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Expert*Innen informierten zu: Schlaganfall
Bewegungsstörungen, Langzeitfolgen – in der Schlaganfall-Nachsorge ist meist Luft nach oben

Schlaganfall Intensiv-Therapie. | Foto: Hand- und Ergotherapie Laborn GbR
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Während die Akutversorgung nach einem Schlaganfall in Deutschland flächendeckend gut organisiert ist, besteht nach Erkenntnissen der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe bei der anschließenden Behandlung Nachholbedarf. Das gilt insbesondere für die Therapie von Bewegungsstörungen wie Lähmungen oder Spastiken. So könnten zum Beispiel mehr Patientinnen und Patienten von einer intensiven und spezialisierten Reha-Behandlung profitieren. Und auch wenn der Schlaganfall lange zurückliegt, lassen sich mit intensiver Therapie noch Fortschritte erzielen und die Lebensqualität verbessern. Zu den Therapiemöglichkeiten nach einem Schlaganfall informierten Expertinnen und Experten der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe in der Sprechzeit. Hier wichtige Fragen und Antworten zum Nachlesen:

Mein Mann liegt nach einem Schlaganfall in der Akutklinik. Was muss ich beachten, damit er anschließend die bestmögliche Therapie bekommt?
Susann Schutter: In der Regel wird sich der Sozialdienst der Klinik darum kümmern, dass Ihr Mann einen Rehaplatz erhält. Nach Möglichkeit sollte sich die Reha direkt anschließen, damit die Therapien so früh wie möglich beginnen können. Wichtig ist, dass Schlaganfall-Patienten eine spezielle neurologische Rehabilitation erhalten. Dort ist die Therapiedichte höher als zum Beispiel in einer geriatrischen Reha.

Mein Hausarzt hat mir nach der Schlaganfall-Reha weiter Ergotherapie verschrieben. Wie finde ich eine geeignete Praxis?
Tina Laborn: Das ist gar nicht so leicht. Sie sollten sich auf jeden Fall vorher erkundigen, ob die Praxis auf neurologische Patienten spezialisiert ist. Wenn es um die Verbesserung der Armfunktionen nach einem Schlaganfall geht, bringen moderne, robotergestützte Geräte die größten Fortschritte. Und natürlich hilft es immer, sich im Bekanntenkreis umzuhören oder Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe aufzunehmen.

Vier Monate nach meinem Schlaganfall kommt es immer mehr zu schmerzhaften Verkrampfungen am Handgelenk. Warum?
Priv.-Doz. Dr. med. John-Ih Lee: Spastische Bewegungsstörungen sind eine verzögert eintretende Folge eines Schlaganfalls. Durch die Schädigung des Gehirns kommt es zu einer Störung in der Steuerung der Muskulatur. Die Folge ist eine unwillkürliche, mehr oder weniger ausgeprägte Anspannung der betroffenen Muskeln. Spastiken treten besonders häufig drei bis sechs Monate nach dem Schlaganfall auf. Im Einzelfall können sie wieder abnehmen. Oft haben sie jedoch die Tendenz, sich zu verschlechtern und sollten deshalb unbedingt neurologisch untersucht und behandelt werden.

Meine Hausärztin hat mir eine Orthese für den gelähmten Arm verordnet. Heißt das, therapeutisch ist da nichts mehr zu machen?
Jochen Steil: Früher kamen Hilfsmittel häufig erst zum Einsatz, wenn nichts mehr anderes ging. Mittlerweile ist dieses Vorgehen jedoch wissenschaftlich widerlegt. Heute gilt: Notwendige Hilfsmittel sollen so schnell wie möglich nach dem Schlaganfall eingesetzt werden. Sie erleichtern den Alltag und bringen Lebensqualität zurück. Manchmal können sogar erst durch die Orthese in Verbindung mit intensiver Therapie neue Rehabilitationsziele geschaffen werden. Bei der Hand sollte allerdings penibel darauf geachtet werden, dass die Orthese auf keinen Fall die funktionelle Nutzung der Hand beeinträchtigt. In jedem Fall empfehle ich zur Schienenversorgung eine intensive ergo- und physiotherapeutische Unterstützung.

Vor einem halben Jahr hatte ich einen Schlaganfall. Ich bin rechtsseitig gelähmt und mache trotz Physiotherapie beim Gehen keine Fortschritte mehr. Was kann ich tun?
Susann Schutter: Wer gehen lernen will, muss gehen. Sie benötigen auf jeden Fall eine Praxis mit erweiterten Kenntnissen in der Behandlung neurologischer Erkrankungen wie einem Schlaganfall. Sehr wichtig ist die Ausstattung unter anderem mit einem Laufband, einem Gangtrainer oder einem Gangroboter. Sie sollten selbstständig täglich gehen und sich gegebenenfalls in einem Sanitätshaus mit neurologischer Kompetenz beraten lassen, welche Hilfsmittel unterstützen können.

