Steht Anwesen auf alten Befestigungsanlagen?
Areal der Pforzheimer Straße 45 wird ein "archäologischer Prüffall"

Hat schon bessere Tage gesehen: Der ehemalige Irish Pub an der Pforzheimer Straße.  | Foto: ger
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Bretten (ger) In seiner jüngsten Sitzung Ende Mai war der Brettener Gemeinderat darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Pforzheimer Straße 45, in der zuletzt der Irish Pub war, für eine neue Wohnbebauung abgerissen werden soll. Ein Investor plant, auf dem Grundstück zwei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 14 Wohnungen zu bauen. Die Sitzungsvorlage der Verwaltung betont, dass das Grundstück sowohl außerhalb des Geltungsbereichs der Altstadtsatzung, als auch der geplanten Erhaltungssatzung liege. Eine Überprüfung des Landesdenkmalamts im Dezember 2022 habe zudem ergeben, dass „bei dem Gebäudebestand keine Denkmalrelevanz“ bestehe und auch „keine Kenntnisse im Hinblick auf eine Bodendenkmalrelevanz“ vorliegen würden.

Anwesen liegt auf Befestigungsanlagen vor dem Stadttor 

Matthias Goll von der Initiative Altstadtrettung Bretten sieht das anders. Er war hellhörig geworden, als er bereits Ende letzten Jahres von dem beabsichtigten Abriss erfahren hatte. Im Gespräch mit der Brettener Woche erläuterte er, dass das Anwesen zwar außerhalb der früheren Stadtmauer liege, aber dennoch in zweierlei Hinsicht bedeutsam für die Stadtgeschichte sei. Erstens sei in dem heute noch bestehenden Gebäude die Gaststätte „Stadt Pforzheim“ gewesen, die bis in die 1960er Jahre ein wichtiger Veranstaltungsort für die Stadt gewesen sei. Zweitens sehe man auf alten Karten, nämlich dem Merian-Stich von 1645, einer Skizze von Samson Schmalkalder von 1689 sowie einem Gemarkungsplan von 1740, dass an eben dieser Stelle mittelalterliche Befestigungsanlagen gewesen seien. Mit diesen Belegen hatte sich Goll an das Landesdenkmalamt gewandt. Die Behörde solle bitte untersuchen, ob das Gebiet nicht doch ein archäologischer Prüffall sei, da das Kartenmaterial beweise, dass schon vor dem Stadtbrand 1689 dort Bebauung vorgelegen habe.

Wo lag die "Insel"?

Am 2. Juni hat Goll vom Landesamt für Denkmalpflege die Bestätigung erhalten, dass auf Grundlage seiner Belege „der archäologische Prüffall um den Bereich der Pforzheimer Straße 45 erweitert“ wurde. Das bedeute, sagte Goll im Gespräch, dass an dieser Stelle sensibel darauf geachtet werden müsse, ob sich im Boden historische Zeugnisse befinden. Aufgrund der Karten sei, so Goll, davon auszugehen, dass sich genau an dieser Stelle aufwendige Toranlagen, „wohl eine Zwingeranlage, also ein Annäherungshindernis an die Stadtmauer“ sowie Brücken befunden hätten. Goll hofft auch auf Erkenntnisse über die Bachläufe in früheren Zeiten, die sich immer wieder geändert haben. Das Gebiet zwischen der Georg-Wörner-Straße und dem Anwesen in der Pforzheimer Straße sei als „Insel“ bezeichnet worden, vielleicht sei dort ein Kanal verlaufen.

Bedeutsame Geschichte des Gebäudes

Die Altstadtrettung sähe auch gerne die Fassade zur Pforzheimer Straße hin erhalten, schließlich handle es sich um das älteste Gebäude außerhalb der Stadtmauer. Wolfgang Stoll, Vorsitzender des Vereins für Stadt- und Regionalgeschichte Bretten, umreißt die bedeutsame Geschichte des Gebäudes, das 1821 als Schankwirtschaft gegründet wurde und damals noch von allen Seiten von Wiesen und Gärten umgeben war. Die Wirtschaft, die ab 1835 unter dem Namen „Stadt Pforzheim“ firmierte, verschaffte sich einen guten Ruf. Die Schäferzunft, die alljährlich ihren Schäferlauf in Bretten abhielt, stieg dort ab.

2018 schloss auch das Irish Pub

Später kehrten dort auch die Handelsleute ein, die zu den bedeutenden Viehmärkten nach Bretten kamen, weil sie ihre Tiere in den Ställen auf dem Anwesen unterbringen konnten. 1912 wurden die Wirtschaftsräume um einen kleineren und einen sehr großen Saal erweitert, der für Jahrzehnte als Festsaal für private und öffentliche Veranstaltungen diente. In der Faschingszeit 1964 wurde die Stadt durch den fürchterlichen Brand des Saalanbaus erschüttert. Es blieb zwar ein Saal für 100 Gäste, aber ab 1970 wechselten Pächter und Geschäftsideen. 2018 schloss das Irish Pub, das zuletzt dort ansässig war.

Stadt: "Die Einstufung hat keine unmittelbaren Auswirkungen"

Auf Nachfrage teilt die Stadt mit, dass sie bislang keine Mitteilung des Landesamtes für Denkmalpflege erhalten habe, dass die betreffende Fläche als archäologische Verdachtsfläche aufgenommen worden sei. Ungeachtet dessen sei aber aktuell im für die Baurechtsbehörde zugänglichen Denkmalpflege-Informationssystem ADABweb des Landesamtes für Denkmalpflege eine Einstufung der Fläche als eine archäologische Prüffläche erfolgt. „Diese Einstufung der Fläche als archäologische Verdachtsfläche hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Bauvorhaben beziehungsweise den beabsichtigen Abbruch der Gebäude“, betont die Stadt und führt weiter aus: Grundsätzlich gelte nach den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes für alle Grundstücke in Baden-Württemberg eine Unterrichtungspflicht durch den Bauherrn, wenn Gegenstände gefunden werden, von denen anzunehmen ist, dass an ihrer Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht. Bei Bauvorhaben innerhalb denkmalrechtlicher Verdachtsflächen werde das Landesamt für Denkmalpflege regelmäßig an den baurechtlichen Verfahren beteiligt, in der Regel erfolgt seitens des Landesamtes für Denkmalpflege ein allgemeiner Hinweis auf die oben beschriebene Fundmeldepflicht.

Verhindern, "dass wieder ein Stück Bretten auf Deponie landet"

Dieser Allgemeine Hinweis sei, erklärt die Stadt, standardmäßig in Bretten bereits in den Allgemeinen Nebenbestimmungen bei allen städtischen Baugenehmigungen enthalten. Ein rechtlicher Ausschluss des Abbruchs der bestehenden Gebäude beziehungsweise ein Erhaltungsgebot bestehe selbst mit einer Aufnahme der Fläche als archäologische Prüffläche nicht. Altstadtretter Matthias Goll hofft indes, dass durch die Initiative der Altstadtrettung nun Bodenfunde dokumentiert werden und damit wenigstens vermieden werde, "dass wieder ein Stück Bretten auf der Deponie lande.

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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