"Sachpolitik steht im Vordergrund"
Moritz Baumann über seinen Einstieg als Bürgermeister von Kürnbach

Der Kürnbacher Bürgermeister Moritz Baumann hat die Grenze von 100 Tagen im Amt erreicht. Foto: kuna
  • Der Kürnbacher Bürgermeister Moritz Baumann hat die Grenze von 100 Tagen im Amt erreicht. Foto: kuna
  • hochgeladen von Kathrin Kuna

Kürnbach (kuna) Am 3. März wurde Moritz Baumann (parteilos) zum Bürgermeister von Kürnbach gewählt. Im Mai trat er die Stelle an und löste damit seinen Vorgänger Armin Ebhart ab. Nun hat er die "magische Grenze" von 100 Tagen im Amt erreicht. Wie lief der Einstieg in den neuen Job und welche Projekte liegen auf seinem Schreibtisch ganz oben? Darüber hat der 25-Jährige mit der Brettener Woche/kraichgau.news gesprochen.

Herr Baumann, wie lief der Einstieg in das Amt? War es so, wie Sie es erwartet haben?
Die Abläufe in einem Rathaus waren mir schon vorher bekannt, deswegen gab es keine komplett fremden Sachen. Das Amt ist eigentlich so, wie ich es mir vorgestellt habe. Durch die vielen Feste wie den Bauernmarkt, Weindorf, Straßenfest, verschiedene Vereinsfeste und die Feier des 40-jährigen Jubiläums mit der Partnerstadt Ziersdorf war es auch ein schöner Einstieg.

Wie kommen Sie mit der Arbeitsintensität eines Bürgermeisters zurecht? Bleibt noch Zeit für Privates?
Als Bürgermeister hat man viele lange Tage, das war mir aber vorher schon klar. Auch die Gemeinderatssitzungen gehen mal länger. Ich habe schon weniger Zeit als vorher. Es braucht eine gute zeitliche Taktung, um ab und zu mal was mit Freunden oder im Verein zu unternehmen. Ich bin auch dankbar, dass meine Freundin das so mitmacht.

Wie sieht es aus mit einer Wohnung in Kürnbach? Wohnen Sie schon in der Gemeinde oder noch in Bretten?
Wir haben eine Wohnung und die ist auch schon teilweise eingerichtet. Komplett umgezogen sind wir aber noch nicht. Ab und zu habe ich schon in Kürnbach übernachtet, zum Beispiel beim Straßenfest. Wir machen uns da aber keinen Stress, wir ziehen um, wenn die Wohnung fertig ist. Bretten ist ja nicht aus der Welt.

Wie lief die Übergabe mit Ihrem Vorgänger Armin Ebhart ab?

Die „Nicht-Übergabe“ hat schon für Stress in der Einarbeitung gesorgt. Es war mir nicht möglich, Kontakt mit Armin Ebhart herzustellen, das war für den Einstieg schon schade. Es sind ja viele Verwaltungsgeschäfte am Laufen und so hat mir teilweise das Hintergrundverständnis gefehlt. Ich denke aber, wir haben das halbwegs gut hinbekommen und aus den Rahmenbedingungen das Beste gemacht, auch wenn es kein idealer Start war. Ich werde mich jetzt peu à peu in die Themen einarbeiten. Im Rathaus helfen da alle mit und auch aus dem Gemeinderat gab es bislang eine große Unterstützung.

Ein arbeitsintensives Ereignis für Ihren Einstieg waren sicherlich auch die Kommunalwahlen.
Stimmt, durch die Kommunalwahlen gab es einen intensiven Anfang – die Wahlen fanden schon im ersten Monat meiner Amtszeit statt. Das war schon ein Kraftakt, das alles zu stemmen. Hinzu kamen auch die Gemeinderatssitzungen, die vor den Wahlen mit Sondersitzungen im Zwei-Wochen-Takt stattfanden. Viele Projekte sollten noch mit dem alten Gemeinderat bearbeitet werden, da die Mitglieder sie schon jahrelang begleitet haben und sich daher gut auskennen. Das spart viel Zeit, besonders bei Projekten, die zeitnah erledigt werden müssen, weil es Fristen für Fördermittel gibt. Jetzt ist das Gremium zur Hälfte neu besetzt.

