Christlich-jüdisch-islamische Dialoge gewünscht
"Runder Tisch" für Integration bringt zahlreiche Ideen hervor

An vier Themenstationen wurden im Brettener Rathaus Ideen zum Thema Integration entwickelt. Foto: hk
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Bretten (hk) Mit einer Gesamtbevölkerung von rund 30.000 Einwohnern lebt in Bretten eine vielfältige Gemeinschaft aus über 100 verschiedenen Nationen. Etwa ein Viertel der Einwohner hat keinen deutschen Pass. 36,6 Prozent insgesamt haben einen Migrationshintergrund, das heißt, sie selbst oder mindestens ein Elternteil sind nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren. Bezogen auf das gesamte Stadtgebiet liegt erwartungsgemäß die Kernstadt mit einem Ausländeranteil von 29,6 Prozent an der Spitze, gefolgt von den Stadtteilen Diedelsheim, Gölshausen und Rink-lingen mit Anteilen zwischen 21,2 und 26 Prozent. Dies könnte mit der Arbeitsmarktsituation in der Kernstadt und den angrenzenden Stadtteilen zusammenhängen, heißt es dazu im Zuwanderungs- und Integrationsbericht der Stadt Bretten.

Impulse und Ideen für ein gutes Zusammenleben wollten die Integrationsbeauftragten der Stadt Bretten, Katja Klotz und Bernhard Strauß, direkt von Brettener Bürgern mit Migrationshintergrund erfahren. Dazu fand am 16. April im Brettener Rathaus ein „Runder Tisch" für Integration statt, der – gemessen an der großen Zahl der Anwesenden – auf große Resonanz stieß. An der Veranstaltung nahmen nicht nur Bürgerinnen und Bürger mit und ohne Migrationshintergrund teil, sondern erfreulicherweise auch Entscheidungsträger wie Vertreter der Stadtverwaltung und lokaler Organisationen, die mit den gesammelten Ideen konkrete Maßnahmen umsetzen können.

Bedarf an berufsbezogenen Sprachkursen und Anerkennung von Qualifikationen

Der Themenbereich „Arbeitsleben“, moderiert von SPD-Stadtrat Valentin Mattis, brachte eine vielfältige Diskussion hervor. Während einige Teilnehmer positive Kontakterfahrungen mit dem Jobcenter hervorhoben, wurde gleichzeitig das Fehlen spezifischer Angebote für Berufstätige, insbesondere berufsbezogener Sprachkurse, kritisiert. Als Lösungsansatz wurde vorgeschlagen, Unternehmen zu ermutigen, berufsbezogene Sprachkurse in den Betrieben anzubieten und Sprachkurse für Auszubildende mit Migrationshintergrund einzuführen. Auch die langwierige Anerkennung von Berufs- und Bildungsabschlüssen wurde bemängelt. Die Teilnehmer unterstrichen die Anerkennung von Qualifikationen statt nur von Zertifikaten, um den Integrationsprozess zu erleichtern. Da-rüber hinaus wurde die Idee einer eigenen Unternehmensform für Geflüchtete diskutiert. Damit, so Mattis, könnte etwa ein Schneider unter erleichterten Bedingungen ein Kleinunternehmen gründen, wenn er keine adäquate Stelle findet.

Stärkere Vernetzung und Präsenz von Hilfsangeboten gewünscht

In der Diskussion zum Themenbereich „Beratung und Information“ wurde unter anderem der Wunsch nach einer stärkeren Vernetzung der Beratungs- und Informationsstellen geäußert. Birgit Eisenhuth-Meister, Leiterin des Fachbereichs Psychologische Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche im Diakonischen Werk, nahm die Anregungen auf und berichtete, dass darüber hinaus der Wunsch bestehe, die sozialen Angebote vor allem in den Schulen und bei den Lehrern präsenter zu machen. Weitere konkrete Vorschläge wurden gemacht, wie die, dass Beratungsstellen ihre Präsenz erhöhen könnten, unter anderem durch den Einsatz von Streetworkern als "professionelle" Ergänzung zum ehrenamtlichen "Kümmerer". Ein Lob wurde der "Integreat"-App ausgesprochen, die als gutes Hilfsmittel hervorgehoben wurde. Ein Vorschlag war auch, dass die Beratungsstellen ihre Klienten stärker an die Hand nehmen sollten, statt sie nur weiterzuvermitteln: Damit ist gemeint, dass die Beratungsstellen ihre Klienten zur nächsten Hilfseinrichtung begleiten und das Problem gemeinsam angehen.

Ideen für neue Begegnungsmöglichkeiten und Aktivitäten vorgeschlagen

Unter der Leitung von Pfarrer Gunter Hauser wurden Begegnungsmöglichkeiten für den interkulturellen Austausch diskutiert. Einige erfolgreiche Begegnungsorte wie das Café International und das Himmlische Fest im Stadtpark wurden positiv hervorgehoben, wobei letzteres in diesem Jahr leider ausfallen müsse, wie Hauser mitteilte. Besonders starkes Interesse wurde an neuen Begegnungsformaten gezeigt, darunter christlich-jüdisch-islamische Dialoge sowie gemeinsames Kochen. Weitere Ideen drehten sich um praktische Aktivitäten wie zum Beispiel eine Fahrradwerkstatt oder Do-it-yourself-Projekte. Auch gemeinsames Musizieren, Sporttreffs und ein Reparaturcafé wurden ins Gespräch gebracht. Eine Überlegung war, ob die Hemmschwelle für den Besuch von – für Migranten oft fremden – Begegnungsangeboten gesenkt werden kann, indem die Angebote monatlich wiederholt werden. Auch die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten wurde als wichtiger Aspekt des Zusammenlebens genannt. Es wurde auch der Wunsch geäußert, das Peter-und-Paul-Fest in verschiedenen Sprachen zu bewerben. Zudem wurde angeregt, Möglichkeiten für Menschen mit geringem Einkommen zu schaffen, auch ohne Eintritt am Fest teilnehmen zu können.

Vorschläge zur Förderung von Bildung und Sprache

Abschließend sprach Erzieherin Anna-Lena Nowak über die in den Diskussionsrunden entstandenen Ideen zum Thema "Bildung und Sprache". Die Pädagogin stellte fest, dass es mehr Angebote für Fortgeschrittene geben müsse. Die Erfahrung zeige, dass das Erlernen einer Sprache ohne regelmäßige Anwendung schnell wieder verloren gehe. Dies gelte auch für Erwachsene. "Wenn man zum Beispiel das Sprachniveau B1 erreicht hat und die Sprache nicht mehr regelmäßig anwendet, dann ist sie einfach weg", erklärte sie. Um diesem Phänomen entgegenzuwirken, wurden bereits konkrete Vorschläge aus der Bürgerschaft diskutiert. Dazu gehören beispielsweise Sprachspaziergänge bei Sonnenaufgang mit Frühstück, die nicht nur die Sprachpraxis, sondern auch die soziale Interaktion fördern. Im Bereich der frühkindlichen Bildung wurde die Idee von Vorlesestunden in den Herkunftssprachen der Kinder, wie zum Beispiel Türkisch, angeregt. Sponsoren könnten bei der Finanzierung von sprachfördernden Elementen helfen. Ein Beispiel dafür sei das Kamishibai, ein Erzähltheater, das allerdings sehr teuer sei, so Nowak.

Autor:

Kraichgau News aus Bretten

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