Musik als Lebenselexier
Kraichgau Jazzfestival präsentierte Künstler von internationalem Format

Samantha Wright entlockte der Klarinette nicht nur Töne, sondern Emotionen; hier mit Tilman Oberbeck, Kontrabass, aus Unteröwisheim stammend | Foto: martin stock
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  • Samantha Wright entlockte der Klarinette nicht nur Töne, sondern Emotionen; hier mit Tilman Oberbeck, Kontrabass, aus Unteröwisheim stammend
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Das Internationale Kraichgau Jazzfestival 2020/21 musste im vergangenen Jahr wegen Corona abgebrochen werden. Jetzt konnte das Festival seine Fortsetzung finden mit weiteren vier Konzerten in Ubstadt, Kraichtal und Bretten.
Das Eröffnungskonzert, eine Matinee in der Kelter in Ubstadt, bestritt die Klarinettistin Samantha Wright mit ihrer Band Sophia Oster (Piano) Tilman Oberbeck (Kontrabass) und Jan Philipp Meyer (Schlagzeug).

A Name to watch! – Diesen Namen muss man sich merken!

„Ihren Namen muss man sich merken“, schreibt die Fachpresse über die Klarinettistin und bezeichnet Wright als „Name to watch“. Die vier bewiesen ihr Können vor einem sehr interessierten und fachkundigen Publikum. Der Kulturkreis Ubstadt-Weiher hatte das Konzert bestens vorbereitet und durchgeführt. Da wippten die Füße der Zuhörerinnen und Zuhörer, zuckten die Hände, bewegten sich die Oberkörper im Rhythmus und nickten die Köpfe. Den Gästen war es anzumerken, es war eine große Lust und Freude den Vier auf der Bühne zuzuhören und zuzuschauen. Diese Freude entlud sich regelmäßig in kräftigem und zum Teil langanhaltendem Applaus, auch und gerade bei den Solos, und natürlich ganz besonders am Schluss des Konzertes, als das Publikum noch zwei Zugaben „herausklatschte“. Samantha Wright spielte zwar die „Hauptrolle“ in diesem „Vier-Personen-Stück“, trat aber auch immer wieder einen Schritt zurück, wenn die anderen mit ihren Solo-Impros glänzten. Sophia Oster wirbelte mit ihren Fingern über die Tasten und bildete einen hellen und ergänzenden Kontrast zu den warmen Tönen der Klarinette. Oberbeck am Kontrabass hatte ein Heimspiel, stammt doch der heute in Hamburg lebende Musiker aus Unteröwisheim und der Vater Reiner Oberbeck kümmerte sich um die perfekte Technik, Sound ‚n‘ Light, des Konzertes. Der Bassist sorgte zusammen mit Meyer am Schlagzeug für den Rhythmus und den treibenden Groove. Konzentriert in jedem Augenblick war Oberbeck stets im Kontakt mit den anderen Musikern und konnte sie auf seinen Saiten mit souveräner Spieltechnik in zum Teil rasantem Tempo wirkungsvoll unterstützen. Er ist ein anerkannter Bassist in der Jazzszene und hat eine bemerkenswerte musikalische Entwicklung gemacht, die noch lange nicht zu Ende ist. Meyer schuf mit Klangvielfalt und seinem prägenden Rhythmus am Schlagzeug eine hervorragende Basis, der sich auch das Publikum nicht entziehen konnte.

Die Klarinette lebt

Samantha Wright entlockte ihrer Klarinette alle nur denkbaren Töne und Stimmungen: schrill und sanft, schreiend und schmachtend, schmeichelnd und träumend, jauchzend und jubelnd. Man konnte mit Freude feststellen, die Klarinette lebt und hat mit Wright eine neue äußerst engagierte und kreative Interpretin gefunden auf den Spuren der großen Meister.

Zwiegespräch der Instrumente

Rund 50 Gäste verzeichnete das zweite Konzert, diesmal in Unteröwisheim mit dem Antoine Spranger Trio und als Special Guest Alberto Menéndez am Saxofon.
Das Konzert war geprägt von spielfreudiger Improvisation und immer wieder fulminanten Solos auf dem Flügel, dem Kontrabass, dem Saxofon und am Schlagzeug, die viel Szenenapplaus erhielten. Im Mittelpunkt stand das Zwiegespräch der Instrumente. Es war ein begeisternder Abend für die Freunde von Tönen und Klängen, nicht so sehr der eingängigen bekannten Melodien. Die Töne erklangen wie Tropfen, die sich dann zu einem mächtigen Strom verbanden.

Basstuba und Gitarre im Duett

Ganz anders die Hip Pop Lounge am folgenden Abend in der Alten Kelter von Bahnbrücken. Es waren bekannte Popsongs, Swingklassiker und Gospelmelodien, die das Quartett Christoph Braun „Brownie“ (Flügelhorn und Trompete), Eberhard Budziat (Basstuba und Posaune), Thilo Schimmele (Gitarre) und Kim Hoffmann (Gesang) präsentierte.
Allein die Instrumentierung von Basstuba und Gitarre im Duett ließ eine gespannte Erwartung aufkommen. Sie wurde nicht enttäuscht. Dazu im Kontrast die hellen und hohen Töne von Trompete und Flügelhorn sowie die glockenhelle Stimme von Kim Hoffmann. Ebenso begeisterten die reinen Instrumentals, wenn der gewichtige Bass den Rhythmus vorgab oder gar im Solo glänzte. Klassiker wie „Dancing Cheek to Cheek“, „Dream a Little Dream of Me“ oder „What the World Needs now“ bekamen dabei einen ganz eigenes Gepräge, ließen die Jazzfreunde ihre Augen schließen und sich im Takt wiegen. Mit seinem Swing-Touch, der außergewöhnlichen Instrumentierung - ohne Schlagzeug, Kontrabass und Piano - und mit Kim Hoffmann als Sängerin, war der Abend in der Kelter ein besonderes Klang-Erlebnis.

