"Eine Frage der Menschlichkeit"
Entscheidung über „Toilette für alle“ fällt im Gemeinderat

So könnte eine "Toilette für alle" aussehen. | Foto: "Toiletten für alle in Baden-Württemberg"
  • So könnte eine "Toilette für alle" aussehen.
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Bretten (kuna) „Stellen Sie sich vor, Sie sind in Bretten unterwegs – egal, ob Sie ein Eis essen, etwas trinken oder sich mit Freunden treffen. Und nun müssen Sie auf die Toilette. Doch die nächste für Sie benutzbare Toilette ist in Pforzheim oder Wiernsheim.“ Mit diesen Worten stellte Alexandra Grenzhäuser vom Verein Lasso dem Gemeinderat die Notwendigkeit einer „Toilette für alle“ in der Stadt vor.

Aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen

Viele Menschen und deren Angehörige werden laut Grenzhäuser aus dem öffentlichen Leben in Bretten ausgeschlossen, da selbst Behindertentoiletten für sie nicht nutzbar seien. Das betreffe Menschen mit komplexen Behinderungen, etwa mit Querschnittslähmung, Schädel-Hirn-Trauma, angeborener schwerer Behinderung oder Multipler Sklerose. Auch für ältere Menschen, die pflegebedürftig oder dement sind, seien Behindertentoiletten nicht grundsätzlich geeignet.

Mindestens 12.000 Euro für "Toilette für alle"

Eine „Toilette für alle“ könne die Teilhabe für diese Personen ermöglichen und sei daher "eine Frage der Menschlichkeit", so Grenzhäuser. Laut Stiftung "Leben pur" ist eine solche Toilette geräumig und mit einer Liege sowie einem Personen-Lifter ausgestattet. Dadurch sollen die Betroffenen rückenschonend von ihrem Rollstuhl auf das WC oder auf die Liege befördert werden können, etwa um die Inkontinenzeinlage zu wechseln. Die Stiftung beziffert die Kosten für die „Toilette für alle“ auf rund 12.000 Euro, hinzu kommen Kosten für Bau oder Umbau der Räumlichkeiten. Mit ihrem Anliegen steht Grenzhäuser nach eigenen Angaben schon seit längerem mit der Stadt in Kontakt. Und auch für den Seniorenrat handle es sich um ein „sehr dringliches Thema“.

Schon seit Jahren mit der Stadt in Kontakt

Oberbürgermeister Martin Wolff habe ihr bereits vor zwei Jahren versichert, dass eine solche Toilette in dem geplanten Ärztehaus auf der Sporgasse integriert werde. Allerdings soll es Schwierigkeiten bei der Terminfindung mit dem verantwortlichen Architekten gegeben haben. Nun liegt die Entscheidung über die Toilette in Händen des Gemeinderates. Gegenüber der Brettener Woche/kraichgau.news äußern sich dessen Mitglieder aufgeschlossen – und schlagen bereits mögliche Standorte vor.

Grüne: Bestand und Bedarf erfassen

So sehen die Grünen in Bretten „besonders dringlichen Handlungsbedarf“ und pflichten dem Anliegen von Grenzhäuser bei, „denn öffentliche Toiletten für alle gehören zur Daseinsvorsorge einer lebenswerten Stadt“. Zudem gebe es für derartige Vorhaben Förderungen vom Land. Nach Ansicht der Fraktion bedarf es eines Konzeptes, das zunächst eine Bestandserfassung und eine Erarbeitung des Bedarfes an öffentlichen Toiletten vorsieht. „Darüber hinaus sollten gute Lösungen gefunden werden, um Ausfälle der Toilettenanlagen zu vermeiden und die Vandalismusschäden einzudämmen“, heißt es weiter. Auch sei es wichtig, dass Menschen mit Behinderungen in die Gestaltungsprozesse eingebunden würden.

CDU sieht in "Toilette für alle" ein Menschenrecht

„Eine ‚Toilette für alle‘ ist derzeit in unserer Stadt nicht vorhanden“, erklärt auch der Brettener CDU-Fraktionsvorsitzende Martin Knecht. "Deshalb habe ich diesen Mangel auch in der letzten Gemeinderatssitzung thematisiert." Knecht betont, dass eine angemessene Sanitäranlage ein Menschenrecht sei und die Möglichkeit für alle Menschen darstelle, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Seine Fraktion setze sich daher für „diese notwendende Freiwilligkeitsleistung der Stadt“ ein. Als mögliche Standorte nennt er das geplante Ärztehaus auf der Sporgasse oder das Untergeschoss in der Weißhofer Galerie, das derzeit leer stehen würde und über einen Aufzug erreichbar sei.

SPD: "Am Geld darf es nicht scheitern"

Auch die SPD-Fraktion erklärt: „Wir brauchen im Herzen unserer Stadt unbedingt eine solche Einrichtung.“ Der Fraktionsvorsitzende Edgar Schlotterbeck spricht sich ebenfalls für die "Toilette für alle" im geplanten Ärztehaus auf der Sporgasse aus, könnte sich eine solche Sanitäranlage aber auch im Brettener Bahnhof vorstellen, der bis 2024 barrierefrei umgebaut werden soll. „Am Geld darf es in beiden Fällen nicht scheitern, unsere behinderten Mitmenschen müssen uns das ganz einfach wert sein“, betont er.

Die aktiven fordern Videoüberwachung

Vonseiten der Wählerinitiative die aktiven heißt es, dass die Fraktion schon vor längerer Zeit eine öffentliche Toilette für den Sporgassen-Bereich gefordert hätte. „Es wurde schließlich eine selbstreinigende Toilette mit Bezahlfunktion installiert“, schildert der Fraktionsvorsitzende Jörg Biermann. "Aufgrund von Vandalismus wurde diese dann aber wieder geschlossen." Die aktiven hätten außerdem schon öfter eine Videoüberwachung gefordert, die allerdings von der Stadtverwaltung und der Mehrheit des Gemeinderates immer wieder abgelehnt worden sei. "Wir halten die Abschreckung für sinnvoll", meint Biermann. "Vielleicht kann jetzt bei der Tiefgarage auf der Sporgasse wieder eine öffentliche Toilette errichtet werden. Auf jeden Fall soll die Verwaltung einen Vorschlag unterbreiten."

OB Wolff will Thema ergebnisoffen diskutieren

Gegenüber dieser Redaktion spricht sich auch Oberbürgermeister Martin Wolff für eine „Toilette für alle“ aus und betont, dass es sich dabei grundsätzlich um eine „sehr sinnvolle Einrichtung handelt, über die sich ein Nachdenken lohnt“. Die Stadt würde bereits verwaltungsintern prüfen, welche Kosten für die Einrichtung und den Betrieb anfallen würden und welcher Ort für eine solche Toilette geeignet sei. „Ebenso ermitteln wir mögliche Zuschüsse“, erklärt er im Hinblick auf die Finanzierung. "Wenn all diese Zahlen auf dem Tisch liegen, können wir das Thema ergebnisoffen mit dem Gemeinderat diskutieren", so das Stadtoberhaupt.

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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