"Angst ist ein schlechter Ratgeber"
Gemeinderat hat Brettener Haushalt für 2020 mehrheitlich beschlossen

Mit einer Enthaltung votierte der Brettener Rat für die Haushaltspläne der Melanchthonstadt 2020. hk
  • Mit einer Enthaltung votierte der Brettener Rat für die Haushaltspläne der Melanchthonstadt 2020. hk
  • hochgeladen von Christian Schweizer

Bretten (swiz) Der Haushalt 2020 der Stadt Bretten ist mit einer Enthaltung – Aufbruch-Stadtrat Hermann Fülberth versagte die Zustimmung – mehrheitlich vom Gemeinderat verabschiedet worden. Zuvor hatte es von den Fraktionen Lob und Kritik für den eingeschlagenen Kurs in finanziell schwierigen Zeiten gegeben. Wie berichtet, ist der Haushalt vor allem durch einen massiven Einbruch bei den Gewerbesteuereinnahmen geprägt. Geplant sind für 2020 16,5 Millionen Euro (2019: 22 Millionen Euro). Daher wird es auch einen eklatanten Rückschritt bei der Schuldenentwicklung geben. So ergibt sich eine Nettoneuverschuldung von 6,41 Millionen Euro. Dies lässt den Schuldenstand der Stadt bis 31. Dezember wohl auf 19,42 Millionen Euro steigen. Im schlimmsten Fall, so Kämmerer Wolfgang Pux, könnte sich der Schuldenstand bis 2023 gar auf 27,52 Millionen Euro erhöhen.

Einen "soliden Haushalt aufgestellt"

Man habe dennoch einen "soliden Haushalt aufgestellt", betonte Oberbürgermeister Martin Wolff. Aber es gelte in diesem Jahr, "dass wir den berühmten Gürtel enger schnallen und Prioritäten anders setzen müssen, als wir es sonst gewohnt waren". So hätten in vielen Bereichen die beantragten Mittel gekürzt werden müssen. Dennoch, so Wolff, sei es ihm wichtig, "dass die Sonderhaushaltsmittel für die Stadtteile uneingeschränkt zur Verfügung stehen".

Friedrichstraße wird zur Fahrradstraße

Im Folgenden streifte Wolff noch einmal die wichtigsten Projekte des Haushalts, wie die Ausstattung der Feuerwehr Bretten mit Digitalfunk, die Generalsanierung des Bronnerbaus und die fortschreitende Digitalisierung durch den "in Bälde abgeschlossenen Ausbau mit Glasfaser bis ins Haus". Aber dies sei alles nichts, ohne "die Schaffung der Voraussetzungen für die Menschen, die in Bretten investieren wollen, die in Bretten wohnen wollen und die in Bretten leben wollen." Zudem würden in Bretten die Themen "Mobilität und Klimaschutz" Hand in Hand gehen, so der OB. Man entwickle zum einen das Mobilitätskonzept, arbeite aber parallel schon an dessen Umsetzung. So werde die Friedrichstraße bald zur Fahrradstraße. Beim Thema Barrierefreiheit wies Wolff auf den für 2023 avisierten Baubeginn am Brettener Bahnhof und den geplanten Einbau einer Aufzugsanlage beim Alten Rathaus hin.

"Wohlüberlegte Steuerung der Verkehrsflüsse"

Bei den anstehenden Aufgaben sei "Angst ein schlechter Ratgeber", schloss Wolff und forderte vor allem Zuversicht und Mut bei den Zukunftsentscheidungen. Dem stimmte auch Bernd Neuschl für die CDU zu. Kritik gab es vonseiten der Christdemokraten aber zur Nicht-Ausweisung von neuen Gewerbegebieten durch die Stadt. "Wer nicht sät, kann auch nicht ernten", so Neuschl. Zudem müsse man bei den Investitionen antizyklisch denken. "Jetzt gehen wir Projekte für die Zukunft an und warten nicht, bis sich die finanzielle Lage verbessert". Dabei müsse es selbstverständlich sein, dass die Schulen instand gehalten und mit adäquater Ausstattung bedacht würden. Daneben sei eine "wohlüberlegte Steuerung der Verkehrsflüsse wichtig – eine ausgewogene Balance zwischen gewollter Belebung der Innenstadt versus unnötiger Verkehrsbelastung durch planerische Zentralisierung". Dabei dürfe das Wort "Ökologie" nicht zum Freibrief werden, um einer Kommune Belastungen aufzubürden, "welche von fragwürdigem Nutzen sind". Vor allem das Thema "Photovoltaik auf öffentlichen Gebäuden" sei kritisch zu beleuchten.

Ruf nach neuen Gewerbegebieten ist "unseriös"

Dem "reflexartigen" Ruf nach neuen Gewerbegebieten erteilte Otto Mansdörfer (Grüne) eine Absage. "Eine simple Fortschreibung unserer jetzigen Wirtschaftsstruktur mit Schwerpunkt im produzierenden Gewerbe halten wir für unseriös." Man müsse sich vielmehr auf die Dienstleistungsbranche konzentrieren, deren Wachstum "an Bretten vorbeigeht". Es fehle nicht nur ein Standort für Dienstleistungs- und Technologie-Unternehmen, auch gebe es keine Räume in Bretten, wo Startups gefördert würden. "Auch für Handwerkbetriebe gibt es keinen 'Brutkasten' und keinen Handwerkerhof". So etwas könnte man in der Bahnhofstraße und der Wilhelmstraße verwirklichen. Beim Thema Klimaschutz gelte es, so Mansdörfer, den Radverkehr signifikant zu verbessern. Zudem brauche es eine Nutzung der Solarenergie in jeder Form, eine klimaneutrale Entwicklung von Baugebieten und die Entsiegelung von Flächen.

