Leserbrief zum Artikel "Eine emotionale Ausnahmesituation"
Eine Frage des Stils

Leserbrief zum Artikel „Eine emotionale Ausnahmesituation“ vom 6. Mai 2020 

Viel und oft wurde in den letzten Wochen über das Haus Schönblick in Neibsheim in den Medien berichtet. Das Haus wurde stark vom Coronavirus heimgesucht. Jeden Tag neue Horrornachrichten über Neuerkrankungen und Sterbefälle. Täglich neue emotionale Herausforderungen, große Belastungen für die Heimleitung und die Pflegekräfte. All das hat der anonyme „besorgte Angehörige“ sicher auch gelesen und gewusst.

Auch ich bin eine „besorgte Angehörige“. Meine Mutter lebt seit einem Jahr im Haus Schönblick und fühlt sich dort sehr wohl. Auch ich hatte schreckliche Angst, dass meine Mutter Symptome zeigt, dass sie am Virus erkrankt und ich sie nicht besuchen kann. Auch ich habe mich gefragt, was hier gerade passiert? Was ist falsch gelaufen, was hätte anders laufen müssen? Wer hat im März geahnt, was da für eine Katastrophe auf die Menschheit zurollt?

Anfang März freuten sich die Bewohner, die Heimleitung, das Personal und die Angehörigen auf die Eröffnung des angrenzenden Neubaus. Ein großes Fest war geplant und musste abgesagt werden. Die Angehörigen durften nicht mehr zu Besuch kommen, ein persönlicher Kontakt war nur noch am Telefon möglich. Die Bewohner mussten in ihren Zimmern bleiben, Veranstaltungen im Haus waren gestrichen. Soziale Kontakte für die Bewohner waren nicht mehr möglich. Die Isolation war Fakt und die Einsamkeit enorm. Alles was die Menschen im Haus Schönblick so sehr schätzten, war nicht mehr da. Dazu kam, dass nicht nur die Bewohner erkrankten, sondern auch die Pflegkräfte. Immer wieder habe ich mich gefragt, was passiert, wenn das ganze System zusammenbricht und keiner mehr da ist, der die Bewohner versorgen kann? Die Hilflosigkeit der Situation war nervenaufreibend, auch für mich als „besorgte Angehörige“.

Was hat die Familie Kosel, als für das Haus Verantwortliche, in dieser Zeit emotional durchlebt? Trotz personellen Engpasses wurden die Heimbewohner gut versorgt, das Personal war freundlich und zuvorkommend, so wie die Menschen es gewohnt waren. Eine Herausforderung, bei der die Pflegekräfte und alle Mitarbeiter des Hauses psychisch und physisch täglich bis an ihre Grenzen gehen mussten. Dieser Leistung ist größte Hochachtung zu zollen. In dieser Zeit habe ich den Kontakt mit der Heimleitung gesucht. Dabei spürte ich, dass es den Verantwortlichen im Neibsheimer Pflegeheim wichtig ist, die Sorgen und die Ängste der Angehörigen zu kennen. Vor allem auch, deren Einschätzung über die Situation ihrer Angehörigen im Heim.

Kritik zu üben am Tun und Handeln ist gut, wenn sie ehrlich und konstruktiv ist. Warum hatte der „besorgte Angehörige“ nicht den Mut das persönliche Gespräch mit der Heimleitung zu suchen? Es ist aus meiner Sicht eine Frage des Stils, ob man in dieser durch Corona hervorgerufenen Extremsituation zusätzlich „Öl ins Feuer gießt“, eine persönliche Unterredung meidet und darüber hinaus noch anonym bleiben will.

Inge Sautter
Bruchsal-Helmsheim

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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