Beim Neujahrsempfang der Gemeinde regt Bürgermeister Nowitzki Diskussion über Namensgebung an
Ein „Filple-Bad“ als Identitätsstifter für Oberderdingen

Neujahrsempfang in Oberderdingen 2020: Obwohl der geplante Gastredner kurzfristig abgesagt hat, wurden die rund 400 Gäste wieder reichlich mit Gedankenanstößen und Gesprächsstoff versorgt. | Foto: ch
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  • Neujahrsempfang in Oberderdingen 2020: Obwohl der geplante Gastredner kurzfristig abgesagt hat, wurden die rund 400 Gäste wieder reichlich mit Gedankenanstößen und Gesprächsstoff versorgt.
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OBERDERDINGEN (ch) Bekommt das runderneuerte Oberderdinger Freibad einen Namen? Und wenn ja, soll es „Filple-Bad“ heißen? Wenn es nach dem Oberderdinger Bürgermeister Thomas Nowitzki geht, könnte das Bad, das zur diesjährigen Sommersaison fertig werden soll, nach dem Necknamen für die Oberderdinger benannt werden. Nowitzkis leidenschaftliches Plädoyer für eine identitätsstiftende Badbenennung nach den Oberderdinger Philipple oder kurz Filple war die Überraschung des diesjährigen Neujahrsempfangs in der Weinbau- und Industriegemeinde. Darüber hinaus bekamen die rund 400 Gäste wieder eine Vorschau aus erster Hand auf die in diesem Jahr geplanten wichtigsten Projekte der Gemeinde, von Innenentwicklung über öffentlichen Nahverkehr bis zum Schulstandort, und nahmen nebenbei noch eine Reihe von Gedankenanstößen zu den Themen Demokratie und Europa mit nach Hause.

Neue Grünanlage im Zentrum

Da der eingeladene Gastredner laut Bürgermeister kurzfristig nach Berlin beordert worden war, fiel der Empfang diesmal etwas kürzer, jedoch nicht weniger interessant und unterhaltsam aus. Für die unterhaltsame Note sorgte das Orchester des Musikvereins Oberderdingen ausnahmsweise unter der Leitung von Winfried Nies aus Kürnbach, der die anderweitig verpflichtete Dirigentin vertrat. Neu dürfte vielen Anwesenden zum Beispiel die Ankündigung Nowitzkis gewesen sein, er wolle dem Gemeinderat vorschlagen, angesichts des drohenden Einsturzes eines weiteren Teils der historischen Amthofmauer eine umfassende Bestandsaufnahme und eine Grünplanung unter Einbeziehung der Seegärten zu beauftragen. Seine Vision: „eine öffentliche Anlage mit viel Grün und Wasser mitten im Zentrum“, die zugleich mit der Wiederherstellung der Mauer im Rahmen eines Stadtsanierungsprogramms realisiert werden könnte. Geschätzter Kostenpunkt allein für das Kulturdenkmal Mauer: zwei bis drei Millionen Euro.

Neue Bahnstrecke und Gymnasium

„Ein weiteres städtebauliches Glanzstück“, so Nowitzki, werde mit der Sanierung von zwei denkmalgeschützten Häusern gegenüber dem Amthof einschließlich Tagescafé und Wohnungen entstehen. Gemäß seiner Überzeugung, dass die Verkehrswende nur gelingen kann, wenn der öffentliche Nahverkehr neu gedacht wird, habe er schon im Juli 2019 bei Landrat und Bürgermeisterkollegen für die Reaktivierung der 1933 aufgegebenen Zabergäubahn-Strecke von Leonbronn über Orderdingen nach Bretten geworben, teilte er mit. Im Herbst solle dazu eine Potenzialanalyse vorgelegt werden. Anders bei der geplanten Ansiedlung eines privaten Heisenberg-Gymnasiums, die er vor einem Jahr als Neujahrsüberraschung präsentiert hatte. Laut Studie sei sie möglich, wenngleich noch viele Fragen, etwa die Nachfrage nach 48 Schulplätzen pro Jahrgang, zu klären seien. Dazu soll am 17. Februar eine Informationsveranstaltung stattfinden.