Musik ist der Sonnenschein für mein Leben

„You are the sunshine of my life“ – mit diesem Song von Stevie Wonder verabschiedete sich die Jazzpianistin und Sängerin Olivia Trummer bei ihrem Konzert in Bretten von ihrem Publikum. - Sonnenschein für ihr Leben ist die Musik, dies konnte man bei dem Konzert von Trummer im Alten Rathaus spüren und erleben. Es war das vierte und letzte des Internationalen Kraichgau Jazzfestivals 2020/21. Die Corona-Pandemie mit der verordneten Auszeit hat Trummer persönlich und als Künstlerin sehr bewegt. Das merkt man ihrem Auftritt in Bretten an. Sie sei froh wieder auf der Bühne „für die Menschen“ spielen zu können, sagt sie. Die Zahl der Sitzplätze im Alten Rathaus ist begrenzt. „Volles Haus“ bedeutet nicht dicht an dicht, sondern Abstand. Und dennoch springt der Funke über. Trummer begeistert mit ihrem Klavierspiel und ihrem Jazzgesang vom ersten Ton an. „Corona hat mir Zeit gegeben, Neues zu entwickeln“, sagt sie.

Höhepunkt und Abschluss

Mit neuen Songs ist sie zurück mit Kraft, Mut und Hoffnung. Am Flügel erzählt sie Geschichten mit ihren Fingern und mit ihrem Gesang. Ohne Notenblatt und „Setlist auf dem Tablet“ hat sie ihr Programm im Kopf. Sie wirkt, als ob sie einem kleinen Freundeskreis Geschichten erzählt. Die Nähe zu den Menschen sei ihr wichtig, betont sie. Südamerikanische Rhythmen lassen ihre Lebensfreude aufleuchten. Ihre Augen blitzen. Die Finger fliegen über die Tasten. Ihre Stimme schwingt sich auf in höchste Höhen. Trummer liebt Italien, die italienische Lebensart, was in ihren Motiven immer wieder zum Ausdruck kommt. Ein anderes Element ihres künstlerischen Schaffens ist die Auseinandersetzung mit Klassik und deren Interpretation. Bei einem Crossover zwischen Bach und Jazz arbeitet sie förmlich mit dem ganzen Körper und tanzt mit den Fingern auf den Tasten. Mit ihren fliegenden Läufen begeistert sie ihr Publikum. Auch Bearbeitungen von Claude Debussy und Wolfgang Amadeus Mozart stehen auf dem Programm. Jazz und Klassik sind bei Trummer keine Gegensätze, sondern inspirieren sich gegenseitig.
Viele Songs und Stücke hat die Künstlerin selbst komponiert und präsentiert sie mit meisterhafter Perfektion und persönlicher Leidenschaft. Sie bearbeitet die Tasten mit Kraft und Energie, dann wieder streichelt sie sie sanft und begleitet sich mit Skat-Gesang, dem typischen Jazzelement, bei dem die Sprache zu Tönen wird. Mit ihrem ganzen Körper gleitet sie in die Musik. Dieses Konzert war gleichzeitig Höhepunkt und grandioser wie gelungener Abschluss des Internationalen Kraichgau Jazzfestivals, organisiert von Thomas und Beate Biel.

Kraichgau-Festival zeigt die Vielfalt des Jazz

Jazz ist nicht gleich Jazz, sondern präsentierte sich bei den vier Konzerten auf ganz unterschiedliche Weise. Es ist das Verdienst von Thomas und Beate Biel, diese so unterschiedlichen Formen mit dem Kraichgau-Jazzfestival zu präsentieren und einem breiten Publikum vorzustellen. So auch diesmal: Vier Konzerte und vier ganz unterschiedliche Stilrichtungen. Allen gleich aber war die Begeisterung an der Musik.

Handgemachter Jazz mit internationalen Künstlern

„Dies ist einer der Grundsteine des Internationalen Jazzfestivals im Kraichgau, Begeisterung an andere weiterzugeben und Freude zu haben an ‚Handgemachter‘ Musik von höchster Qualität mit internationalen Künstlern“, sagt Thomas Biel.
Das Festival wurde erneut möglich durch die Kooperation mit der Stadt Kraichtal, mit der Gemeinde und dem Kulturkreis Ubstadt-Weiher sowie mit der Stadt Bretten und dem Jazzclub Bretten. Hauptspender für das Festival und exklusiver Förderer des Konzerts von Olivia Trummer war die Sparkasse Kraichgau. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg unterstützt das Kraichgau-Jazzfestival seit mehreren Jahren und so auch diesmal als besonders förderungswürdige Kulturveranstaltung. „Wir sind sehr dankbar für diese finanziellen Hilfen“, sagen Thomas und Beate Biel. „Ohne die vielen großen und kleineren Spenden wäre ein Festival dieser Art und mit dieser Qualität nicht machbar, insbesondere bei den Corona-bedingten geringen Zuhörerplätzen.“

Autor:

Martin Stock aus Region

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