Klimawandel zwingt Landwirte zur Anpassung: Der extrem trockene Sommer hinterlässt unter den Bauern im Kraichgau Gewinner und Verlierer

Zu trocken trotz gelegentlichem Regen: Der Diedelsheimer Landwirt Alexander Kern muss Grünfutter für seine Rinder zukaufen. Foto: ch
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Den Wettervorhersagen nach zu schließen, macht der Herbst Anstalten, wenn auch mit Unterbrechungen, in punkto Sonnenscheindauer dem zurückliegenden Supersommer nachzueifern. Was die meisten freut, führt bei Landwirten zu Stirnrunzeln. Viele kämpfen mit den Folgen des Dürresommers.

BRETTEN/KRAICHGAU (ch) Den Wettervorhersagen nach zu schließen, macht der Herbst Anstalten, wenn auch mit Unterbrechungen, in punkto Sonnenscheindauer dem zurückliegenden Supersommer nachzueifern. Der war im Kraichgau der zweitwärmste nach dem Jahrhundertsommer 2003. Das zeigt nach Auskunft des Meteorologen Andreas Pfaffenzeller vom Deutschen Wetterdienst in Stuttgart ein Blick auf die Messergebnisse der Wetterstation Eppingen. Für seinen Chef Uwe Schickedanz passt der Sommer 2018 damit „genau ins Bild, das Forscher vom Klimawandel zeichnen“: mehr Hitzetage, kaum nennenswerte Niederschläge, zunehmende Dürren und andere Wetterextreme. Die sichtbaren Folgen: braune Wiesen und staubtrockene Äcker. Aber das ganze Ausmaß der Probleme für die Landwirte wird erst allmählich deutlich.

Ackerbauern haben weniger geerntet

Die Ackerbauern im Kraichgau und in der Rheinebene müssen teils beträchtliche Ernteeinbrüche und somit Verdienstausfälle verkraften. „Im Landkreis Karlsruhe ist der Ackerbau vorherrschend“, erläutert der Pflanzenbauberater im Kreislandwirtschaftsamt, Wolfgang Ibach. Bei Soja und Mais verzeichnet zum Beispiel Landwirt Alexander Kern vom Spitalhof in Bretten-Diedelsheim 30 Prozent niedrigere Erträge. „Der Mais hat mickrige oder gar keine Kolben und auch die Zuckerrüben sind kleiner“, bestätigt der Vorsitzende des Kreisbauernverbands, Werner Kunz, aus Ubstadt-Weiher. Auch bei Kartoffeln erwartet Kunz eine „sehr kleine Ernte mit sehr kleinen Knollen“. Lediglich der Getreideanbau warf laut Wolfgang Ibach einen Durchschnittsertrag ab, weil Weizen und Gerste noch von der Winterfeuchte profitierten. Insofern sind die Bauern im Südwesten, anders als ihre Kollegen in Norddeutschland, noch mit einem blauen Auge davon gekommen.

Gewinner und Verlierer

Am wenigsten hat es die Winzer getroffen. Werner Kunz, der auf einem Drittel seiner Flächen Wein anbaut, freut sich über eine mengenmäßig gute Weinlese. Die Lössböden in der Rheinebene hielten das Wasser besser als die Keuper- und Tonböden im Kraichgau, meint Kunz. „Auf Keuperböden hatten wir teilweise Probleme“, bestätigt Weingutinhaber Philipp Plag aus Kürnbach und fügt hinzu: „Das konnten wir aber durch Tröpfchen-Bewässerung ausgleichen.“ Abgesehen vom Bewässerungsaufwand habe der heiße Sommer aber für eine sehr gute Qualität der Trauben gesorgt. „Eigentlich müsste man es sich jedes Jahr so wünschen“, meint der Winzer. Am stärksten beeinträchtigt sind die Rinderhalter, die allerdings im Landkreis mit maximal zehn Prozent der Flächen eine untergeordnete Rolle spielen. „Der dritte und vierte Grünschnitt fiel wegen Trockenheit aus“, sagt Wolfgang Ibach. Folge: Viehzüchter müssen Futter zukaufen. Alexander Kern, der mit 50 Tieren Rinder- und Ochsenmast betreibt, streckt sein weniges Heu mit Stroh und verfüttert zugekaufte Senfpflanzen.

Landwirte reagieren auf Klimawandel

Sind die Landwirte zu wenig auf den Klimawandel vorbereitet, wie manche Kritiker behaupten? Nein, meint Agraringenieur Wolfgang Ibach. Es gebe bereits Anpassungsstrategien. Viele Betriebe haben sich laut Verbandspräsident Kunz breiter aufgestellt. Zum Beispiel durch Direktvermarktung mit Hofläden oder durch zusätzliche Dienstleistungen wie Pferdepensionen. Alexander Kerns Familie hat sich vor 22 Jahren ein zweites Standbein in Form einer Metzgerei aufgebaut. Darin vermarktet sie Ochsen- und Rindfleisch aus eigener Zucht. Zusätzlich laden die Kerns vier Mal pro Jahr zum Bauernbesen ein und betreiben einen Verkaufsautomaten für Freilandeier, Dosen- und Grillwürste.

