Uff!
Die Altstadtrettung Bretten hat fertig!

Genug destruktiv gemault, zumindest für 2021. Auch Nervensägen brauchen ab und zu mal ein bisschen Entspannung. Wir können uns nicht um alles kümmern. Die Altstadtrettung Bretten verabschiedet sich in die Weihnachtspause. Zuvor aber, bevor der Weihnachts-Schlendrian Einzug hält: Ein Blick zurück auf die vergangenen beiden Monate: Was haben wir erreicht?

Im Gemeinderat zeichnet sich eine deutliche Mehrheit gegen einen Abriss des Böckleareals im Jahr 2022 ab.
Das erste Etappenziel ist somit erreicht!

Wie wir das geschafft haben? Hier eine kurze Zusammenfassung*: Wir haben zur Entschärfung der Debatte und zugunsten des Erhalts des Böckleensembles eine Kausalkette angestoßen, die ihresgleichen sucht:

Wir baten die Stadt, den ehemaligen Sporgassenparklatz mit einem Parkhaus für die Besucher des Böckleensembles (oder des Schotterplatzes nach dem Abriss) zu bebauen.
Wir haben nach Baubeginn auf Facebook darauf hingewiesen, dass eine Audienz beim Papst leichter zu bekommen sei als ein Parkplatz in der Sporgasse. Der Abbiegeverkehr kam dadurch quasi zum Erliegen.

Ergebnis: Dank unserer Maßnahme kommen die Busse seit 50 Jahren zum ersten mal um die Böckle-Ecke (gern geschehen!).

Darüberhinaus haben wir die deutsche Bahn gebeten, die Schienen für die Zabergäubahn im Januar 2022 vorerst nur bis vors Melanchthongymnasium zu verlegen.
Von dort aus geht es dann mit dem Bus (Schienenersatzverkehr) ums Eck, dann wieder weiter mit der Bahn ab der Umsteigestelle Sporgasse West.

Ausblick: Derweil planen wir einen Bahntunnel zur Verkehrsentlastung zwischen Weißhofer Straße und Sporgasse. Die Zwerge von Moria haben bereits ihre Unterstützung zugesagt.

Scherz beiseite (hab mich da vielleicht etwas vergaloppiert). Im Ernst:
Wir haben alle Gemeinderatsfraktionen um ein persönliches Gespräch gebeten, um unsere Beweggründe und Abrissalternativen erläutern zu dürfen. Eine deutliche Mehrheit der Gemeinderatsmitglieder hat dieses Angebot bereits wahrgenommen. Die übrigen Fraktionen und Oberbürgermeister Wolff haben Gesprächstermine im Januar angekündigt.
Das erste 3D-Modell der Brettener Altstadt mit geschlossenem Mauerring war zur Verdeutlichung der Thematik bei unseren Gesprächen stets mit anwesend. Im Dialog haben wir das oberste Ziel der Altstadtrettung erläutert. Demnach muss die Brettener Altstadt generell per Erhaltungssatzung nach §172 BauGB unter Schutz gestellt werden. Wir haben nämlich keine Lust, zukünftig um jedes einzelne erneut zur Disposition stehende Altstadthaus kämpfen zu müssen. Die Brettener besitzen mit ihrer Altstadt einen wahren Schatz, um den sie andere Städte beneiden. Wir wollen in der DNA des kollektiven Bewusstseins verankern, dass es Ehrensache ist, dieses Kapital zu hegen, zu pflegen und nach Kräften zu mehren. Die Wirtschaftlichkeit darf hier gerne berücksichtigt werden, aber auf faire Art und Weise. Häuser haben schon immer Investitionen gefordert. In der Altstadt sind die Gebäude jedoch nicht allein nur zweckdienlich zu sehen, sie verkörpern wer wir sind und woher wir kommen.

Im Gespräch mit den Gemeinderät*innen haben wir bezüglich des Böckleensembles dessen historischen und optischen Wert herausgestellt und zur städtischen Abrissabsicht konkret erläutert:
Die Freigabe der Geldmittel für einen Abriss und eine Neugestaltung des Böckleareals im Haushaltsjahr 2022 wäre den Bürgern gegenüber unverantwortlich. Die Abrisskosten lägen mit 250.000€ weit über den in Aussicht stehenden Landeszuschüssen in Höhe von 110.000€. Ihr glaubt nicht, dass das so viel kostet? Fragt Herrn Fabian Meier von der Keune Bau Freiburg i. Br. Der hat mir das entwurfsmäßig ausgerechnet, ich darf ihn zitieren.
Außerdem: Eine bisher nicht vorgelegte Nachnutzung des Geländes muss auch bezahlt werden. Bisher haben weder die Stadtverwaltung noch die Abrissbefürworter diese Gesamtkosten - also für Abriss und Nachnutzung - vorgelegt. Eines dürfte jedoch klar sein: Angesichts der 4,2 Millionen Neuverschuldung im Jahr 2022 dürfen die Bürger der Stadt und dem Rat keine politischen Spielchen nachsehen. Das sehen die verantwortungsbewussten Gemeinderät*innen - eine Mehrheit von min. 17 Personen - genauso wie wir.

