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Von Bluthochdruck bis Demenz
Schlafstörungen sind Krankmacher

Dr. Heinz-Jürgen Träger,
Arzt für Naturheilkunde und Allgemeinmedizin / Bad Mergentheim. | Foto: Privat
  • Dr. Heinz-Jürgen Träger,
    Arzt für Naturheilkunde und Allgemeinmedizin / Bad Mergentheim.
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Wie tiefgreifend der Zusammenhang zwischen Nachtruhe und sowohl körperlicher als auch mentaler Gesundheit ist, wird in den letzten Jahren durch Forschungen der sogenannten Chronobiologie immer deutlicher. Wir sprachen mit dem Arzt für Naturheilkunde und Allgemeinmedizin, Dr. Heinz-Jürgen Träger aus Bad Mergentheim über den Zusammenhang zwischen anhaltenden Schlafstörungen und erhöhtem Blutdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Alzheimer und anderen Demenzformen. Und wir fragten, wie retardiertes Melatonin, das berühmte „Dunkelheitshormon“, die innere Uhr wieder in den Takt bringen kann.

Herr Dr. Träger, wie kam man auf einen Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Bluthochdruck?
Nun, einfach weil Statistiken zeigen, dass etwa 40 Prozent der über 55-Jährigen an Schlafproblemen leiden. Etwa 30 Prozent dieser Altersgruppe weisen einen dauerhaften Bluthochdruck auf. Als man hier näher nachgeforscht hat war schnell klar, wie deutlich ein funktionierender Schlaf-/Wachrhythmus eine geradezu grundlegende Bedingung für die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems ist.

Kennt man den Zusammenhang hierzu?
Nun, bei gesunden Menschen fällt der Blutdruck nachts um etwa 10 Prozent ab – sofern der Schlaf ungestört und in seinem Ablauf normal ist. Liegen jedoch Schlafstörungen vor, unterbleibt diese Absenkung. Statt sich zu erholen, schüttet der Organismus weiterhin Stresshormone wie Cortisol aus und belastet das Herz-Kreislaufsystem. Leider gilt das auch anders herum: Dauerhafter Bluthochdruck kann einen erholsamen, natürlichen Nachtschlaf verhindern. Und die dadurch entstehende Dauerbelastung von Herz und Gefäßen kann langfristig weitreichende Konsequenzen haben.

Gibt es hierzu Zahlen?
Aber ja! Bluthochdruckpatienten haben ein 1,59-faches Risiko für arterielle Erkrankungen, ein 1,36-faches für Herzinfarkt und ein 1,22-faches für Schlaganfall. Selbst Diabetes und Krankheiten wie Alzheimer und Demenz werden mit Schlafstörungen in Zusammenhang gebracht.

Nun wird ja viel über das sogenannte Schlafhormon, über Melatonin, gesprochen. Wie sehen da die Zusammenhänge aus?
Ein gesunder, erholsamer Schlaf – wir sprechen da von einem intakten circadianen Rhythmus – wird in der Tat hauptsächlich durch Melatonin gesteuert. Bei einsetzender Dunkelheit wird es von der im Zwischenhirn liegenden Zirbeldrüse gebildet, löst eine gesunde Müdigkeit aus und leitet durch sein Absinken gegen Ende der zweiten Nachthälfte das ein. Wir sehen bei Studien, dass bei Bluthochdruckpatienten vielfach ein Mangel an Melatonin vorliegt.

Wäre es dann nicht sinnvoll, Melatonin per Tabletten zuzuführen?
Grundsätzlich ja. Allerdings muss diese Zufuhr die natürliche Melatoninproduktion sozusagen kopieren. Die einzige Zubereitungsform, die während der Nacht eine solche gleichmäßige Freisetzung garantiert, bezeichnen wir als 'retardiert'. Nur eine solche retardierte Freisetzung löst einen natürlichen, naturidentischen Schlaf mit allen seinen teils sehr unterschiedlichen Phasen aus. Ich betone immer wieder, dass wir hier nicht von eine Schlafmittel sprechen, sondern von einem Chronotherapeutikum, einem Mittel, das die innere Uhr wieder in ihren Takt bringt.

Selbst Demezerkrankte sollen profitieren – stimmt das?
Ja, das ist richtig. Während der Erforschung von Demenz- und ihrer speziellen Ausprägung, der Alzheimerkrankheit fiel schon frühzeitig auf, dass die Melatoninwerte häufig verringert waren. Wir sehen nun in Studien, dass Alzheimerpatienten, werden sie über 24 Wochen mit retardiertem Melatonin behandelt, eine deutlich verbesserte Gedächtnisleistung aufweisen. Auch das Wach-/Schlafverhalten, das bei vielen Alzheimerpatienten ja sehr zum Leidwesen von Angehörigen und Pflegepersonal komplett irregulär zu werden droht, kann häufig wieder in normale Bahnen zurückgebracht werden.

Wie schnell tritt die Wirkung von retardiertem Melatonin ein?
Wie schon gesagt, ein solches Chronotherapeutikum ist kein Schlafmittel. Retardiertes Melatonin verhilft zu einem normalen, den Ansprüchen des Organismus' entsprechenden Schlafverhalten. Dies braucht Zeit. Die ersten Anzeichen einer Besserung setzen recht schnell ein, es kann aber durchaus etwa 14 Tage dauern, bis sich der Schlafrhythmus normalisiert. Und ich will auch betonen, dass circadiane Störungen und ihre vielfältigen Folgen meist komplexe Gesundheitsprobleme darstellen. Eine Therapie mit retardiertem Melatonin gehört grundsätzlich in die Hand eines Arztes. Von dubiosen Internetangeboten und Mitteln fraglicher Herkunft sollten Patienten im eigenen Interesse lieber Abstand nehmen.

Autor:

Kraichgau News aus Bretten

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