Diedelsheimer Feuerwehrmänner halfen bei Hochwasser in Rheinland-Pfalz/Interview mit Zugführer Benjamin Leicht
Berührender Zusammenhalt in der größten Not

Benjamin Leicht (1. Reihe, 2. von rechts) und der Hochwasserzug Karlsruhe-Land bei einer kurzen Pause in Kordel in Rheinland-Pfalz.  | Foto: privat
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  • Benjamin Leicht (1. Reihe, 2. von rechts) und der Hochwasserzug Karlsruhe-Land bei einer kurzen Pause in Kordel in Rheinland-Pfalz.
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Bretten/Rheinland-Pfalz (kn) Die Bilder der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen lassen niemanden unberührt. Letzte Woche haben Starkregen-Ereignisse dort ganze Landkreise unter Wasser gesetzt, Autos und Häuser weggespült und vielen Menschen nicht nur Hab und Gut, sondern auch ihr Leben genommen. Aus ganz Deutschland sind Einsatzkräfte in die betroffenen Gebiete zu Hilfe geeilt, unter ihnen auch Benjamin Leicht. Der 33-Jährige ist Zugführer bei der Freiwilligen Feuerwehr Bretten, Abteilung Diedelsheim und zusammen mit fünf weiteren Feuerwehrmännern aus Diedelsheim in Kordel in Rheinland-Pfalz, in der Nähe von Trier, für zwei Tage im Einsatz gewesen. Im Gespräch mit Redakteurin Katrin Gerweck hat er davon berichtet.

Wie kam es, dass Feuerwehrleute aus Bretten in die Notgebiete entsandt wurden?
Für den Katastrophenschutz gibt es bundeseigene Fahrzeuge, die bei Notlagen abberufen werden, und in Bretten steht eines davon, erkennbar am Logo „Bevölkerungsschutz Baden-Württemberg“. Angefordert wurden am Donnerstagabend sechs Kräfte und das Fahrzeug. Zu dem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, wo wir genau hinkommen. Jeder hat schnell zuhause noch das Nötigste gepackt, 20 Minuten später haben wir dann das Fahrzeug mit Getränken, Masken und was sonst noch gefehlt hat, beladen und sind dann los nach Bad Mingolsheim, wo sich der Hochwasserzug Karlsruhe-Land gesammelt hat. Vom Landratsamt kam dann der Marschbefehl und unser erster Anlaufpunkt war die ehemalige Bundeswehrkaserne Hermeskeil östlich von Trier.

Sie sind dort gegen Mitternacht angekommen. Ging es dann gleich los?
Nein. In einer Halle war ein Massenlager mit rund 300 Feldbetten eingerichtet, wo wir uns erstmal schlafen gelegt haben. Kurz vor vier Uhr am Morgen wurden wir aber schon geweckt und an unseren Zielort Kordel geschickt. Nach einem kurzen Zwischenstopp im nahen Welschbillig, wo wir mit Kaffee und Brötchen verpflegt wurden, ging es weiter nach Kordel.

Was hat Sie dort erwartet?
Bis dahin hatten wir nur Bereiche gesehen, an denen die Mosel über die Ufer getreten war. Die Anfahrt nach Kordel war dann aber schon erschwert. Entlang des Altbachs, eines Zulaufs des Flusses Kyll, an dem Kordel liegt, waren Erdrutsche, entwurzelte Bäume und Geröllmassen auf der Zufahrtsstraße, die von einem Radlader gerade erst notdürftig beiseite geräumt worden waren. Und als wir in den Ort hineingefahren sind, haben wir gesehen, dass der gesamte Ortskern unter Wasser steht. Mittendrin standen herrenlose Bundeswehrfahrzeuge. Bei der Evakuierung des dortigen Altenheims waren sie vom Wasser so überflutet worden, dass die Menschen sich über die Luken aus den Fahrzeugen hatten retten müssen.

Wie sah Ihr Hilfseinsatz aus?
Wir waren einer der ersten externen Züge dort. Zuerst gab es eine Lagebesprechung. Unser Auftrag war es, den Ortskern wasserfrei zu bekommen. Die Gewässer waren schon zurückgegangen, sodass wir mit unserem Fahrzeug, das mit Pumpe und Tragkraftspritze ausgerichtet ist, gleich beginnen konnten. Wobei es im Dreckwasser nicht einfach ist, den richtigen Platz zu finden, zumal wir ja nicht ortskundig waren und nicht wussten, wo vielleicht Löcher im Untergrund durch hochgeschwemmte Gullydeckel sind. Als das Wasser dann soweit weg war, haben wir im zweiten Schritt in den Häusern weitergemacht, die von Bausachverständigen vorher kategorisiert worden waren: von „bedenkenlos betretbar“ bis „einsturzgefährdet, nicht in die Nähe kommen“.

Und wo waren die Dorfbewohner?
Solange das Wasser noch im Ortskern stand, haben wir von der Bevölkerung nicht viel mitbekommen. Als das Wasser abgepumpt und die Wohnungen betretbar waren, sind dann aber nach und nach auch die Leute gekommen. Die allermeisten waren froh und dankbar, dass sich die Feuerwehr kümmert, und hatten auch Verständnis, wenn wir uns erst um ein anderes Haus kümmern mussten.

Was waren die größten Herausforderungen?
Es gab viele unterspülte Heizöltanks, sodass wir achtgeben mussten, nicht das verunreinigte Wasser in die Natur abzupumpen. Außerdem ist das auch eine gesundheitliche Zusatzbelastung. In manche Kellerbereiche konnten wir wegen der Öldämpfe nur unter Atemschutz. Ganz wichtig ist, dass man in jeder Situation umsichtig agiert.

Welche Eindrücke werden Sie nicht vergessen?
Einmal diese Masse an betroffenen Haushalten, das hatte schon eine erschreckende Dimension. Dann aber auch Schönes, zum Beispiel, wie Alt und Jung zusammengehalten haben. Als das Wasser weg war, haben auch viele Kinder mit Gummistiefeln und in Latzhosen mit kleinen Schaufeln unermüdlich geholfen, den Schlamm wegzuschippen. Und wenn die nächste Schicht kam, egal, haben sie weitergemacht. Anwohner, die nicht vom Hochwasser betroffen waren, sind mit Kaffee und Süßigkeiten auf einem Bollerwagen gekommen und haben auch uns verpflegt. Auch die Gelassenheit der meisten Menschen hat mich beeindruckt. Und nicht zuletzt die Kameraden der Feuerwehr in Welschbillig, wo wir die zweite Nacht verbracht haben. Die haben uns so großzügig und offen willkommen geheißen, Feldbetten organisiert und ein Gästehaus, in dem wir duschen und ausruhen konnten. Und am Morgen haben sie sogar noch Croissants für uns aufgetrieben, obwohl alle Bäcker und Metzger ausverkauft waren.

Wie verkraftet man so einen anstrengenden Einsatz?
Damit geht jeder anders um. Mir persönlich hilft es, davon zu erzählen. Wir können auf Wunsch auch professionelle Unterstützung des Einsatznachsorge-Teams bekommen. Der Zusammenhalt der Einsatzkräfte, wie es dort vor Ort war, ist ebenfalls eine Stütze. Und natürlich die tolle Geste unserer Kameraden, die zuhause geblieben waren, die uns vor der Rückfahrt gesagt haben: „Stellt einfach das Auto in die Halle, wir kümmern uns um die Instandsetzung.“ Ich muss aber auch sagen, wir hatten Glück, denn die Lage in Kordel war noch überschaubar. Andere Orte sind noch schlimmer getroffen worden.

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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