Meine Frau erhält ambulante Physio- und Ergotherapie, doch sie bräuchte mehr Training. Hat sie einen Anspruch darauf?
Gabriele Reckord: Das kommt auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf den jeweiligen Bedarf, die Prognoseerwartung und das Therapieziel. Der Anspruch richtet sich für Kassenpatienten nach §32 SGB V. Physio- und Ergotherapie können in begründeten Fällen als Doppelbehandlung verordnet werden. Heilmittel können je nach Einzelfall von vornherein für die Dauer eines Jahres nach dem Akutereignis und außerhalb des ärztlichen Budgets verordnet werden. Nach Ablauf dieses ersten Jahres bestehen im Einzelfall Verlängerungsoptionen für weitere Jahre. Sprechen Sie dazu am besten ihren behandelnden Arzt oder Therapeuten an.

Mein Hausarzt hat mir Physiotherapie gegen die Spastiken verordnet – das hilft aber kaum. Gibt es andere Möglichkeiten?
Priv.-Doz. Dr. med. John-Ih Lee: Es gibt auch wirksame medikamentöse Behandlungen für spastische Bewegungsstörungen. Sie sollten sich bei einem Neurologen vorstellen. Dieser entscheidet dann, welche medikamentöse Therapie für Sie sinnvoll ist und überweist Sie gegebenenfalls an eine Botulinumtoxin-Ambulanz. Durch eine lokale, medikamentöse Behandlung der betroffenen Extremität in Verbindung mit Physiotherapie lassen sich oft erstaunliche Verbesserungen erzielen.

Seit meinem Schlaganfall gehe ich am Rollator, was mir sehr unangenehm ist. Gibt es andere Möglichkeiten, das Gehen zu stabilisieren?
Jochen Steil: Es gibt immer mehr Hilfsmittel, die das Gehen verbessern können. Angefangen von eher statischen Orthesen, die einen Sturz vermeiden sollen, bis hin zu komplexen technischen Lösungen wie der funktionellen Elektrostimulation, die den fehlenden Bewegungsimpuls an den Nerv sendet. Sie sollten sich zunächst in einem Sanitätshaus mit neurologischer Kompetenz beraten lassen. Sanitätshäuser, die sich mit neurologischen Krankheitsbildern auseinandersetzen, verfügen meist über Fitting-Kits, welche die Auswahl und Erprobung des richtigen Hilfsmittels für Sie vereinfachen. Freies Gehen mit einer Orthese erfordert Übung. Ich würde empfehlen, einen Physiotherapeuten in den Versorgungsprozess einzubeziehen, um ein optimales Ergebnis zu erreichen.

Mein Schlaganfall liegt mehr als drei Jahre zurück und ich habe das Gefühl, dass ich mit meinem gelähmten Arm keine Fortschritte mehr erziele. Was kann ich tun?
Tina Laborn: Helfen kann hier wahrscheinlich eine Intensiv-Therapie, bei der Patienten über einen Zeitraum von zwei oder drei Wochen täglich mehrere Stunden trainieren. Das geschieht an Robotik-Geräten, mit denen die Therapie richtig Spaß macht. Durch die hohe Intensität erzielen viele Patienten auch lange Zeit nach dem Schlaganfall Erfolge. Es gibt einige wenige Praxen und Einrichtungen in Deutschland, die eine robotergestützte Intensiv-Therapie anbieten.

Eine Bekannte hat an einem Intensivtraining teilgenommen. Meine Krankenkasse meint jedoch, sie kann das nicht bewilligen. Wer kann mir helfen?
Gabriele Reckord: Es gibt Leistungen, die eine Krankenkasse bewilligen muss und solche, die sie bewilligen kann. Zweckmäßig ist stets die schriftliche Stellungnahme des behandelnden Facharztes, aus der hervorgeht, warum, wie und mit welcher konkreten Erwartung das Intensivtraining der Standardtherapie bei der vorliegenden Erkrankung samt Schädigungsbild überlegen und notwendig ist. Die Kasse muss überdies dem Patienten helfen, sinnvolle Anträge zur Bewilligung zu bringen. Zusätzlich hat sich im Bedarfsfall sozialrechtliche Unterstützung bewährt, sei es durch Einschaltung eines Fachanwalts oder von Beratungsstellen der Sozialverbände, zum Beispiel des VdK oder des SoVD.

Mehr zum Thema
• Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe: www.schlaganfall-hilfe.de

Die Expertinnen und Experten der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe in der Sprechzeit waren:
Priv.-Doz. Dr. med. John-Ih Lee; Leitender Oberarzt, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Sprecher des Neurovaskulären Netzwerkes Nordrhein plus (NEVANO+)
Jochen Steil; Leiter Technische Orthopädie, Orthopädie Brillinger, Tübingen
Susann Schutter; Leitende Physiotherapeutin, P.A.N. Zentrum für Post-Akute Neurorehabilitation, Berlin
Tina Laborn; Bachelor Professional of Health & Social Services, Hand- und Ergotherapie Laborn GbR, München
Gabriele Reckord; Fachanwältin für Medizinrecht und Familienrecht, Mediatorin, Gütersloh

Autor:

Kraichgau News Ratgeber aus Bretten

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