Medizinische Versorgung oder Sargnagel?
Hitzige Debatte um Bebauung der Sporgasse in Bretten
Bretten (swiz) Die Bebauung des Sporgassen-Areals in der Brettener Innenstadt hat in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats am Mittwoch, 15. Februar, erneut für heftige und kontroverse Debatten im Gremium gesorgt. Aufgeteilt war der Tagesordnungspunkt "Bebauungsplan Sporgassenareal 1. Abschnitt" in drei Punkte. Dabei wurden zwei der drei Punkte namentlich abgestimmt, nachdem zuvor "aktiven"-Stadtrat Jörg Biermann aufgrund seiner Funktion als Vorsitzender der Vereinigung Brettener Unternehmen (VBU) bei Punkt eins/Unterpunkt 17 für befangen (wir berichteten) erklärt worden war. Danach wurden die drei Punkte, unter anderem die Billigung des überarbeiteten Entwurfs des Bebauungsplans, mit teils knappen Mehrheiten beschlossen.
"Wer soll da abgestraft werden?"
Bevor der Beschluss jedoch in Stein gemeißelt war, wurde es im Gremium hitzig. Oberbürgermeister Martin Wolff warb in seiner Eingangsrede noch einmal vehement für den Bau des "Dienstleistungszentrums (DLZ) mit Arztpraxen" und betonte, er könne nicht verstehen, mit welcher Begründung, sich manche Stadträte gegen dieses Projekt stellten. "Wer soll da abgestraft werden? Am Schluss trifft es nur die Bürger", so Wolff. Zudem würde man viel Vertrauen bei der Ärzteschaft zerstören. Und weiter: "Es geht doch darum, mit diesem Zentrum die langfristige medizinische Versorgung in Bretten zu sichern."
Zusammensetzung des DLZ aus Praxen, Dienstleister und Wohnen
In der Folge stellte der Leiter des Amts für Wirtschaftsförderung, Frank Bohmüller, noch einmal die konkrete Planung der Stadt für das DLZ vor. Demnach werden in dem geplanten Gebäude eine Apotheke, ein Optiker/Hörakustiker sowie ein Sanitätshaus ihre neue Heimat finden. Zusätzlich wird das DLZ mit mehreren Praxen belegt. Dazu zählen eine HNO-Praxis, eine Praxis für Allgemeinmedizin, sowie ein Augenarzt und eine Kardiologie. Darüber hinaus werden noch eine Physio- und Ergotherapie-Praxis sowie eine Logopädie ins DLZ einziehen. Nach dem Rückzug eines Personaldienstleisters seien nun zwei weitere Flächen im DLZ frei geworden. Diese könnten nach dem neuen Beschluss auch mit Wohnungen belegt werden. Dazu hätte noch eine Krankenkasse ihr Interesse an einem Standort im Dienstleistungszentrum angemeldet, so Bohmüller. Für Wohnen plane man derzeit 490 Quadratmeter, aufgeteilt in sechs Wohneinheiten.
"Es werden gezielt Unwahrheiten verbreitet"
In der anschließenden Aussprache betonte CDU-Sprecher Martin Knecht, man müsse bei diesem Projekt deutlich schneller werden, "denn es geht um die Sicherung der medizinischen Versorgung der Stadt." Diese Sicherung werde für das Mittelzentrum Bretten für die Zukunft ein "extrem wichtiger Standortfaktor sein", so Knecht. "Sonst laufen uns die Ärzte weg." An die Kritiker des Sporgassen-Projekts gewandt, betonte der CDU-Mann: "Es war außerdem von Anfang an ein Dienstleistungszentrum mit Arztpraxen ausgeschrieben, auch wenn immer wieder durch gezieltes Verbreiten von Unwahrheiten etwas anderes behauptet wird." Das sei "absolut befremdlich", kritisierte Knecht abschließend.
"Wir wollen kein Sargnagel sein"
Einer dieser Kritiker, Jörg Biermann, Sprecher der "aktiven"-Fraktion, betonte denn auch folgerichtig, seine Fraktion lehne weitere Baumaßnahmen im Sporgassenbereich in der vorgelegten Form ab. "Wir sind als Tiger mit einem Ärztehaus von einem Investor gestartet und als Bettvorleger mit einem Dienstleistungszentrum mit eigenem Vermarktungsrisiko gelandet." Zudem gebe es bei dem Projekt schon jetzt erhebliche Mehrkosten. Diese machten es den "aktiven" unmöglich, diesem Großprojekt zuzustimmen. "Wir wollen auf Sicht fahren. Das 20-Millionen-Euro-Projekt auf der Sporgasse lässt dem Gemeinderat jetzt und in der Zukunft keinen finanziellen Spielraum mehr", so Biermann. Seine Fraktion unterstütze alles, was Leben in die Innenstadt bringe, "aber wir halten nichts davon, an überholten Planungen festzuhalten." Man wolle schließlich kein "Sargnagel der Brettener Innenstadt und ihrer Gewerbetreibenden" sein.
"Eine grause Suppe"
Als eine "grause Suppe" bezeichnete Grünen-Sprecher Otto Mansdörfer die Argumentation der "aktiven" und warnte: "Die 'aktiven' müssen aufpassen, dass sie nicht zur Fraktion des Stillstands in Bretten werden." Man benötige solche Strukturen für die Ärzte in Bretten, auch im Hinblick darauf, dass sich viele Ärzte in großen Praxen lieber anstellen lassen würden, als in die Selbstständigkeit zu gehen. Bei einem eventuell angedachten Verkauf von Eigentumswohnungen im DLZ riet Mansdörfer dagegen zur Zurückhaltung. Es schade sicher nicht, wenn man einige Flächen halte, um in Zukunft flexibel zu bleiben.
Sorge um die Frischluftzufuhr in der Innenstadt
Bernd Diernberger, Sprecher der FWV, fühlte sich indes von OB Wolff persönlich kritisiert und betonte: "Diejenigen, die gegen diese Pläne auf der Sporgasse sind, sind nicht gegen die Versorgung mit Ärzten." Man müsse sich aber überlegen, dass nach dem Bau des DLZ viele Leute zusätzlich in die Innenstadt fahren würden. "Da müssen wir uns schon überlegen, ob wir uns das in Zeiten des Klimawandels erlauben können?" Zudem könne ein so großes Gebäude im Herzen der Stadt die Frischluftzufuhr kappen. Auch Stadträtin Sibille Elskamp verwahrte sich gegen die Kritik des Oberbürgermeisters: "Ich mag die Drohung nicht, dass ich gegen Ärzte in Bretten bin, wenn ich gegen die Planungen auf der Sporgasse stimme." Sie sei weiterhin kritisch und wolle dafür "nicht in eine Ecke gestellt werden."
Zustimmung von Seiten der SPD
Zustimmung für das Projekt kam dagegen von Seiten der SPD. Edgar Schlotterbeck betonte, man solle den eingeschlagenen Weg weiter gehen. Ob das Gebäude ein Frequenzbringer für den Handel werde, wisse man aber natürlich nicht. Von Birgit Halgato, ebenfalls SPD, gab es ebenso Zustimmung, man wolle schließlich kein Verhinderer sein.
Autor:Christian Schweizer aus Bretten |
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