Wilhelmstraße in Bretten soll zweispurig werden
Verkehrsplaner stellt Mobilitätskonzept für Gartenschau 2031 vor

Die Wilhelmstraße hat derzeit noch vier Fahrspuren. Der motorisierte Verkehr soll auf zwei Spuren auf die Seite entlang des Modeparks Röther verlagert werden.  | Foto: ger
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  • Die Wilhelmstraße hat derzeit noch vier Fahrspuren. Der motorisierte Verkehr soll auf zwei Spuren auf die Seite entlang des Modeparks Röther verlagert werden.
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Bretten (kuna) Straßen rückbauen, Radwege ausbauen und den lärmenden Verkehr in der Wilhelmstraße beruhigen: Für die Gartenschau in 2031 soll der Auto- und Lkw-Verkehr in Bretten grundsätzlich reduziert werden. Wie das gelingen soll, stellte das Planungsbüro Koehler & Leutwein am vergangenen Montagabend, 15. Juli, bei einem Infoabend vor rund 50 versammelten Bürgern vor.

Einige Unbekannte in der Planung

Dabei wurde deutlich: In der Planung stecken noch einige Unbekannte, vieles ist noch mit den zuständigen Behörden abzusprechen. Doch, so versicherte der Verkehrsplaner Stefan Wammetsberger, bis Ende des Jahres werde es ein fertiges und abgestimmtes Mobilitätskonzept geben. Ab 2025 könnten dann Detailplanungen sowie erste Umbaumaßnahmen erfolgen.

Interimslösung, bis Südwestumfahrung realisiert ist

Wammetsberger erläuterte, dass es in Bretten bereits ein Mobilitätskonzept gebe, auf dem die Planungen aufbauen. Erarbeitet wurde es von 2019 bis 2021. Ein Knackpunkt für den zukünftigen Verkehr ist aber auch die geplante Südwestumfahrung, dessen Vorhabenträger der Bund ist. Diese wird nach Einschätzung von Wammetsberger mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent umgesetzt, wohl aber nicht bis zur Gartenschau. Daher sei bis dahin eine Interimslösung notwendig.

Wilhelmstraße nur noch zweispurig

Um den motorisierten Verkehr zu reduzieren, soll die Wilhelmstraße von vier auf zwei Fahrspuren reduziert werden. Autos und Lkw fahren dann in beide Richtungen auf der südlichen Seite entlang Aldi, ZG Raiffeisen und Modepark Röther. In der nördlichen Wilhelmstraße werden durch einen "Shared Space" dagegen Radfahrer und Fußgänger priorisiert, grundsätzlich wolle man einen durchgängigen Radweg vom Bahnhof bis zum Schulzentrum ermöglichen.

Nur noch 30 km/h

Ein Lärmaktionsplan von 2017 biete zudem gute Voraussetzungen, die Geschwindigkeit in der Wilhelmstraße auf 30 km/h zu reduzieren, so der Verkehrsplaner. Eine Sperrung des Durchgangsverkehrs von Fahrzeugen über 7,5 Tonnen soll eine weitere Reduzierung des lärmenden Verkehrs bringen, was jedoch noch mit den Behörden abzustimmen ist.

Knotenpunkte problematisch

In der Verkehrsführung problematisch seien dagegen die Knotenpunkte, etwa die Kreuzung Wilhelmstraße/Hermann-Beuttenmüller-Straße/Pforzheimer Straße. Dort gibt es derzeit sechs mögliche Fahrtrichtungen. Durch verschiedene Einbahnstraßen sollen sie auf drei reduziert werden. Der Verkehr in der Pforzheimer Straße soll demnach entlang der Aral-Tankstelle lediglich in Richtung Wilhelmstraße fahren können, die nördliche Wilhelmstraße – die bis zur Kreuzung Am Gottesackertor zur Sackgasse wird – nur in Richtung Pforzheimer Straße befahrbar sein. Die Hermann-Beuttenmüller-Straße führt dann wiederum nur südlich in Richtung Kraichgau-Center.

