Interview mit Professor für Marketing, Medien und Consumer Culture
„Flut von Fake News erzeugt höhere Unsicherheit“

Björn Bohnenkamp. | Foto: Privat

Soziale Medien und private Messenger-Nachrichten sind in diesen schwierigen Zeiten eine wahre Fundgrube für Gerüchte, Halbwahrheiten und Verschwörungstheorien zum Thema „Coronavirus“. Björn Bohnenkamp, Professor für Marketing, Medien und Consumer Culture an der Karlshochschule in Karlsruhe, erklärt im Gespräch, welche Folgen das Verbreiten solcher Nachrichten haben kann.

Derzeit kursieren viele Falschmeldungen und Verschwörungstheorien zum Thema Coronavirus. Überrascht Sie diese Flut abstruser „Informationen“?
Nein. Abstruse Meinungen, Falschmeldungen und alle Arten von Gerüchten gibt es seit ewigen Zeiten. Dass wir diese Fake News als „Flut“ wahrnehmen, liegt ja in der Natur von Social Media: Früher hätte eine solche Außenseiterposition die Grenzen des eigenen Dorfes nicht überschritten, heute kann sie in kürzester Zeit massenweise geteilt werden. Und sie wird geteilt: Weil die Menschen in Zeiten höchster Unsicherheit nach allem suchen, was ihnen hilft, diese Unsicherheit zu bewältigen. Selbst, wenn man sich über eine Falschmeldung aufregt – wer teilt und kommentiert, sorgt durch die Algorithmen der sozialen Medien dafür, dass sich die Falschmeldung verbreitet.

Was ist der Zweck von „Fake News“?
Die Motive für das Erfinden von Fake News lassen sich gar nicht so leicht wissenschaftlich erforschen – oftmals kann man ja gar nicht leicht zurückverfolgen, woher bestimmte Nachrichten kommen und wer sie verbreitet hat – geschweige denn warum. In manchen Fällen lässt sich tatsächlich eine systematische Verbreitung von Fake News feststellen und einem politischen oder ideologischen Hintergrund zuordnen. Bei den Falschmeldungen, die zum Coronavirus im Umlauf sind, würde ich aber einen Ursprung vermuten: Eine Information (zum Beispiel der Zusammenhang zwischen Ibuprofen und Pandemie) wird falsch verstanden und trifft auf eine bestimmte Vorvermutung, eine Skepsis gegenüber traditionellen Medien, Politikern oder eine Affinität zu Verschwörungstheorien. Entsprechend wird die Information in eine emotionale Story eingebettet und diese verbreitet sich rasant.

Warum fällt es vielen so einfach auf „Teilen“ zu tippen?
Die Forschung zeigt seit langem, dass das entscheidende Kriterium dafür, dass sich Information in Social Media verbreitet, dessen Emotionalität ist. Auf Grund der Emotionalität erfolgt die Reaktion so schnell, dass die wenigstens darüber nachdenken, welche Konsequenzen das Teilen haben kann.

Welche Folgen könnte dieser Alarmismus haben?
Paradoxerweise erzeugt diese Flut von Fake News eine höhere Unsicherheit – und möglicherweise eine höhere Bereitschaft, beim nächsten Mal erneut einer falschen Information zu trauen. Eine Folge kann daher auch sein, dass die offiziellen Stellen einen massiven Aufwand betreiben müssen, damit Verhandlungsempfehlungen von den Leuten gehört und akzeptiert werden. Und ganz konkret in Sachen Corona kann es viele Folgen geben: Menschen halten sich nicht an das Abstandsgebot, weil sie die Krankheit verharmlosen, sie gefährden sich und andere durch falsches Verhalten bei Symptomen, oder sie nehmen mit ihren Anfragen Ressourcen bei den medizinischen Institutionen in Anspruch, die für wirklich Kranke zur Verfügung stehen sollten.

Wie können sich Menschen davor schützen, auf Falschmeldungen hereinzufallen?
Es gibt hier klare Kriterien, wie man Quellen untersuchen kann – das Landesmedienzentrum hat sie beispielsweise einmal zusammengestellt: Wie kann man Fake News erkennen? Gerade im Hinblick auf das Corona-Virus leisten übrigens die Fakt Checker von Correctiv sehr gute Arbeit: Faktencheck.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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