"Die Energiewende ist unumgänglich"
Walzbachtaler Bürgermeister Timur Özcan im Jahresinterview

Der Walzbachtaler Bürgermeister Timur Özcan Foto: kuna
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Zum Jahreswechsel blickt Bürgermeister Timur Özcan im Gespräch mit der Brettener Woche-Redakteurin Kathrin Kuna auf die Entwicklungen in Walzbachtal zurück. Ein Fokus des Rathauschefs liegt darauf, die Klimaneutralität weiter voranzutreiben. Doch es geht auch um die Diskussionen um die B293-Sanierung und den Umgang mit den Sorgen der Bürger.

Herr Özcan, können Sie drei Kernthemen benennen, die Walzbachtal in 2023 beschäftigt hat?
Allen voran kann ich das klimapolitische Arbeitsprogramm nennen. Darunter fällt eine Reihe von Maßnahmen, mit denen wir uns schon seit einiger Zeit beschäftigen und die wir auch in Zukunft bearbeiten werden. Ein Beispiel ist die Ausstattung von kommunalen Dächern mit PV-Anlagen: In 2023 wurden die Kita Moby Dick, der Baubetriebshof und eine Anschlussunterbringung in Jöhlingen mit Photovoltaik ausgestattet. Das Rathaus hat im Übrigen auch schon seit einigen Jahren PV-Anlagen auf dem Dach. In 2024 wollen wir noch weitere Gebäude angehen.

Ein weiteres Thema war die Digitalisierung. In 2023 ist die Nachfragebündelung der Deutschen Glasfaser in Wössingen und Jöhlingen erfolgreich angelaufen. Im neuen Jahr soll der Ausbau beginnen. Zur Digitalisierung gehört auch die Einrichtung von freiem WLAN, das es am Rathausplatz und seit 2023 auch an der Böhnlichhalle und dem Kirchplatz Jöhlingen gibt. Wir sind auch dran, das Onlinezugangsgesetz durchzusetzen, sodass verschiedene Gänge ins Bürgerbüro online abgewickelt werden können. Zum Beispiel ist es schon möglich, einen Hund online anzumelden. Das ist aber eine Aufgabe, die eine kleine Kommune nicht allein stemmen kann und auch weitaus größere Gemeinden beschäftigt.

Wichtig war auch die Schaffung von weiteren Kitaplätzen. Mit den „Seesternen“, der Außenstelle der Kita Moby Dick, sollen im nächsten Jahr 25 neue Kitaplätze geschaffen werden.

Eine Baustelle war auch über die Gemeinde hinaus präsent: Von der Sanierung der B293 waren nicht nur die Walzbachtaler, sondern auch Pendler aus dem Umkreis betroffen. Gegen das hohe Verkehrsaufkommen hat sich sogar eine Bürgerinitiative formiert. Wie haben Sie diese Diskussion wahrgenommen und was nehmen Sie davon mit?
Das war eine anspruchsvolle Diskussion. Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Bürger in Walzbachtal aktiv sind, Interesse an ihrem Ort haben und sich einbringen wollen. Es gab viele konstruktive Gespräche: Im Rathaus und vor Ort, mit der Bürgerinitiative und mit Vertretern der Verkehrsbehörde und des Regierungspräsidiums.

Baustellen sind ein emotionales Thema. Die Betroffenen, also die Anwohner, sind hierbei die Profis und können uns direkt sagen, wenn etwas nicht passt – wenn zum Beispiel Lkw an einer Stelle immer über den Gehsteig fahren. Das sind Dinge, die im Voraus schlecht zu planen sind. Wir haben die Anregungen gerne aufgegriffen und darauf reagiert, zum Beispiel mit Geschwindigkeitsreduzierungen oder Einbahnstraßenregelungen. Das will ich auch für zukünftige Themen als Grundlage mitnehmen: eine transparente Kommunikation, aktives Zuhören und die Sorgen der Bürger ernst zu nehmen.

Ein anderes Thema, das für Diskussionen sorgt, ist der geplante Windpark in Weingarten. Was ist Ihre Meinung dazu?
Die Energiewende ist notwendig und unumgänglich. Über den geeigneten Standort für einen Windpark muss eine Fachbehörde entscheiden. Auch hier gilt: Bürgersorgen müssen ernstgenommen und Fragen beantwortet werden. Dafür gab es das Forum Energiedialog, das zwei Tage lang ging. Wichtig ist aber auch, dass die Planer im Nachgang für die Bürger ansprechbar sind und auf deren Fragen eingehen.

Wie ist die Stimmung in Walzbachtal, was das Thema betrifft?
Für die Gesamtheit zu sprechen, ist schwer. Ich denke aber, dass eine Mehrheit dem Thema Windenergie offen gegenübersteht, auch wenn der Standort des geplanten Windparks für einige kritisch ist.