Verkehrsberuhigung nötig

Wie wichtig die Beruhigung des motorisierten Verkehrs entlang der Bundesstraße ist, erläuterte Wammetsberger anhand konkreter Zahlen: Eine Verkehrszählung in 2019 habe ergeben, dass in 24 Stunden rund 20.000 Fahrzeuge auf der Wilhelmstraße unterwegs seien, ein großer Teil davon Schwerlastverkehr. „Es ist Wahnsinn, was bei Ihnen auf der Achse fährt“, stellte er fest. Auch eine aktuelle Zählung aus 2024 zeige mit rund 16.000 Fahrzeugen ähnliche Werte. Darunter wurden lediglich 300 Radfahrer gezählt. Das sei aber nicht verwunderlich, kommentierte Wammetsberger. „Dort will eigentlich keiner Fahrrad fahren“, meinte er angesichts des dichten Auto- und LKW-Verkehrs.

Befahrbarkeit "ohne Probleme abwickelbar"

Einer Reduktion von vier auf zwei Fahrstreifen stehe jedenfalls nichts im Wege, versicherte er. Die Befahrbarkeit in beide Richtungen mit je 10.000 Fahrzeugen sei "ohne Probleme abwickelbar", so Wammetsberger. 

Verkehrswende: Autoverkehr um 20 Prozent reduzieren

Den motorisierten Verkehr zu reduzieren sei auch ausgewiesenes Ziel des Landes Baden-Württemberg, merkte er an. Dieses sieht eine Verkehrswende bis 2030 vor, unter anderem mit dem Gesichtspunkt, in Stadt und Land den Autoverkehr um rund 20 Prozent zu reduzieren. „Dieses Ziel ist ambitioniert, aber nicht unrealistisch“, erklärt das Verkehrsministerium auf seiner Website. Es sieht auch vor, dass in sechs Jahren jedes zweite Auto klimaneutral fährt.

Bis zu 600.000 Besucher bei Gartenschau

Mit der Gartenschau werden dann aber erst einmal mehr Menschen nach Bretten gezogen. Anhand der Erfahrungswerte von vergleichbaren Gartenschauen rechne man im offensiven Szenario mit 600.000 Besuchern, erläuterte Wammetsberger. Werktags könne man mit rund 4.400 Besuchern rechnen, an einem gut besuchten Samstag könnten bis zu 6.800 Personen kommen.

70 Prozent kommen mit dem Pkw

Auch die Verteilung der Besucher auf verschiedene Verkehrsmittel habe man sich von anderen Gartenschau-Kommunen angeschaut und rechne daher damit, dass rund 70 Prozent mit dem Auto anreisen werden. Darauf folgen zwölf Prozent mit Reisebussen, zehn Prozent mit ÖPNV und sechs Prozent mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Heruntergerechnet bedeutet das: an einem Werktag würden etwa 1.440 Autos die Gartenschau anfahren, an einem gut besuchten Samstag rechne man mit etwa 2.000 Autos. Als Einzugsgebiet habe man einen Radius von 50 Kilometern angelegt, beziehungsweise eine Stunde Anfahrtszeit. Das entspricht einem Gebiet, in dem über 4,2 Millionen Menschen wohnen.

Besucher schon außen abfangen

Die vielen Besucher gelte es schon außen abzufangen, erklärte Wammetsberger, durch Parkplätze, Shuttle-Busse oder andere Lösungen. „Das ist eine wirklich große Aufgabe für Planer und die Stadt“, meinte er, konnte allerdings noch keine abschließende Lösung präsentieren.

