Der oberste Bevölkerungsschützer im Landkreis, Jürgen Bordt, rät zu privater Notfallvorsorge ohne Panikmache
Ein großer Blackout wäre das Schlimmste
REGION (ch) Die von Hochwasser- und Starkregenereignissen der vergangenen Jahre angerichteten Sachschäden haben viele Betroffene schockiert. Land- und Forstwirte kämpfen teils heute noch mit den Folgen des Dürresommers 2018, während in diesem Sommer ungewöhnlich heftige Stürme in einigen Regionen neues Unheil angerichtet haben. Von Berufs wegen hat der seit 1. Januar amtierende Leiter des Amts für Bevölkerungsschutz im Landkreis Karlsruhe, Kreisbrandmeister Jürgen Bordt, einen nüchternen Blick auf Gefahrenlagen aller Art. Der 48-jährige studierte Maschinenbauingenieur aus Östringen ist für das frühzeitige Erkennen, die Vorbeugung und die koordinierte Bewältigung von Großschadenslagen zuständig. Wir haben ihn nach seinen Einschätzungen gefragt.
Herr Bordt, stimmt es, dass die Welt in den letzten Jahren unsicherer geworden ist?
Jürgen Bordt: Wo es eine Häufung gibt, das sind die Naturgefahren. Das ist nachweisbar und hängt mit dem Klimawandel zusammen. Im Bereich Gebäudebrände wird die Welt eher sicherer, seitdem Ende Dezember 2014 die Rauchmelderpflicht eingeführt worden ist. Das hat dazu geführt, dass die Anzahl der Brandtoten und -verletzten geringer geworden ist.
Und wie sieht es mit Risiken im politischen, technischen oder wirtschaftlichen Bereich aus?
Die sind bei uns im ländlichen Raum noch einigermaßen abstrakt. Aber wenn ich zum Beispiel von Hackerangriffen auf Unternehmen höre … Wir haben ja auch im ländlichen Raum einige namhafte, weltweit agierende Firmen. Vor allem aber habe ich die Versorgungsunternehmen im Blick.
Die Kernkraftwerke Philippsburg und Neckarwestheim sind ja weniger als 40 Kilometer von Bretten entfernt. Wie schätzen Sie die Gefahr eines Reaktorunglücks oder terroristischen Angriffs ein?
Die genannten Anlagen sind bereits im Rückbau beziehungsweise werden nur noch für einen überschaubaren Zeitraum betrieben. Wir werden dann in unserem unmittelbaren Zuständigkeitsbereich keine aktiven Reaktoren mehr haben. Bei kerntechnischen Gefahren müssen aber auch Anlagen in größerer Entfernung betrachtet werden, das heißt auch bei unseren europäischen Nachbarstaaten.
Was ist derzeit Ihre größte Sorge?
Das schlimmste Szenario, das man sich vorstellen könnte, wäre ein langanhaltender, flächendeckender Stromausfall. So etwas hatten wir ja auch schon mal im November 2005 in Norddeutschland. Das war relativ dramatisch, als im sogenannten Münsterländer Schneechaos eine Viertelmillion Menschen mehrere Tage lang ohne Strom waren.
Welche Auswirkungen hätte ein flächendeckender, langer Blackout?
Der hätte relativ schnell den Zusammenbruch der Versorgungsinfrastruktur zur Folge, von der Lebensmittel- über die Wasser- bis zur medizinischen Versorgung. Heutzutage hängt ja alles von der Stromversorgung ab.
Und wie würde sich das im privaten Bereich bemerkbar machen?
Denken Sie an die Einkaufsmöglichkeiten: Die Kühltruhen fallen aus, die Türen zu den Lebensmittelmärkten gehen nicht mehr auf, die Kassen auch nicht. Aber das größte Problem sind die Lieferketten: Tankstellen fallen aus, es gibt keinen Sprit mehr, es kommt zum Verkehrschaos. Die Leute haben ja heute nichts mehr zuhause, früher hat man noch ein bisschen Vorratswirtschaft gehabt.
Und mal eben Freunde oder Verwandte anrufen, funktioniert wahrscheinlich auch nicht mehr, oder?
Heute sind wir gewohnt, uns per Handy abzusprechen. Aber der Telefonverkehr fällt dann von jetzt auf gleich weg. Oder da, wo er noch eine Weile funktioniert, sind die Leitungen völlig überlastet. Und das führt dann natürlich zu großer Verunsicherung.
Sehen Sie weitere Risiken?
Ja, durch den Klimawandel kommen Dinge ins Blickfeld, die wir so noch nicht hatten, zum Beispiel Waldbrände. Förster sagen uns: Die Wälder sind trocken. Und es gibt Baumarten, die brandgefährdeter sind als andere.