Worüber wurde in den Sondersitzungen gesprochen?
Da ging es einmal um die Fortschreibung des Flächennutzungsplans. Dabei handelt es sich um die Grundlage für die bodenpolitische Entwicklung der nächsten Jahre, also zum Beispiel, wo Wohngebiete ausgewiesen werden.

Dann ging es um den Feuerwehrbedarfsplan, quasi um einen Gesamtüberblick über den jetzigen Stand der Feuerwehr, um Materialbedarf, vor allem bei Fahrzeugen – wir brauchen zum Beispiel „altersbedingt“ ein neues Fahrzeug. Aber auch Themen wie die Tagesverfügbarkeit der Feuerwehrleute wurde angesprochen. Vonseiten des Ingenieurbüros gab es die Anregung, dass Rathausmitarbeiter ja einspringen könnten – die sind ja tagsüber immer in Kürnbach (lacht).

Jetzt gibt es einen neuen Gemeinderat. Wie blicken Sie auf das Wahlergebnis?

Der neue Gemeinderat hat sich am 23. Juli konstituiert, jetzt ist erstmal Sommerpause. Ab September stehen die ersten Sitzungen an. Das Gremium ist neu besetzt und das hat auch gut geklappt. Es sind ohnehin „nur“ zwei Listen angetreten, die Freien Wähler und die Liste 4. Trotzdem ist es nie vorhersehbar, wer die meisten Stimmen bekommt – es war bei der Auszählung bei einzelnen Personen schon sehr knapp.

Fünf Gemeinderäte sind nicht mehr angetreten, viele Mitglieder wurden aber auch wiedergewählt – das ist ein toller Vertrauensbeweis und zeigt die Wertschätzung ihrer Arbeit. In einer Gemeinde wie Kürnbach ist es aber auch anders als in einer Stadt, in der verschiedene Parteien vertreten sind. Die stimmen dann vielleicht einem Antrag mal nicht zu, weil er von einer bestimmen Partei kommt. In Kürnbach steht die Sachpolitik im Vordergrund, niemand verfolgt parteiideologische Vorstellungen. Es geht nur um die Sache und um die beste Lösung für Kürnbach.

Nach 100 Tagen konnten Sie sich sicherlich schon einen Überblick über die drängendsten Projekte machen. Was liegt bei Ihnen jetzt ganz oben auf dem Schreibtisch?

Das größte Projekt ist wohl die Fertigstellung der Kindergartenbedarfsplanung. Es gibt Pläne für einen Kindergarten-Neubau und der Bedarfsplan ist notwendig, um Fördermittel zu erhalten.

Um das Ehrenamt zu stärken, soll außerdem eine Entschädigungssatzung für die Feuerwehr eingeführt werden, die wird hoffentlich dieses Jahr noch fertig. Das Ehrenamt nimmt immer mehr ab, deswegen ist die Entschädigung ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung und hat auch Symbolkraft.

Dann geht es um die Potentialanalyse für Photovoltaik (PV) und Nahwärme, dabei hilft uns die Umwelt- und Energieagentur Kreis Karlsruhe. Es gab zwar mal eine Analyse, schon vor mehreren Jahren, aber sie wurde nie finalisiert. Es geht dabei erstmal um grundsätzliche Fragen: Macht Nahwärme in Kürnbach Sinn? Welche kommunalen Dächer kommen für PV in Frage? Bisher gibt es nur eine PV-Anlage auf der Schule. Das Thema ist mir auch deswegen so wichtig, weil es eine PV-Pflicht für Neubauten und Dachsanierungen gibt. Wenn ich mich in den Bürger reinversetze, dann ist es schon schwer nachvollziehbar, weshalb man selbst PV-Anlagen bauen soll, wenn es auf öffentlichen Gebäuden keine gibt.

