Maulbronner Bürgerbus fährt ab dem 1. September
Bürger fahren für Bürger
Maulbronn (hk) Schon seit Jahrzehnten setzen unsere niederländischen Nachbarn auf den "Buurtbus", zu Deutsch "Bürgerbus". Erstmals begannen dort in den 1970er Jahren Menschen ihre Mitbürger, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, in einem eigens dafür angeschafften Bus beispielsweise zum Arzt oder in den Supermarkt zu fahren. Aber der Buurtbus ist viel mehr als nur ein Verkehrsmittel: Er hat auch eine soziale Bedeutung, weil er Menschen aus der Nachbarschaft zusammenbringt – wenn auch nur eine Fahrt lang. Die Idee gelangte schließlich auch nach Deutschland, wo nach dem niederländischen Vorbild in den 1980er-Jahren die ersten Bürgerbusse erprobt wurden. Nun nehmen Bürgerbus-Projekte auch im Kraichgau Fahrt auf. Im Mai 2020 ging der Eppinger Bürgerbus an den Start. Ab dem 1. September 2020 soll ein barrierefreier Bus durch Maulbronn rollen.
Verein „Bürgerbus Maulbronn“ gegründet
Wie der Name schon vermuten lässt, zeichnet den Bürgerbus aus, dass er von der Bürgerschaft getragen wird und das Konzept passgenau für den Ort und die dort lebenden Menschen entwickelt wurde. Damit das bürgerliche Engagement einen verlässlichen Rahmen hat, wurde im September 2018 der Verein „Bürgerbus Maulbronn“ gegründet. „Heute haben wir rund 50 Mitglieder, die mit ihrem Vereinsbeitrag bisher zum Aufbau der Organisation beigetragen haben“, informiert der Vorsitzende des Vereins, Heinz Kammer. Der Bürgerbus soll den teils unzureichenden öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zwischen der Maulbronner Kernstadt, Maulbronn-Zaisersweiher und Maulbronn-Schmie nicht nur ergänzen, sondern auch die durch fehlende Verbindungen entstandene Lücke im ÖPNV schließen. Zudem werden mit dem Bürgerbus auch „reine Wohngebiete, zum Beispiel Schefenacker, angefahren, in denen normalerweise kein öffentlicher Bus verkehrt“, so Kammer. Und auch im Bürgerbusverein hat die Coronavirus-Pandemie ihre Spuren hinterlassen. „Der Bus stand fast zwei Monate abholbereit im Herstellerwerk in Thüringen“, sagt Kammer. Doch nun soll es ab dem 1. September endlich soweit sein: Der Bürgerbus wird dann von Montag bis Freitag jeweils zwischen 8 und 17 Uhr, außer Mittwochnachmittag und am 24. und 31. Dezember, den Maulbronnern zur Verfügung stehen.
Platz für maximal acht Personen
Eine Hauptzielgruppe seien Personen, die nicht mehr mit dem eigenen Fahrzeug fahren könnten oder wollten, meist altersbedingt. „Aber es ist natürlich jeder Bürger, beginnend vom Schüler an, willkommen“, betont Kammer. Damit der Bürgerbus im September unterwegs sein kann, werden laut Kammer zurzeit mit den Fahrerinnen und Fahrern Übungsfahrten durchgeführt, damit sie mit dem Fahrzeug und der Strecke vertraut werden. Mitgenommen werden können maximal acht Personen. „Nach den Erfahrungen anderer Bürgerbusvereine reicht diese Kapazität meistens aus“, erklärt Kammer. Eine Fahrkarte kostet für Erwachsene einen Euro, Kinder zahlen 50 Cent. Startpunkt ist beim Rewe beziehungsweise Aldi-Markt in Maulbronn. Nach Zaisersweiher soll es 24 Minuten dauern, bis der Bus zurück ist, nach Schmie 28 Minuten hin und zurück und die Ortstour durch Maulbronn dauert insgesamt 18 Minuten.
Weitere Fahrerinnen und Fahrer erwünscht
Gestemmt werde die feste Fahrtroute mit 23 Fahrerinnen und Fahrern. „Das reicht für den Alltagsbetrieb, wenn jede Fahrerin und jeder Fahrer zweimal pro Monat einen halben Tag fährt“, erklärt Kammer und fügt hinzu: „Wir freuen uns aber über weitere Fahrerinnen und Fahrer, dann hat man auch gewisse Reserven für Ausfälle und Urlaubszeiten.“ Überwiegend handele es sich bei den Fahrerinnen und Fahrern um Menschen im Ruhestand zwischen 60 und 70 Jahren. „Es gibt aber auch einige Berufstätige, die nur an bestimmten Tagen in der Woche fahren können. Aber das lässt sich organisieren“. Voraussetzung, um den Bürgerbus zu fahren, ist ein Führerschein für Pkw (Klasse B) und eine gute Gesundheit. „Es muss der sogenannte Personenbeförderungsschein – ähnlich wie bei Taxi- und Busfahrern – erworben werden, für den eine ärztliche Gesundheitsuntersuchung erforderlich ist“, erläutert Kammer.
Appell an lokales Gewerbe
Der ehrenamtlich betriebene Bürgerbus wurde laut dem Vorsitzenden für eine stolze Summe in Höhe von über 100.000 Euro angeschafft. „Circa drei Viertel hat die Stadt Maulbronn finanziert, für das restliche Viertel haben wir einen Zuschuss vom Land Baden-Württemberg erhalten. Einige der zurzeit anstehenden Anlaufkosten werden zum Teil vom Verein und zum Teil von der Stadt finanziert.“ Die laufenden Betriebskosten – dazu gehören Treibstoff, Wartung und Reparaturen – müssten aus dem Fahrkartenverkauf, Werbeflächen auf dem Bus und sonstigem Sponsoring abgedeckt werden. „Bis zum geplanten Betriebsbeginn Anfang September haben wir ausreichende Ressourcen. Es fehlt aber noch an verkaufter Werbefläche auf dem Fahrzeug zur Finanzierung des laufenden Betriebs. Da appellieren wir an das lokale Gewerbe, sich zu beteiligen“, so Kammer.
Unterstützung von der Gemeinde
Das ehrenamtliche Engagement von Bürgerinnen und Bürgern, etwas für ihren Ort zu leisten und damit verbunden auch einen Bürgerbusverein aufzubauen, bedeute auch eine umfassende, aber notwendige bürokratische Arbeit: Von der Vereinssatzung über die Betriebsgenehmigung durch das Landratsamt, Kooperationsvereinbarung mit der Stadt, Regeln für die Fahrgäste und Fahrer und die Ausarbeitung der Fahrstrecken, Definition der Haltestellen bis hin zur Erstellung eines Fahrplans. „Das erfordert Geduld, viele Abstimmungsgespräche, Papierkram und letztendlich ein gutes Team. Das haben wir hier in Maulbronn gehabt“, sagt der Vereinsvorsitzende. Besonders hervorheben möchte er, dass er von der Gemeinde eine hervorragende Unterstützung erhalten habe. „In fachlichen Fragen haben uns auch die Kollegen aus unserer Nachbargemeinde vom Bürgerbus Wiernsheim, den es schon seit 2011 gibt, beraten und Unterstützung kam auch vom Landesverband der Bürgerbusse ‚proBürgerbus Baden-Württemberg‘.“ Über 40 Bürgerbusvereine gebe es laut Kammer inzwischen in Baden-Württemberg. Mit dem Bürgerbusverein in Maulbronn kommt nun ein weiterer dazu.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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