Fazit: Das Böckle bleibt vorerst, denn In der angespannten Haushaltslage 2022 dürfen keine neuen Schulden für einen Abriss intakter Fachwerkhäuser aufgenommen werden. Zumal keine Dringlichkeit besteht. Die Gebäude stehen seit 12 Jahren in städtischem Besitz leer, da kommt es auf ein weiteres Jahr nicht an.

Nur noch wenige Gemeinderäte krallen sich krampfhaft an der am Boden liegenden Abrissbirne fest. Sie möchten zuerst abreißen und dann den Bürgern gestehen, dass der Abriss und die Neugestaltung des Areals auch Geld kostet. Danach heißt es mal wieder: “Upss! Sorry liebe Bürger, hatten wir vergessen zu sagen. Kann ja mal passieren, wenn man damit beschäftigt ist, von sich selbst gesetzten Denkmälern auf dem plangeschobenen Böckleareal zu träumen. Zudem mussten wir die Spinner von der Altstadtrettung in Schach halten, mittels der permanenten Einforderung von Finanzierungskonzepten im Falle eines Erhalts der Gebäude. Sonst hättet ihr ja gemerkt, dass wir kein Konzept und keine Finanzierungsidee für die Zeit nach dem Abriss haben. So ein Abriss auf Vorrat schafft Tatsachen, selber Schuld, dass ihr das vorher nicht gecheckt habt! Jetzt isses weg. So.”

Wir hingegen bleiben seriös bürokratisch und haben für 2022 einen Fünf-Stufen-Plan entwickelt. Er hat zum Ziel (Überraschung!) das Gebäudeensemble Weißhofer Str. 33-37 im Stadtbild dauerhaft zu erhalten. Das könnte in etwa so aussehen:

1) Die technische Grundlagenermittlung: Kram wie historische Baupläne aufspüren, ggf. aktuelle anfertigen, bauhistorische Untersuchungen etc. Wir unterstützen, wo wir können.
2) Die Verkaufsoption: Auf Basis der technischen Grundlagen werden wir die Stadt bitten, einen Verkauf an privat Hand zu prüfen. Die Stadt könnte dadurch den Haushalt gegebenenfalls sogar aufbessern. In den letzten 12 Jahren seit dem Kauf durch die Stadt hat sich auf dem Immobilienmarkt viel getan. Satte Förderungen winken dem Sanierer und machen solche Objekte interessant. Die Altstadtrettung besteht bei der Verkaufsoption darauf, dass ein Zuschlag ausschließlich an Investoren und Sanierungsplaner mit ausgezeichneter Expertise in Bezug auf denkmalgerechte Sanierungen erfolgen darf. Entsprechende Klauseln müssen im Vertragskonstrukt berücksichtigt werden (Erhaltung des Bestandes als Ensemble, Maximalfrist bis Sanierungsbeginn, Rückabwicklungszwang bei Nichteinhaltung etc.). Ein: “Mist, jetzt ist das Dach nach Jahren der Untätigkeit plötzlich undicht, wir müssen leider doch abreißen” wird die Altstadtrettung mit allen Mitteln zu verhindern versuchen.

Falls der Verkauf nicht gelingt:

3) Die Erarbeitung von öffentlichen Nutzungskonzepten: Auf Basis der technischen Grundlagen sollen im offenen Bürgerdialog Konzepte erarbeitet werden (Museum? Vereinsheime?)
4) Die Finanzierung: Auf Basis der mehrheitsfähigen Konzepte sollen Finanzierungsoptionen erarbeitet werden.
5) Die Entscheidung: Der Gemeinderat entscheidet sich für die Umsetzung eines Projekts

Oberbürgermeister Wolff ließ in der Presse bereits erkennen, dass die Diskussion zur Zukunft des Böckleensembles seinerseits in 2022 ergebnisoffen geführt wird. Damit geht’s dann nahtlos weiter - nur unterbrochen durch eine kurze Weihnachtspause...

Matthias Goll

www.altstadtrettungbretten.de

P.S. Seit dem 16.12.2021 ist die Altstadtrettung Bretten ein nicht eingetragener Verein mit Satzung und allem PiPaPo. Aus dem Stand haben wir 17 Mitglieder. Die Vereinigung der Brettener Unternehmen hat uns am 17.12.2021 eine Spende von 1500€ überreicht. Tausend Dank dafür!

* kann Spuren von Satire enthalten.

Autor:

Matthias Goll aus Bretten

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