Gemischtes Echo aus Bürgerschaft

In einer anschließenden Fragerunde ergab sich vonseiten der Bürgerschaft ein gemischtes Echo. „Sie haben eine Lösung gefunden, die ist aber nicht wirklich gut und das wissen Sie selbst“, behauptete ein Bürger, der der Planung ohne Realisierung der Südwestumfahrung keinen Mehrwert abgewinnen konnte. Eine andere Bürgerin dagegen, die sich selbst als überzeugte ÖPNV-Nutzerin bezeichnete, erwiderte den kritisch eingestellten Brettenern: „Sie verkennen die Mühe, die in den Planungen steckt.“

Befahrbarkeit der Einkaufsläden?

Kritisch beäugt wurde vor allem, trotz aller Beschwichtigungen seitens Wammetsberger, die Befahrbarkeit der Einkaufsläden wie Aldi oder ZG Raiffeisen. „Die Geschwindigkeit ist das Entscheidende“, entgegnete der Verkehrsplaner. Mit Tempo 30 werde die Abbiegesituation wesentlich einfacher, versicherte er, konnte aber keine endgültige – und für alle zufriedenstellende – Lösung präsentieren.

Höhere Taktung der S-Bahn gefordert

Befürworter des reduzierten Autoverkehrs forderten von den Gartenschauplanungen aber auch eine höhere Taktung der S-Bahn-Linien, ein verstärktes Augenmerk auf den Radtourismus als „Boom-Branche“ oder den Bau von Brücken, um Fußgänger vom Autoverkehr abzukoppeln. Man werde alle diese Punkte in der Planung berücksichtigen und die Machbarkeit überdenken, versicherte Wammetsberger.

"Dinge ändern sich"

Andere Stimmen hingegen befürchteten einen Kollaps des Autoverkehrs durch die verschmälerte Wilhelmstraße, so etwa Gunter Lange, ehemaliger Stadtbaudirektor von Bretten, der die Vierspurigkeit verteidigte. Er befürchtete einen Rückstau von Autos und Lkw, der sich über mehrere Knotenpunkte erstrecken würde. Man werde den Verkehr über die Sommerferien detailliert berechnen, kündigte Wammetsberger an, und fügte hinzu: „Wir denken noch zu viel im Autoverkehr.“ Während man in der Vergangenheit sehr autoaffin geplant habe, konnte er nur nüchtern feststellen: „Dinge ändern sich.“

Planung auf Grundlage der Gemeinderatsbeschlüsse

Radverkehr gegen Autoverkehr? In der versammelten Runde entspann sich in Folge eine emotional aufgeladene Diskussion, in die Cornelia Hausner, Amtsleiterin für Stadtentwicklung und Baurecht, dazwischen grätschte. „Als Planende haben wir natürlich auch eine eigene Meinung, arbeiten aber auf Grundlage der Beschlüsse des Gemeinderates“, gab sie zu bedenken.

"Städtebauliche Missstände"

Vehementen Kritikern entgegnete sie: „Wir haben klare städtebauliche Missstände“, wobei sie an die Situation entlang der nördlichen Wilhelmstraße erinnerte. „Wer möchte denn dort wohnen?“, meinte sie angesichts des lärmenden Verkehrs und schob hinterher: „Dort gibt es immerhin eine Schule und ein Altenheim.“

"Kurze Wege gerne mit dem Auto"

Erhebungen hätten außerdem ergeben, dass die Brettener „kurze Wege gerne mit dem Auto nehmen“, so Hausner. Das Mobilitätskonzept für die Gartenschau räume nun auch anderen Verkehrsteilnehmern einen Platz in der Stadt ein. Man werde keinen Idealzustand oder eine Idylle erreichen, verdeutlichten sowohl sie als auch der Verkehrsplaner Wammertsberger in ihren Ausführungen. „Wir sind aber der festen Überzeugung, dass man Dinge in Bretten verbessern kann und auch sollte“, so Hausner.

"Stillstand ist das Schlechteste für eine Stadt"

Auch der Noch-Oberbürgermeister Martin Wolff erklärte abschließend: „Stillstand ist das Schlechteste für eine Stadt – vor allem, wenn es mit dem Klimawandel so weitergeht.“

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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