"Social Horror" in den vier Wänden
Drama "Fellwechselzeit" wurde 2018 in Bretten gedreht

Der Film zeigt Stephanie, die in einer von Kriegstraumata geprägten Familie aufwächst.  | Foto: Filmakademie Baden-Württemberg
  • Der Film zeigt Stephanie, die in einer von Kriegstraumata geprägten Familie aufwächst.
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Bretten/New York (kuna) Wer an Bretten denkt, der denkt wohl zunächst an eine pittoreske Altstadt, an Fachwerkhäuser und verwinkelte Gassen. Doch was sich hinter der schönen Fassade abspielt, bleibt in der Regel ungesehen. Die Autorenfilmerin Sabrina Mertens macht eben jenes in ihrem Drama "Fellwechselzeit" sichtbar. Der Film wurde 2018 in der Melanchthonstadt gedreht und wird nun auch in Übersee ausgestrahlt. Unter dem englischen Titel „Time of Moulting“ läuft die Kino-Premiere in den Vereinigten Staaten an, den Auftakt bildete die Vorführung in New Yorks bekanntestem Stadtteil Brooklyn.

Düsteres und unheimliches Drama

Das düstere Drama zeigt Deutschland in der Nachkriegszeit. Mertens reduziert die Geschichte ihres – auch als "Social Horror" betitelten – Spielfilms auf die verschlossenen vier Wände einer Kleinfamilie. Bretten wird dabei zu einer anonymen Kleinstadt der 1970er und 1980er Jahre. Tochter Stephanie wächst darin auf, abgeschottet und isoliert. Wird sie zunächst noch als lebhaftes und intelligentes Kind gezeigt, so driftet sie durch das distanzierte und wortkarge Verhältnis zu ihren Eltern zunehmend in eigene Fantasiewelten ab. Eine düstere und unheimliche Atmosphäre prägt die Bilder des Films.

Studentisches Filmprojekt

Dass das Drama in Bretten gedreht wurde, wird dem Zuschauer nicht ersichtlich, besondere Merkmale der Stadt tauchen darin nicht auf. Der starre Blick der Kamera und die langen Einstellungen – der Film kommt ganz ohne Kamerafahrten aus – bleibt überwiegend im Innenraum verhaftet, selbst einzelne Aufnahmen im Innenhof bieten kein Vordringen in die Außenwelt. Entstanden ist der Film als studentisches Projekt an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg.

Gedreht in der Weißhofer Straße

Warum diente also ausgerechnet Bretten als Drehort? „Weil wir hier die perfekte Location gefunden haben“, erklärt Mertens gegenüber der Brettener Woche/kraichgau.news. Dabei handle es sich um ein Haus in der Weißhofer Straße. "Dort gab es eine unbewohnte Wohnung, die noch mit Möbeln und Gegenständen aus allen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, oder sogar noch von davor, gefüllt war. Allein schon die Wohnzimmereinrichtung im Stil der 1950er Jahre war perfekt", berichtet Mertens.

Glücksfund über Facebook

Auf diesen Glücksfund habe sie Nachbar Sascha Oehme aufmerksam gemacht, der das Facebook-Gesuch von Mertens gesehen und sie kontaktiert habe. „Die Hausbesitzerin lebte im Altenheim, wir haben sie mit Herrn Oehme besucht und um Erlaubnis zum Drehen gefragt", so die Regisseurin. Nachdem die Frau zugestimmt hatte, sei mit ihrer Tochter ein Motivvertrag aufgesetzt worden. Dabei handelt es sich um einen Vertrag, der die Rechte zur Nutzung einer bestimmten Location für die Dreharbeiten regelt.

"Wie in einer magischen Zeitkapsel"

In dem Haus hätte das Team daraufhin weitere Gegenstände vorgefunden, die zu der düsteren Atmosphäre des Filmes gepasst haben. „Wundersamerweise fand ich im Haus und auf dem Dachboden sehr viele eher ungewöhnliche Requisiten, die auch im Drehbuch vorkamen, zum Beispiel Schlachterutensilien“, schildert Mertens und ergänzt: „Wir fühlten uns wie in einer magischen Zeitkapsel, die jeden Tag neue Überraschungen bereithielt. Und auch im Film geht es ja um eine Familie, die in der Zeit gewissermaßen verharrt.“

Große Unterstützung durch Brettener

Während der Dreharbeiten habe das Filmteam auch vonseiten der Brettener große Unterstützung erfahren, erinnert sich Mertens. Allen voran habe Oehme bei den Dreharbeiten immer wieder immens geholfen. "Ohne ihn wäre der Film so nicht zustande gekommen", sagt Mertens. Er habe in dem Film sogar eine kleine Rolle übernehmen dürfen, „die ist aber leider dem Schnitt zum Opfer gefallen." Die vielen Helfer aus Bretten sind auch im Abspann des Films namentlich verewigt. „Ganz besonders dankbar sind wir Heike Zickwolf", sagt Mertens. "Sie stellte Räumlichkeiten zum Übernachten bereit, in denen fast das ganze Team untergebracht werden konnte und spendete Backwaren für unser Catering." Daneben habe es weitere Brettener gegeben, die Gästezimmer zum Übernachten bereithielten. Und auch was das leibliche Wohl der Filmcrew oder die Requisiten betraf, habe es Unterstützung gegeben. "Der Imbiss 'Herr der Döner' unterstützte uns mit Essensspenden und beim Second-Hand-Kaufhaus W54 konnten wir kostenlos Requisiten ausleihen." Mit einer dreistelligen Summe habe zudem die Stadt Bretten geholfen.

Weltpremiere fand 2020 statt

In der Filmszene hat "Fellwechselzeit" bereits einige Beachtung gefunden. Die Weltpremiere fand 2020 im Rahmen des Filmfestivals "Max Ophüls Preis" in Saarbrücken statt, kurz darauf folgte die internationale Premiere auf dem Filmfestival "IFFR" in Rotterdam. Aufgrund der Pandemie erfolgten weitere Festivalteilnahmen online, darunter Vorführungen in Spanien und Kanada. Auch in der Presse fand der Film überwiegend positive Resonanz.

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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