Neues interkommunales Industriegebiet

Es war der 35. Neujahrsempfang, zu dem der Rathauschef eingangs sowohl ortsansässige Besucher/innen wie auswärtige Gäste in gewohnt ausführlicher Weise in der Aschingerhalle begrüßte, unter ihnen die Landtagsabgeordneten Andrea Schwarz und Joachim Kößler, Kreiskämmerer Ragnar Watteroth in Vertretung des Landrats, eine Bürgermeisterriege aus den Nachbarkommunen, angeführt von Brettens OB Martin Wolff, sowie zahlreiche amtierende und ehemalige Vertreter des politischen, kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und Verwaltungslebens. Schon in seiner Vorrede stellte der Schultes klar, dass Oberderdingen zusammen mit Sulzfeld, Kürnbach und Zaisenhausen seine Identität als regionaler wirtschaftlicher Schwerpunktstandort stärken muss. Und zwar indem es nicht nur bis 2035 weitere Gewerbeflächen ausweist, sondern indem es auch über 2035 hinaus außerhalb der eigenen Gemarkung ein weiteres interkommunales Industriegebiet vertraglich vereinbart.

Einigkeit und Recht und Freiheit

Nowitzki wäre nicht Nowitzki, wenn er nicht sein Handeln wie das von Verwaltung und Gemeinderat stets auch im Lichte aktueller nationaler wie internationaler Zusammenhänge darstellen würde. So verband er diesmal mit dem Ausblick auf den 30. Jahrestag der deutschen Einheit im Oktober den großen Wunsch, „dass wir alle uns dafür einsetzen, `Einigkeit und Recht und Freiheit´ zu verteidigen und weiterzuentwickeln – in Deutschland wie in Europa.“ Begründung: „Weil sonst auch Frieden und Klimaschutz zum Scheitern verurteilt wären.“ Und um sich dieser gemeinsamen Wertegrundlage einmal mehr selbst zu vergewissern, war der Saal nicht nur aufgefordert, gemeinsam die Nationalhymne zu singen, sondern am Schluss auch die Europahymne. Dabei zeigte sich, dass die Mehrheit beim emotionalen Europabekenntnis anscheinend noch Gewöhnungsbedarf hat: Trotz ausliegender Zettel mit dem auf Schiller zurückgehenden Liedtext fiel der Gesang sehr verhalten aus.

Appell für politischen Konsens

Kritisch hinterfragte Nowitzki das verbreitete Demokratieverständnis, wenn es in Grundsatzfragen zwar breite Zustimmung gebe, bei der konkreten Umsetzung jedoch persönliche Veränderungen oder gar Einschränkungen nicht akzeptiert würden. Um „die großen Herausforderungen unserer Zeit“ wie Klimawandel, Energiewende, Mobilität, Erhalt der öffentlichen Infrastruktur, Wohnungsbau, Bildung und Betreuung, auch soziale Gerechtigkeit bewältigen zu können, brauche es „wieder einen politischen Konsens“, realisierbare Konzepte, ebenso wie Mut und Weitsicht. Übertragen auf Oberderdinger Verhältnisse bedeute dies, dass Gemeinderat und Bürgermeister die Aufgabe haben, die „Gemeinde für die Zukunft auszurichten und Schritt für Schritt bestehende Defizite abzubauen.“

Tausend Bäume für das Klima

Schon seit Jahren beschäftige sich die Gemeinde mit einem verantwortungsvollen Umgang mit Hilfsquellen, weitere Impulse seien aus dem Klimaschutzkonzept des Landkreises zu erwarten, an dem sich die Gemeinde beteiligen will. Auch ein Beitritt zum Klimaschutzpakt des Landes erscheine ihm angesichts der Fördermöglichkeiten von Vorteil, meinte der Schultes. In diesem Zusammenhang lud er für den 28. März zur aktiven Beteiligung an einer Baumpflanzaktion mit Gemeindeförster Michael Deschner im Rahmen der Gemeindetagsaktion „Je tausend Bäume in tausend Gemeinden“ auf. Kurzum, jede Menge Gesprächsstoff, um den Neujahrsempfang anschließend bei von der Gemeinde gespendeten Häppchen und Getränken gesellig ausklingen zu lassen.

Alle Fotos: ch

Mehr über diesjährige und frühere Neujahrsempfänge lesen Sie auf unserer Themenseite Neujahrsempfang

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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