Risikomanagement gegen den Totalausfall

Zum betrieblichen Risikomanagement gehört auch, dass viele Höfe nicht nur auf eine einzelne, momentan profitable Kultur oder die jeweils ertragreichste Sorte setzen. Vielmehr bauen sie einen Mix aus verschiedenen Früchten und Sorten an. Das Landwirtschaftsministerium empfiehlt eine mindestens fünfgliedrige Fruchtfolge. Also zum Beispiel nacheinander den Anbau von Raps, Mais, Soja, Getreide und Rüben. Damit steige die Chance, dass die Bauern auch in Jahren mit extremer Witterung nicht gleich alles verlieren, sondern wenigstens einen Teil ernten können, sagt der Agrarökologe Dr. Holger Flaig vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg in Rheinstetten. Natürlich kann man die Felder auch beregnen. Aber das sei im Kraichgau schwierig, weil das Grundwasser viel tiefer liege als im Rheintal, wendet Ibach ein. Und selbst im Rheintal führt Beregnung nicht zu den erwarteten Erträgen, weil das Wasser viel zu schnell verdunstet, berichtet Landwirt Kunz.

Versuche mit angepassten Pflanzen

„Wir brauchen Unterstützung durch Forschung und die Entwicklung von stresstoleranteren Pflanzen“, sagt der Kreisbauernverbandschef. Das ist Aufgabe der vom Land gesteuerten Landessortenversuche. Auf seinem Versuchsfeld in Kraichtal-Münzesheim testet das Kreislandwirtschaftsamt verschiedene Getreidesorten. Ziel ist es, diejenigen herauszufinden, die am besten mit den veränderten Witterungsbedingungen zurechtkommen. „Wir haben beispielsweise Weizensorten, die deutlich hitze- und trockenheitsbeständiger sind“, berichtet Ibach. Ein Ergebnis, das Landwirt Kunz bestätigt: Er hat positive Erfahrungen mit Weizensorten aus Südfrankreich gesammelt. Nachteil: Sie liefern geringere Erträge. Es gab auch Versuche, Mais durch Hirse zu ersetzen. Hirse kommt mit rund 30 Prozent weniger Wasser aus. Wolfgang Ibach bedauert, dass die Versuche eingestellt wurden. „Wenn man so viel Geld in Hirse-Versuche stecken würde wie in die mit Mais, dann wäre Hirse in zehn Jahren marktfähig“, glaubt er.

Maßnahmen zum Bodenschutz

Eine neue Bedrohung für die ohnehin erosionsgefährdeten Lössböden im hügeligen Kraichgau sieht Agrarökologe Flaig in der Zunahme von Starkregen. „Wenn der fruchtbare Boden als Produktionsgrundlage weggespült ist, dann ist er weg, und zwar in menschlichen Zeiträumen für immer.“ Deshalb haben die Landwirtschaftsexperten ein ganzes Bündel aus bereits bekannten und neuen Bodenschutzmaßnahmen geschnürt. Es reicht vom Anbau bodendeckender Zwischenfrüchte über bodenschonende Saatmethoden bis zu Empfehlungen, wie der Boden bearbeitet werden sollte, um ein Wegschwemmen bei Starkregen zu erschweren.

Forderung an die Politik

Aber auch wenn die Landwirte alle Vorsichtsmaßnahmen beachten, könnte es sein, dass sie irgendwann an ihre Grenzen stoßen. Werner Kunz hat nachgerechnet: In den vergangenen 40 Jahren ist nach seiner Beobachtung alle zehn bis 15 Jahre ein Extremjahr aufgetreten. „Wenn es in diesem Rhythmus weitergeht, könnten wir damit leben“, meint er. Auch Alexander Kern sagt: „Im Moment kommen wir noch zurecht.“ Er denkt über einen Ausbau der Direktvermarktung mit mehr Bauernbesen und der Gründung eines Partyservice nach. Trotzdem macht er sich Sorgen: „Wenn es im nächsten Jahr noch mal so kommt, dann sehen wir alt aus.“ Für solche Notlagen würde der Kreisbauernverbandschef gerne vorsorgen. Er wünscht sich Unterstützung von der Politik für seinen Vorschlag zur Bildung einer steuerfreien Risikoausgleichs-Rücklage. Bisher sei die Resonanz gering. Aber wir wollen noch mal einen Vorstoß wagen“, kündigt Werner Kunz an.

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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