Interview mit dem neuen Brettener Stadtvogt Thomas Lindemann
„Ihr müsst das live erleben“

Thomas Lindemann ist der neue Vogt der Stadt Bretten und Vorsitzender der Vereinigung Alt-Brettheim. | Foto: Thomas Rebel
  • Thomas Lindemann ist der neue Vogt der Stadt Bretten und Vorsitzender der Vereinigung Alt-Brettheim.
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Bretten (swiz) Seit der Hauptversammlung der Vereinigung Alt-Brettheim (VAB) am vergangenen Freitag hat Bretten mit Thomas Lindemann einen neuen Vogt. Lindemann hat damit Peter Dick abgelöst, der seit 1994 an der Spitze der VAB stand und das Amt des Vogtes innehatte. Im Interview mit der Brettener Woche spricht Thomas Lindemann unter anderem über die Faszination des Peter-und-Paul-Festes und seine Einstellung zur neuen Aufgabe.

Herr Lindemann, Sie wurden auf der Hauptversammlung der Vereinigung Alt-Brettheim zum neuen Stadtvogt gewählt. Mit wie viel Demut und/oder Respekt geht man so eine Aufgabe an?
Demut ist ein großer Begriff. Es bedeutet im Althochdeutschen „dienstwillig“. Das bin ich. Im Wort steckt „Mut“. Den habe ich. Ich akzeptiere, dass es Höheres gibt, auch Unerreichbares. Und auch in der modernen Definition des Begriffes etwa im Management finde ich mich wieder: Demut hat, wer die eigenen Stärken und Schwächen erkennt, andere dafür anerkennt, was sie tun, immer lernbereit und offen ist und versteht, dass er/sie nur ein kleiner Teil eines größeren Ganzen ist. Also: Ja, ich gehe den Stadtvogt mit Demut und dem nötigen Respekt an. Es ist durchaus eine Herausforderung für einen Verein an dieser Stelle tätig zu werden, dessen Hauptzweck seit zwei Jahren mehr oder weniger brachliegt.

Wie lange sind Sie schon Mitglied der Vereinigung Alt-Brettheim? Wie ist Ihre „Karriere“ in der VAB verlaufen?
2011 stand ein Unikat bei mir im Verlag in Karlsruhe, der die „geilschten Bilder vom Fescht überhaupt“ in ein Buch packen wollte: Tom Rebel. Er hat mich überzeugt. Oder überrollt. Wie auch immer. Wir haben das Buch zusammen gemacht. Und 2012 hat er mich dann verschleppt. In die Marketinggruppe. Da kommt man nicht mehr so ohne Weiteres raus … Die haben mir (richtig ist: der ganzen Familie!) dann ziemlich schnell den VAB-Marketingwagen „vermacht“, mit dem wir zuerst zwischen Garküche und Guggemol, dann zwischen Tourist-Info und Melanchthonhaus alljährlich Peter-und-Paul-Merchandising-Produkte und Bücher angeboten haben. Gerhard Franck hat mich eines Tages gebeten, mit ihm gemeinsam den Sprecher der Marketinggruppe der Vereinigung Brettheim zu machen. Einem Freund etwas ausschlagen? Beim Landsknechtsjubiläum im Burgwäldle 2018 hat Peter Dick mich gefragt, ob ich mir vielleicht vorstellen könnte, irgendwann in weiter Zukunft mal als Stadtvogt zu kandidieren …

Das Peter-und-Paul-Fest ist, obwohl es die Vergangenheit zelebriert, kein Fest, das man mit Stillstand verbindet. Immer wieder gab es prägende Änderungen. Welche Veränderungen sehen Sie in den nächsten Jahren auf das Peter-und-Paul-Fest zukommen?
Von außen betrachtet ist das Fest ein Selbstläufer und Dauerbrenner. Von innen betrachtet ist es ein Hort ständiger Veränderung. Im Großen wie im Kleinen. Das liegt an den unterschiedlichsten Belangen der Akteure, der Verwaltung, der Macher*innen. Die Landesgartenschau etwa wird die Topografie der Stadt und damit von Peter-und-Paul ganz bestimmt verändern. Aber das ist noch etwas hin. Ich mag im Moment auch nicht zuvorderst in die nächsten Jahre blicken, das nächste genügt. Zwei Jahre kein Fest, das muss man erst einmal wieder aufnehmen. Und da bleibt, bei allem vorsichtigem Optimismus, pandemiebedingt derzeit noch vieles vage. Sind wir schnell genug mit dem Impfen? Was bringt der Winter? Was bedeutet das für das Fest 2022, das wir alle herbeisehnen. Da könnte es Veränderungen geben in Sachen Sicherheit, Hygiene, Zugänglichkeit; Beschränkungen auf den ersten Blick, die aber auch Chancen bergen, Abläufe, Kulissen, Austragungsorte neu zu denken und zu ordnen. Nachhaltiger, vielleicht da oder dort auch schlanker zu werden. Die Preisstruktur muss auf den Prüfstand. Und dann müssen wir alle jene wieder einfangen, die all die Jahre von außen des Festes wegen nach Bretten gepilgert sind. Da kommt viel Spannendes auf uns zu. Insgesamt werden die kommenden Jahre auch ein iterativer Prozess sein, ein Ausprobieren, auch mal ein Hin und ein Her. Aber war das nicht immer so?

