschooling hat im Vergleich zum ersten Lockdown im Frühjahr einen Quantensprung gemacht.  | Foto: ©Sondem - stock.adobe.com
  • Das Homeschooling hat im Vergleich zum ersten Lockdown im Frühjahr einen Quantensprung gemacht.
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Bretten (ger) Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat ihren Vorstoß, ab 18. Januar Kitas und Grundschulen wieder zu öffnen, aufgrund der weiterhin hohen Infektionszahlen nicht durchsetzen können. In einer Pressekonferenz am 14. Januar teilten sie und Ministerpräsident Winfried Kretschmann dies der Öffentlichkeit mit. „Und ansonsten bleibt es bei den bekannten Maßnahmen, nämlich dass wir momentan Eltern und Schüler von zu Hause aus unterrichten“, schloss Eisenmann ihr Statement. Ihr unfreiwillig komischer Versprecher, dass also nicht nur Schüler*innen, sondern auch Eltern momentan zu Hause unterrichtet werden, erfahren die meisten Haushalte mit Schulkindern gerade am eigenen Leib. Auch Redakteurin Katrin Gerweck, ihr Mann und ihre zwei Söhne, zehn und 13 Jahre alt, gehören zu denen, die im Homeschooling sind. Hier berichtet sie von ihren Erfahrungen:

Einstieg verlief nicht so glatt

„Als sich abzeichnete, dass es nach den Ferien mit Homeschooling weitergeht, kauften wir einen zweiten Laptop. Für das gleiche Modell, das wir vor einem Jahr angeschafft hatten, mussten wir 200 Euro mehr bezahlen. Am Wochenende vor dem ersten Schultag richtete mein Mann den Rechner ein, so dass unser großer Sohn ihn am Montag problemlos nutzen konnte. Der Einstieg verlief nicht so glatt. Den ersten Schultag verbrachte ich mit meinem jüngeren Sohn vor Laptop und Handy, denn wir wussten nicht genau, wie es ablaufen würde.

System war zu Anfang überlastet

Die ersten vier Schulstunden – Doppelstunde Sport und Mathe – ging einiges schief. Die Sportlehrerin meldete sich erst im Laufe der ersten Stunde krank. Der Mathelehrer hatte zwei digitale Konferenzräume vorbereitet, in die man lange nicht reinkam, das System war überlastet. Irgendwie bekamen wir die Aufgaben mit, die die Kinder machen sollten, weil wir zufällig im richtigen Chat waren, als er gerade funktionierte. Für die letzte Doppelstunde Musik hatte der Lehrer genügend Material auf der Lernplattform bereitgestellt, mit dem sich mein Sohn beschäftigen konnte. Der große Bruder, achte Klasse an der gleichen Schule, hatte derweil gut zu tun. Bei ihm klappten Online-Unterricht und Aufgabenstellungen über die digitale Plattform weitgehend problemlos. Er ist auch schon in der Lage selbstständig zu arbeiten, was beim Kleinen nur sehr beschränkt möglich ist.

Die Schule war gefühlt weit weg

Das Gemecker darüber, dass die Schulen in den letzten neun Monaten nichts gelernt hätten, kann ich nicht nachvollziehen. Im Vergleich zum ersten Lockdown, in dem die Schulen von Mitte März bis Pfingsten weitgehend geschlossen waren, hat der Digitalunterricht einen Quantensprung gemacht. Während der Kleine, damals in der vierten Klasse, im Frühjahr ausgedruckte Lernpakete abarbeiten musste – die Klassenlehrerin hatte dem Stoff sogar Hausaufgaben für den Nachmittag beigefügt –, war es beim Großen chaotisch und unstrukturiert. Die ersten drei Wochen vor den Osterferien war noch keine Lernplattform eingerichtet. Arbeitspakete hatte er an dem Montag vor den Schulschließungen erhalten oder sie wurden über den Messenger bereitgestellt, den er zuvor nie genutzt hatte. Weil das System anfangs häufig überlastet war, gab es auch Material per E-Mail. Die Schule war gefühlt weit weg, einen direkten Kontakt mit den Lehrkräften gab es nicht, auch mussten die Kinder an der weiterführenden Schule so gut wie nie ihre Ergebnisse zurückschicken.Als die Schulen auch nach den Osterferien geschlossen blieben, ging es auf der Lernplattform weiter. Aber auch hier blieben Rückmeldungen von Lehrern rar und Online-Unterricht in Form von Videokonferenzen fand einfach nicht statt.

