„Zukunftstarifvertrag 2024+“ wird eingeführt
Stellenabbau und unentgeltliche Mehrarbeit bei E.G.O. in Oberderdingen

Bei E.G.O. werden Komponenten zum Steuern und Heizen von Haushaltsgeräten hergestellt. | Foto: E.G.O.
  • Bei E.G.O. werden Komponenten zum Steuern und Heizen von Haushaltsgeräten hergestellt.
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Oberderdingen (kuna) Bei E.G.O. in Oberderdingen sollen rund 160 Stellen abgebaut werden. Das haben Vertreter des Betriebsrates, der IG Metall und der Unternehmensgruppe bei einem Pressegespräch am heutigen Mittwoch erklärt. Dem zuvor gegangen war eine Mitgliederversammlung der Arbeitnehmervertreter, die mit einem Votum von 95 Prozent für den „Zukunftstarifvertrag 2024+“ gestimmt haben.

Erhebliche Umsatzrückgänge in 2023

Die Krise der Küchenindustrie hat die Blanc & Fischer-Familienholding in Oberderdingen – zu der E.G.O. gehört – hart getroffen. Das wurde bei einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche deutlich. Die Vorstände von Blanc & Fischer berichteten dabei von erheblichen Umsatzrückgängen im Jahr 2023. Das hat auch Auswirkungen auf die Mitarbeitenden von E.G.O., der größten Gruppe von Blanc & Fischer, die in Oberderdingen Komponenten zum Steuern und Heizen von Haushaltsgeräten herstellen.

"Die Küche ist nicht tot"

Um die Flaute der „Weißen Ware“ zu überwinden, setzt man bei E.G.O. jetzt vor allem auf Zeit. Das Unternehmen glaube fest daran, dass sich die Branche wieder erholen werde, erklärte CEO Karlheinz Hörsting. Dem stimmte auch der Betriebsratsvorsitzende von E.G.O., Marcus Kornherr, zu: „Die Küche ist nicht tot.“ Es handle sich zwar um einen „konservativen Markt“, der auch Neuerungen schwer annehme, dennoch sei man davon überzeugt, dass in der Hausgerätebranche langfristig Wachstum möglich sei.

Unentgeltliche Mehrarbeit und Verzicht auf Sonderzahlungen

Die Einzelheiten des „Zukunftstarifvertrages 2024+“ erläuterte Gabriele Lintner, die Leiterin des nationalen Personalwesens bei Blanc & Fischer Corporate Services. Demnach handle es sich um einen Ergänzungstarifvertrag mit einer Laufzeit bis Ende 2029. Vorgesehen sind darin die unentgeltliche Mehrarbeit von zwei Stunden in der Woche sowie der Verzicht auf tarifliche Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Diese monetären Streichungen sollen bis 2029 „langsam ausschleichen“ und beginnen in 2024 mit einer Reduzierung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld um 25 Prozent. Ab Ende 2029 wolle man sich wieder auf das Niveau des Flächentarifvertrages begeben, so Lintner.

Freiwilliges Austrittsprogramm: 160 Stellen weniger

Ein wichtiger Baustein des Vertrages bleibt jedoch der Stellenabbau. War im Februar noch von potentiell 300 Arbeitsplätzen die Rede, so konnte die Zahl nun auf 160 reduziert werden. Derzeit sind bei E.G.O. noch 1.346 Personen angestellt. Der Stellenabbau solle jedoch nicht durch betriebsbedingte Kündigungen erfolgen, betonte Lintner, sondern über ein freiwilliges Austrittsprogramm.

Infoveranstaltungen ab Juni

„Wir haben sehr viele ältere Mitarbeitende“, erläuterte die Personalleiterin. Aufgrund dieser Mitarbeiterstruktur sei man zuversichtlich über das Gelingen des Austrittsprogramms. Dieses stehe aber für alle Mitarbeitenden offen, unabhängig von der Altersklasse. „Es ist ein offenes Angebot an alle“, so Lintner. Ab Juni werde E.G.O. mit Infoveranstaltungen für interessierte Mitarbeitende beginnen.

Bekenntnis zu Induktions- und Dickschicht-Fertigung

Festgehalten in dem „Zukunftstarifvertrag 2024+“ sind aber auch Zusagen von der Unternehmensseite. Dazu gehört ein klares Bekenntnis zum Standort Oberderdingen, insbesondere zu der Induktions- und Dickschicht-Fertigung, erläuterte CEO Hörsting. E.G.O. verpflichtet sich hierbei, den Großteil der Fertigung, der Kompetenzzentren, der Logistik sowie des Anlagenbaus am Stammsitz zu erhalten. Die Produktion von Thermostaten sowie von Kochplatten soll dagegen nach Kroatien und Slowenien verlagert werden.

Weitere Investitionen werde es durch die Ausweisung von 20 jährlichen Ausbildungsplätzen geben. Und: Mitarbeitende, die aktuell einen befristeten Arbeitsvertrag haben, bekommen eine unbefristete Anstellung, ergänzte Lintner.

"Wie ein Trampolin, das Schläge abbekommt"

Vonseiten der Arbeitnehmervertreter klang die Einschätzung der Lage ernüchternder. Dirk Becker, der erste Bevollmächtigte von IG Metall Bruchsal, ordnete die Anpassungsmaßnahmen als „schmerzhafte Einschnitte für die Kolleginnen und Kollegen“ ein. Bis man zu dem nun vorliegenden Ergebnis gekommen war, hätte es viele Gespräche mit den Mitarbeitenden gegeben, berichtete er. Dabei habe man sich zuweilen gefühlt „wie ein Trampolin, das Schläge abbekommt – die oftmals eigentlich der Geschäftsführung galten“, ergänzte der Betriebsratsvorsitzende von E.G.O., Marcus Kornherr.

Kernkompetenz Anlagenbau bleibt in Oberderdingen

Bei den Gesprächen mit den Mitarbeitenden hätten sich die Sicherung der Beschäftigung sowie die Zukunftssicherung des Standortes als wichtige Pfeiler herausgestellt. Becker bedauerte, dass die Gewerkschaft nicht alle Forderungen umsetzen konnte, wie die Verhinderung der Verlagerung der Thermostat- und Kochplattenfertigung. Der Gewerkschafter sah dennoch eine „gute Perspektive in der Produktion“ und zeigte sich zufrieden darüber, dass die Kernkompetenz des Anlagenbaus in Oberderdingen verbleiben werde.

Grundentgelt wird nicht angetastet

Kornherr dagegen freute sich darüber, dass der „Zukunftstarifvertrag 2024+“ nicht das Grundentgelt der Mitarbeitenden antasten würde. Die verhandelten Ergebnisse würden wehtun, räumte er ein, seien aber dennoch verschmerzbar.

Konkrete Einsparungen nicht beziffert

Wie viel E.G.O. letztlich durch die neuen vertraglichen Vereinbarungen einspart, konnte CEO Hörsting nicht konkret beziffern. Sollten die nun getroffenen Anpassungsmaßnahmen gut anlaufen, gebe es jedenfalls eine Rückzahlungsoption. „Dann können die Mitarbeitenden einen Betrag zurückbekommen“, so Kornherr, ohne eine konkrete Summe zu nennen.

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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