Und dann sind noch die Digitalisierung und der Glasfaserausbau wichtig. Auf zweierlei Weise: Einmal zum Arbeiten, zum Beispiel durch die Einführung eines digitalen Ratsinfosystems oder die Vernetzung für die interkommunale Zusammenarbeit. Aktuell sind die Rathausmitarbeiter nicht homeofficefähig – das Rathaus besitzt nur zwei Laptops! Das ist schon schwierig, weil es viele Mitarbeiterinnen mit Kindern gibt, die gerne Homeoffice machen würden, wenn zum Beispiel das Kind krank ist. Außerdem ist es immer schwerer, Personal zu finden und da ist die Möglichkeit auf Homeoffice schon ein Kriterium.

Ich denke aber auch an Social Media-Accounts von der Gemeinde, die es bisher nicht gibt. Da geht uns eine große Zielgruppe verloren, die gar kein Print mehr liest. Auch in der Hinsicht müssen wir uns für die Zukunft fit machen.

Und wie sieht es aus mit dem Glasfaserausbau?

Glasfaser gibt es in Kürnbach noch nicht flächendeckend. Aktuell laufen Gespräche mit der Breitbandkabel Landkreis Karlsruhe (BLK). Alle Gemeinden um Kürnbach herum haben bereits Vorverträge mit der BLK zum Anschluss über die Deutsche Glasfaser geschlossen. Kürnbach ist bisher nur teilweise über Netcom angeschlossen. Der weitere Ausbau durch die Deutsche Glasfaser rund um Kürnbach ist für 2026/2027 anvisiert. Für Kürnbach selber gibt es noch keine offiziellen Daten, ich hoffe aber, dass wir zeitgleich beziehungsweise im Rahmen derselben Maßnahme angeschlossen werden können.

Viele Gemeinden beschäftigen sich derzeit mit dem Thema Windkraft. Wie sieht es damit aus in Kürnbach?

Dass man sich bei der Windkraft strategisch positionieren muss, war auch schon Thema im Wahlkampf. Nach den Regionalplänen gibt es Stand jetzt zwei Vorranggebiete, eines in Richtung Sternenfels, eines in Richtung Flehingen. Die Gemeinde geht aber noch nicht proaktiv vor. Windkraft ist ein kontrovers diskutiertes Thema. Deswegen macht es Sinn, erst einmal abzuwarten, was bei der Regionalplanung rauskommt, bevor man mit eigenen Plänen vorangeht, die dann vielleicht nicht verwirklicht werden können. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, proaktiv Flächen zu kaufen, damit die Gemeinde dann den Finger drauf hat.

Zu guter Letzt: Wie sieht Ihre Vision von Kürnbach in acht Jahren aus?

Dann haben wir hoffentlich alle genannten Themen abgearbeitet! In acht Jahren hat Kürnbach nach meiner Vorstellung seinen Charakter als Weindorf und die vielen Feste beibehalten – vielleicht kann man das sogar weiter ausbauen, den Tourismus fördern und so auch Gastronomie in den Ort ziehen. Außerdem ist die Gemeinde zukunftsfähig aufgestellt: Mit Glasfaser, Erneuerbaren Energien, einer guten Kinderbetreuung und Versorgung im Alter, mit Arzt und Apotheke, die fußläufig erreichbar sind. Auch barrierefreies und altersgerechtes Wohnen gehören dazu. Das alles gibt es vielleicht noch nicht in acht Jahren – aber man kann schon jetzt einen Anstoß dafür geben.

Das Gespräch führte Brettener Woche-Redakteurin Kathrin Kuna.

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

6 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.