"Keine seriöse Kommunalpolitik"

Die Solarenergie sieht die FWV-Fraktion zumindest im Hinblick auf das geplante Parkhaus auf dem Mellert/Fibron-Areal kritisch. "Sollen wir das Parkhaus für Mehrkosten von circa einer Million Euro tatsächlich mit einem Extra-Dach für eine Photovoltaik-Anlage oder für Begrünung vorbereiten?", fragte Stadtrat Bernhard Brenner. Der Betrag könnte für effektivere Umweltschutzmaßnahmen eingesetzt werden. Kritik gab es von Brenner auch am fehlenden Mittelabfluss: "Seit Jahren werden in Bretten Ausgaben beschlossen, wohl wissend, dass ein Großteil der Mittel aus unterschiedlichen Gründen gar nicht im vorgesehenen Jahr abgerufen werden kann." Die FWV werde daher "die Einführung einer Schlüsselposition beantragen, die den Mittelabfluss messbarer und das Verwaltungshandeln im Bauamt transparenter" mache. Volle Zustimmung gab es dagegen für die "angestrebte 100-Prozent-Abdeckung bei der Grundschulbetreuung, der „verlässlichen Schule“, als freiwillige Leistung der Stadt Bretten." Daneben sei der Ausbau der Radwegeverbindungen sowie der Neubau der Feuerwehrhäuser in Büchig, Gölshausen und Ruit essenziell. Eine klare Absage gab es von Brenner allerdings in Sachen "Blaulichtzentrum", das vor allem von den "aktiven" gefordert wird. Dies sei etwas "für Träumer" und

"Keine seriöse Kommunalpolitik"

Die so kritisierten "aktiven" forderten indes dennoch die Prüfung der Machbarkeit des Zentrums. Zustimmung kam von "aktiven"-Stadträtin Ariane Maaß für die "notwendigen Maßnahmen an den Schulen und Kindergärten". Ebenso seien "die aktiven für einen Ausbau des Fahrradnetzes, die weitere Umsetzung der Barrierefreiheit in Bretten sowie die Förderung von bezahlbarem Wohnungsbau. Unabdingbar sei auch die Erschließung von neuen Gewerbegebieten.

SPD fordert Bürgerbus

Dies sieht auch die SPD so, allerdings glauben die Sozialdemokraten nicht, "dass es in Dürrenbüchig oder Rinklingen sinnvoll ist, Gewerbe anzusiedeln." Es sollte in diesem Bereich viel mehr interkommunal gedacht werden. Beim Thema "Mobilität" besteht die SPD weiter auf die Einrichtung eines Bürgerbusses, der die Stadtteile besser untereinander und mit der Kernstadt verbinden könne. "Eine zusätzliche Busverbindung in den nördlichen Stadtteilen wäre zudem wünschenswert." Kritisch sehe die SPD-Fraktion allerdings "eine Beteiligung der Stadt an der Netze BW. Wir würden hier eine gute Rendite erzielen, allerdings wären sowohl die Stadt, wie auch die Stadtwerke in ihren Entscheidungen eingeschränkt."

Neues Gewerbegebiet "Rinklingen-Südwest"

Bei der Einrichtung neuer Gewerbegebiete brachte die FDP schließlich den Standort "Rinklingen-Südwest" ins Spiel. Dieser mache aber erst mit der Umsetzung der Südwest-Umgehung wirklich Sinn, betonte Jan Elskamp. Zustimmung kommt von der FDP auch für den Neubau der Feuerwehrhäuser in Büchig, Gölshausen und Ruit. "Dabei könnte eine Systembauweise geprüft werden, um Kosten zu dämpfen." Zudem plädierte Elskamp für eine Mediathek mit einem "angemessenen Veranstaltungssaal für kulturelle Veranstaltungen" auf dem zweiten Bauabschnitt der Sporgasse. Darüber hinaus müsse der Abschluss des Mobilitätskonzepts in 2020 oberste Priorität haben.

Kritische Stimme zur Netze BW-Beteiligung

Wie auch die SPD sieht Aufbruch-Stadtrat Hermann Fülberth die Beteiligung der Stadt Bretten an der Netze BW kritisch. Dabei sei die Beteiligung von einer Million auf nun 1,67 Millionen Euro angestiegen, die Information an den Rat aber nur in "einer Salami-Taktik" weitergegeben worden. Ausdrücklich begrüßt wurde von Fülberth die Aufstockung des Personal-Etats. Man müsse aber genau hinschauen, was da für Stellen geschaffen würden. Zustimmung gab es vom Aufbruch-Rat auch für das Fortschreiten bei der Barrierefreiheit und für die "antizyklische Finanzpolitik".

Zuspruch für AfD-Anträge

Ihm falle es "nicht leicht, einem Haushalt zuzustimmen, in dem wir mehr Schulden machen müssen und aufgrund der Verpflichtungen der letzten Jahre, weitere hohe Kosten zu tragen haben", betonte abschließend AfD-Stadtrat Andreas Laitenberger. Schnell könnten sich für gut befundene Situationen ändern. "Ob es dann heißt, gewisse Projekte einzustampfen oder nach hinten zu verschieben, Schulden schnellstmöglich abzubauen oder sogar auf ideologische Forderungen zu verzichten, wird man dann sehen." Zudem sei auch Bretten von einem eventuellen Niedergang der Autoindustrie betroffen. Man solle daher das Auto "nicht sinnlos verteufeln". Zufrieden zeigte sich Laitenberger darüber, dass die AfD-Anträge für Pfandringe oder die Einrichtung eines Outdoor-Trainingsplatzes "Zuspruch quer durch die Fraktionen gefunden haben".

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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