Wie gut sind der Landkreis und die Kommunen auf solche Herausforderungen vorbereitet?
Die Vorbereitungen bestehen im Wesentlichen aus Planungen. Um mit Großschadenslagen umgehen zu können, haben wir spezielle Verwaltungsstrukturen geschaffen. Im Notfall tritt ein Verwaltungsstab aus den meisten Führungskräften der Landkreisverwaltung unter Vorsitz des Ersten Landesbeamten zusammen. Da sitzen dann alle an einem Tisch und können Verwaltungsentscheidungen auf diese Weise beschleunigen.
Würde ein Stromausfall Ihre Behörde nicht genauso treffen?
Das Landratsamt ist schon jetzt teilweise mit Notstrom versorgt. Das wird mit dem geplanten Neubau noch verbessert. Insgesamt sind wir schon gut vorbereitet. Aber ein großer Stromausfall wäre schon eine Riesenherausforderung.
Wie sieht es bei den Kommunen aus?
Bei den Gemeinden ist es so, dass sie sich zunehmend mit der Notfallvorsorge beschäftigen. Aktuell fragen wir gerade den Planungsstand ab. Es gibt Städte und Gemeinden, die da schon weiter sind, andere haben noch Nachholbedarf.
Ist nach Ihrem Eindruck das Bewusstsein für die gewachsenen Risiken auch in der breiten Bevölkerung angekommen?
Nein, nach meinem Eindruck überhaupt nicht. Man verdrängt das im Alltag. Im Moment ist ja alles da. Aber dann könnte es ein böses Erwachen geben.
Was sollten die Bürger denn tun, um sich auf Krisensituationen vorzubereiten?
Erst einmal sollten sie sich gedanklich darauf einlassen, dass so etwas nicht mehr ausgeschlossen ist. Nehmen wir das Thema Strom: Strom kommt aus der Steckdose. Aber was wäre, wenn er nicht mehr kommt?
Nun gibt es auch Zeitgenossen, die bei solchen Themen gerne Weltuntergangsstimmung verbreiten. Wo ist die Grenze zwischen vernünftiger Vorsorge und Panikmache?
Bei der Notfallvorsorge gibt es die Empfehlung, für zehn Tage Lebensmittel vorzuhalten. Das halte ich für berechtigt. Denn in solchen Fällen wird es schwierig, die ganze Bevölkerung zu versorgen. Aber es gibt auch die sogenannte Prepper-Szene. Diese Leute überziehen völlig, wenn sie zum Beispiel einen ganzen Keller voller Lebensmittel horten. Grundsätzlich leben wir in einer sehr sicheren Umgebung und müssen uns nicht ständig vor dem Weltuntergang fürchten.
Wie sieht also eine pragmatische, unaufgeregte Notfallvorsorge aus?
Man sollte sich Kenntnisse aneignen beispielsweise zum richtigen Verhalten im Brandfall und zur Ersten Hilfe. Das nützt einem ja auch im Alltag. Das sind Fähigkeiten, die aktuell sehr gering ausgeprägt sind in der Bevölkerung. Man denkt immer: Dafür gibt´s ja einen Arzt, den Rettungsdienst oder die Feuerwehr. Aber in Notfällen muss man oft sich, seiner Familie und seinen Nachbarn erst einmal selbst helfen.
Was tun Sie persönlich als Privatmann, um auf Krisenfälle vorbereitet zu sein?
Für mich und meine Familie ist das Thema durch meinen Beruf natürlich allgegenwärtig. Ich weiß, dass ich bei einer Großgefahrenlage gebunden wäre. Deshalb ist es mir wichtig, dass meine Familie gut vorbereitet ist. Meine Frau ist ausgebildete Feuerwehrfrau, mein Sohn geht zur Jugendfeuerwehr. Daheim haben wir ein kleines, tragbares Notstromaggregat und einen kleinen Vorrat an Taschenlampenbatterien und Kerzen.
Welche Ratschläge haben Sie darüber hinaus für Privatleute?
Für Eigentümer gibt es zum Beispiel vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz Hinweise, wie man sein Gebäude vor Starkregen und Sturm schützen kann, etwa durch Rückstauklappen in den Abwasserrohren. Ich empfehle Privatleuten auch den „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“. Der ist recht umfassend und behandelt auch richtiges Verhalten bei Unwettern. Man kann ihn kostenlos bestellen oder im Internet herunterladen.
Die Fragen stellte Chris Heinemann
Autor:Chris Heinemann aus Bretten |
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