Handel setzt auf mehr Tierwohl: Abschied vom Billigfleisch
Necakrsulm (Erich Reimann, dpa) Der deutsche Lebensmittelhandel verabschiedet sich langsam vom Billigfleisch und setzt stattdessen auf Fleisch aus zumindest etwas tiergerechterer Haltung. Die Handelskette Kaufland kündigte am Donnerstag, 1. Juli, an, "ab sofort" kein frisches Schweinefleisch mehr anzubieten, bei dem die Tierhaltung nur die gesetzlichen Mindestanforderungen erfülle. Andere große Handelsketten kündigten bereits ähnliche Schritte an. Dem Deutschen Tierschutzbund reicht der Fortschritt allerdings nicht.
Bei Kaufland Fleisch aus "Stallhaltung Plus"
Bei Kaufland soll das verkaufte Fleisch künftig mindestens aus der Stufe zwei "Stallhaltung Plus" stammen, die den Tieren etwas mehr Platz garantiert. Ausgenommen seien jedoch Schweinefilets, die zum Teil importiert werden. Der Discounter Lidl teile zeitgleich mit, er wolle ebenfalls bis Ende des Jahres nahezu sein gesamtes Schweinefrischfleischsortiment auf die Haltungsformstufe zwei umstellen. Kaufland und Lidl gehören zur Schwarz-Gruppe, einem der größten europäischen Lebensmittelhändler. Die Handelskette Rewe hatte zuvor angekündigt, ihr Eigenmarkenangebot an frischem Schweinefleisch ab Juli auf die Haltungsformstufe zwei und höher umzustellen. Aktuell liege der Anteil bereits bei über 95 Prozent, sagte eine Rewe-Sprecherin. Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka berichtete, er plane "bereits kurzfristig auf die Haltungsstufe eins und längerfristig auf die Haltungsstufe zwei bei Frischfleisch zu verzichten".
Aldi positioniert sich gegen reine Stallhaltung
Die Haltungsbedingungen der Schlachttiere sind ein großes Thema im Lebensmittelhandel. Die Discounter Aldi Nord und Aldi Süd hatten zuletzt für Aufsehen in der Branche gesorgt, als sie ankündigten, bis 2030 den Verkauf von Fleisch einzustellen, das in reiner Stallhaltung produziert wird, ohne dass die Tiere jemals an der Luft sind und Sonne sehen. 2025 wollen die beiden Ketten kein Fleisch mehr anbieten, bei dem die Tierhaltung nur die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt.
Biofleisch erst ab Stufe vier
Um dem Verbraucher mehr Klarheit über die Haltungsbedingungen zu verschaffen, hatten Aldi und andere große Lebensmittelhändler bereits 2019 ein vierstufiges System der Haltungskennzeichnung eingeführt. Stufe eins "Stallhaltung" entspricht lediglich den gesetzlichen Anforderungen, in Stufe zwei "Stallhaltung Plus" gibt es etwas mehr Platz. Mehr Raum sowie Frischluft-Kontakt haben die Tiere bei Stufe drei "Außenklima". Bei Stufe vier "Premium" haben sie außerdem Auslaufmöglichkeiten im Freien. Auch Biofleisch wird in diese Stufe eingeordnet.
Auswirkungen der Initiative zunächst begrenzt
Doch blieben die Auswirkungen der Initiative zunächst begrenzt. Zwar prägen beim Geflügel seit einiger Zeit Hähnchen und Puten aus der Stufe zwei "Stahlhaltung plus" das Angebot. Beim Schweine- und Rindfleisch dominierten jedoch zunächst weiter Angebote aus der Haltungsstufe eins die Kühlregale und Fleischtheken. Ein Grund dafür war nach Angaben des Handels die Tatsache, dass Fleisch aus höheren Haltungsstufen in der Regel teurer ist. "Die Preissensibilität der Kunden ist nach wie vor hoch", hieß es im Handel.
Tierschutzbund nicht sehr begeistert
Beim Deutschen Tierschutzbund hielt sich die Begeisterung über den Vorstoß der Handelsketten allerdings in engen Grenzen. Auch die Haltungsstufe zwei garantiere noch keine Standards, die aus Tierschutzsicht akzeptabel seien, sagte eine Sprecherin des Verbandes. Hierfür seien schon die Stufen drei oder vier nötig. Dass jetzt dennoch beim Schweinefleisch Bewegung in den Markt kommt, ist auch darauf zurückzuführen, dass ab dem zweiten Halbjahr 2021 die Haltungskennzeichnung bei Schweinefleischprodukten flächendeckend im Lebensmittelhandel zu finden sein wird. Bislang blieb die Herkunft des Fleisches für die Verbraucher oft unklar.
"Zeitnah eine sehr große Verschiebung"
"Dadurch wird relativ zeitnah eine sehr große Verschiebung stattfinden", prognostizierte Patrick Klein von der Initiative Tierwohl. Während Anfang des Jahres rund 80 Prozent des Schweinefleisches der Stufe eins entstammten, werde "in absehbarer Zeit" 60 bis 70 Prozent des Angebots aus der Stufe zwei stammen und weitere zehn bis 15 Prozent aus den Stufen drei und vier, meint der Branchenkenner.
Autor:Kraichgau News aus Bretten |
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