Für den Großen wurde es schwerer

Meine Kinder gehen sehr gern in die Schule, vor allem auch um ihre Freunde zu sehen. Als der Kleine nach Ostern wieder in die Schule durfte – als Viertklässler gehörte er zu den ersten, die wieder Unterricht hatten –, wurde es mit dem Großen immer schwerer. Er kam morgens nicht aus dem Bett und war nur noch mit Mühe zu seinen Aufgaben zu motivieren. Dabei ist er ein sehr guter Schüler. Wir haben damals festgestellt, dass Schule eben viel mehr ist als nur Lernen und dass Fernunterricht das alles, was Schule ausmacht, nicht ersetzen kann. Das Miteinander im Schulalltag fehlt einfach sehr, von Klassenreisen und Ausflügen sowie stufenübergreifenden Arbeitsgemeinschaften, von denen die Kinder auf so vielen Ebenen profitieren, gar nicht zu sprechen.

Digitaler Unterricht hat Fortschritte gemacht

Inzwischen hat der digitale Unterricht wie gesagt große Fortschritte gemacht. Die Kinder sind tatsächlich so lange beschäftigt, wie der Schultag dauern würde. Aber dennoch fordert dieses Modell uns Eltern viel mehr ab, als wir auf Dauer leisten können. Mein Mann und ich sind in der privilegierten Lage, uns mit Homeoffice abwechseln zu können. Ich erledige meine Arbeit aber weitgehend erst, wenn die Kinder mit ihrem Schultag durch sind. Um Texte zu verfassen, brauche ich Ruhe. Mein Kleiner muss aber noch sehr eng begleitet werden, zumal für ihn alles neu ist. An Videokonferenzen muss er sich erst noch gewöhnen. Bisher weigert er sich, die Kamera und das Mikro anzumachen, und wenn er nicht verstanden hat, was der Lehrer erklärt hat, holt er mich zu Hilfe. Die Erklärvideos und digitalen Übungsaufgaben klickt er irgendwie durch, aber ob dabei viel hängenbleibt, weiß ich nicht.

Jede Lehrkraft macht es anders

Auch auf den Großen müssen wir noch ein Auge haben. Beim Erstellen und Hochladen von Dokumenten braucht er Hilfe, immer mal wieder muss etwas ausgedruckt werden und die Abgabetermine behält er auch noch nicht ganz zuverlässig im Blick. Jede Lehrkraft macht es anders, stellt unterschiedliche Formate zur Verfügung, schaltet Unterrichtsmaterial zum Teil erst zur Schulstunde frei, was unpraktisch ist, wenn man es ausdrucken muss, oder hat andere Anforderungen an eine Videokonferenz. Schon wie die Kinder sich zu den Stunden anwesend melden müssen, handhabt jeder Lehrer anders. Da würden wir uns mehr Einheitlichkeit wünschen. Bis man alle Eigenheiten durchschaut hat, wird es wohl noch eine Weile dauern. Man bekommt so als Eltern allerdings auch schnell einen Eindruck davon, welche Lehrer*innen sich mehr Mühe geben. Jedenfalls hoffen wir sehr, dass sich das Infektionsgeschehen bald entspannt und die Kinder wieder in die Schule gehen dürfen. Schon ein rollierendes System, bei dem nur die Hälfte oder ein Drittel der Klasse im Präsenzunterricht ist, würde uns sehr helfen.“

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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