Eine Veränderung ist laut den Planungen der Stadt mit der Bebauung der Sporgasse nicht mehr aufzuhalten. Als Alternative für den Standort des Rummels gibt es dann offenbar nur noch den Platz vor und hinter dem Technischen Rathaus. Wie beurteilen Sie die Thematik?
Das ist der Stand der Dinge. Nach einer Vielzahl von Überlegungen. Aber in Stein gemeißelt ist da noch nichts. Der Rummel war an der perfekten Stelle, wenn es um die Möglichkeit einer schnellen Zeitreise vom Mittelalter ins Hier und Jetzt geht. Die direkte Anbindung ans Fest. Das lässt sich in dieser Weise nicht wieder auflegen. Den einen war und ist er wichtig, den anderen ein Dorn im Auge. Solche Parallelwelten kann man aushalten. Fahrgastgeschäfte, Verkaufsbuden und Bierzelt sorgten nicht nur, insbesondere auch für Familien, für Abwechslung, sondern waren auch ein allseitiger Umsatzbringer, eine feste Größe im Haushalt der Vereinigung Alt-Brettheim. Das an anderer Stelle aufzufangen, ist nicht einfach. Ob der Bereich Gleisdreieck dafür taugt oder ob das zu abseits ist, ob das Riesenrad auf dem Kreisel vor dem technischen Rathaus sich mit Blick auf das Kraichgau-Center ebenso schön dreht, all das kann man beurteilen, wenn man es ausprobiert hat.

Wenn Sie es einem Peter-und-Paul-Laien erklären müssten: Was macht für Sie die Faszination des Peter-und-Paul-Festes aus?
Viele Freunde und Bekannte, die meisten davon leben weiter oder ganz weit weg, haben mich oft gefragt, was wir da machen, wenn sie etwa bei Facebook Bilder aufgeschnappt haben, oder ich berichtete, dass ich dann jetzt mal fünf Tage weg bin. Ein Mittelalterfest ist meiner Erfahrung nach für Otto Normalverbraucher oft ein Mix aus Wikinger- und Ritterspielen, „Gothic-Trallala“, Köttbullar anno 1500 und „Currywurscht“ bei erquicklicher Mengen Met, Gerstensaft und schlechtem Wein und dazu Mittelalter-Rock von „In Extremo“ auf dem Trommelfell. „Und da lauft ihr alle ungewaschen vier Tage lang verkleidet durch die Gegend und sauft euch die Hucke bei Schalmeienklängen zu?“ Verneinen macht alles noch schlimmer. Mein Cousin ist beim Deutschlandfunk. Ich habe ihm immer gesagt: Ihr müsst das live erleben. Das ist ganz anders als der Rest der Menschheit denkt. Das ist ein Lebensgefühl, in Worten kaum vermittelbar. Hat er gemacht. Mit seiner Frau. Seither sind sie besessen. Bekehrt. Das kommt gleich nach Weihnachten. Himmelfahrt auf andere Weise. Göttlich.

Sie treten als Nachfolger von Peter Dick in große Fußstapfen. Was haben Sie an ihm als Stadtvogt besonders geschätzt und gibt es etwas, dass Sie aus seiner Amtszeit gerne adaptieren möchten?
Es gibt vieles, was ich an ihm schätze, darunter sein stets freundliches Wesen, seine Bedächtigkeit. Seine Ruhe und Ausgeglichenheit tun gut. Wir sind beide Jungfrauen. Herbstkinder, des gleichen Tages übrigens. Denen sagt man nach, sie mögen es am liebsten, wenn alles in geordneten Bahnen verläuft, gut strukturiert und durchdacht ist, so dass eine ordentliche Ernte eingeholt werden kann. Ich bewundere seine Stringenz in Sachen Mode, muss sie aber nicht unbedingt adaptieren.

Wenn Sie Ihr Amt als Stadtvogt einmal niederlegen, was wünschen Sie sich, dass dann über sie gesagt wird?
Schön war’s.

Die Fragen stellte Brettener Woche/kraichgau.news-Redaktionsleiter Christian Schweizer.

Mehr zum Peter-und-Paul-Fest lesen Sie auf unserer großen Themenseite.

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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