Gibt es in Walzbachtal auch eigene Ideen, was die Windkraft angeht?
Wir wollen ganz klar proaktiv handeln. Dabei muss man aber auch sagen, dass es der Gesetzgeber ist, der uns die Vorgabe macht, Flächen für Windenergie bereitzustellen. Dafür möchten wir eine Fläche finden, die für eine Mehrheit akzeptabel ist und die Bürgerschaft miteinbeziehen. Die Windenergie sollte auf eigener Fläche geplant werden, bevor jemand auf fremder Fläche baut und wir dort kein Mitspracherecht haben.

Welche Ideen gibt es außerdem, um die Energiewende weiter voranzutreiben?
Im nächsten Jahr wird ein Energieplan für die kommunale Wärmeplanung erstellt. Dabei wird geschaut, wie der Verbrauch momentan ist und wo es Einsparmöglichkeiten gibt. Außerdem wollen wir einen neuen Bebauungsplan mit nachhaltigen Umweltstandards festlegen – über die konkreten Vorgaben entscheidet der Gemeinderat. Ich kann daher noch nichts Konkretes nennen, beispielhaft wären aber Vorgaben, wie hoch gebaut werden darf, ob eine Energieeffizienz festgelegt oder ein gewisser Prozentsatz für sozialen Wohnungsbau für Neubauten eingeführt wird. Weitere Punkte sind auch die Benefits für Rathausmitarbeiter, dazu zählt die Bezuschussung des Deutschlandtickets oder das Fahrradleasing, was auch gut genutzt wird.

Ich bin außerdem der zweite Vorsitzende des Kommunalen Klimaschutzvereins der Umwelt- und Energieagentur Kreis Karlsruhe. Der Verein wurde 2023 gegründet und soll Aufklärungsarbeit leisten und Infos, von der Geothermie bis zu PV-Anlagen, mit niederschwelligen Erklärungen bereitstellen.

Um mich noch tiefer in das Thema einzuarbeiten, habe ich mich außerdem als Energiemanager zertifizieren lassen. Dafür habe ich eine Weiterbildung mit Abschlussprüfung gemeistert. Dabei haben wir zum Beispiel gelernt, Rechnungen anzustellen, wie viel CO2 ausgestoßen wird bei einer Dienstreise mit Auto, Zug oder Flugzeug. Als Bürgermeister muss man ja Generalist sein, aber ich versuche, mich regelmäßig mit Schulungen in verschiedene Themen einzuarbeiten (schmunzelt).

Walzbachtal konnte sich erneut für den European Energy Award zertifizieren und liegt aktuell auf Platz drei im Landkreis Karlsruhe. Was ist geplant, um in Zukunft auf Platz eins zu landen?
Auf die bereits dritte Zertifizierung sind wir sehr stolz. Immerhin handelt es sich um eine unabhängige Bewertung durch eine Jury. Das Ziel ist aber nicht, auf Platz eins zu landen (lacht), sondern die Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit und Klimaneutralität weiter voranzutreiben und auf diesem Feld weiterhin aktiv zu sein.

In Walzbachtal wird es einen Energiebeirat geben, der den Gemeinderat in Fragen der Nachhaltigkeit beraten soll. Wie war die Resonanz auf das Ausschreiben?
Wir haben viele qualifizierte Bewerbungen bekommen – weit mehr als die vorgesehenen sechs Personen. Dabei handelt es sich um Bürger aus Walzbachtal, die viel Fachexpertise haben, darunter energetische Berater oder andere Fachleute aus dem Gebiet. Die Mitglieder des Energiebeirates bestimmt der Gemeinderat, eine konstituierende Sitzung findet 2024 statt. Ich bin mir sicher, dass wir stark von dem Fachwissen profitieren werden.

Welche Herausforderungen stehen im neuen Jahr an?
Im neuen Jahr steht die Planung der Kernsanierung und Erweiterung der Kita Oberlinhaus an. Außerdem laufen die Planungen des Umzuges der Verwaltungsstelle in Jöhlingen in ein anderes Gebäude. Es wird dann einen Standort geben, der für alle barrierefrei erreichbar ist.

Ein weiteres Thema sind die Betreuungsangebote für Senioren. Dafür muss ich ein wenig ausholen: In Jöhlingen plant ein Unternehmen das „Seniorenzentrum Kirchberg“. Allerdings geht es mit dem Neubau – unter anderem aufgrund gestiegener Zinsen – aktuell nicht voran. Wir wollen daher eine alternative Lösung schaffen und in 2024 in die Planung gehen. Dafür stehen dann erstmal eine Standortsuche, Machbarkeitsstudien, Bauanträge und weiteres aus. Damit es also zügig vorangeht, wird das Thema gleich Anfang des Jahres im Gemeinderat besprochen.

Dann wird, wie schon angesprochen, der Glasfaser-Anschluss in Wössingen und Jöhlingen ausgebaut. Und – was vielleicht noch etwas weiter weg erscheint, aber auch demnächst angegangen werden soll – ist die Vorbereitung des Rechtsanspruches einer Ganztagesbetreuung für 2026/2027.

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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