Ankommen dank intensiver Unterstützung – Junge Geflüchtete starten ins Brettener Berufsleben
In den Jahren 2015 und 2016 wurden in Deutschland jeweils über 40.000 minderjährige Geflüchtete in Obhut genommen. Das heißt, sie kamen ohne die Begleitung eines Erwachsenen in Deutschland an und in einer Jugendhilfe-Einrichtung unter. Wie leben diese jungen Menschen inzwischen? Wie ergeht es ihnen in Deutschland? Drei junge Männer, die aus ihrer Heimat fliehen mussten und im Hohberghaus Bretten leben, berichten von ihrem Alltag im Kraichgau und dem Start ins Berufsleben.
Ein großes Einfamilienhaus am Rande des Brettener Ortsteils Sprantal. Das idyllisch gelegene Haus beherbergt eine Wohngruppe für Jungen ab 12 Jahren und trägt den Namen „Arche Noah“. Ermias, Ahmed und Idris sitzen am Küchentisch. In gutem Deutsch berichten sie von dem, was sie stolz macht: ihrem erfolgreichen Schulbesuch und ihren Ausbildungsstellen. „Bei mir ist das ein bisschen wie früher als kleines Kind, ich habe da immer die Spielsachen repariert“, sagt Ahmed. Der junge Syrer macht ab September eine Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme. Aktuell erlangt er an der Beruflichen Schule Bretten die mittlere Reife. Komplexe Schaltpläne und Programmieren findet der pfiffige Jugendliche besonders spannend.
Silke Stärke, Jugend- und Heimerzieherin und Leiterin der Wohngruppe, sitzt mit am Tisch und blickt zurück auf die intensive Zeit seit 2015, als die ersten Geflüchteten in ihrer Wohngruppe ankamen. Kleider, Fahrkarten, Schul- und Praktikumsplätze mussten her. „Wir Fachkräfte der Gruppe haben uns sehr schnell fortgebildet, ein Konzept zusammengestellt, die Finger wund telefoniert und Kooperationspartner gesucht. Die Ausländerbehörde, die Berufliche Schule Bretten – viele haben uns sehr geholfen.“
Sie berichtet auch von der konsequenten Sprachförderung von Anfang an: „Wenn ein geflüchteter Junge nachmittags hier neu aufgenommen wurde, ging‘s für ihn gleich am nächsten Tag zum Schulunterricht. Und im gemeinsamen Wohnbereich wurde von Anfang an nur Deutsch gesprochen.“
Dass das Konzept aufging, zeigt sich inzwischen. Alle fünf Jugendlichen der Gruppe, die als Geflüchtete kamen, haben inzwischen eine Ausbildungsstelle angetreten oder eine in Aussicht. Wer keinen Abschluss mitbrachte oder wessen Abschluss nicht anerkannt wurde, konnte sich über Sprachtests für die Berufsfachschule qualifizieren.
Idris aus Niger hat das getan. Er bestand die B1-Sprachprüfung und macht inzwischen eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer. Dass er bei den Bewohnerinnen und Bewohnern des Berghausener Seniorenheims, in dem er arbeitet, beliebt ist, glaubt man dem jungen Mann mit dem einnehmenden Lachen sofort. „Von den älteren Menschen lerne ich dauernd neue Wörter“, sagt er. „Und den Dialekt. Das macht echt Spaß.“ Nach Abschluss der Helferausbildung wird er in einer Altenhilfeeinrichtung des Badischen Landesvereins für Innere Mission (BLV) die Ausbildung zum Altenpfleger antreten.
Die Fluchterfahrung ist im Alltag auf der Gruppe kein Thema. Die Fachkräfte blicken mit den Jugendlichen im neuen Leben in Deutschland auf deren Stärken und unterstützen sie, diese auszubauen. Wenn ein Junge das möchte, stehen Therapeutinnen oder Therapeuten des Hohberghauses bereit, um bei der individuellen Bewältigung der Fluchterfahrung zu unterstützen.
Insgesamt leben acht männliche Jugendliche, zwischen 12 und 18 Jahren, in der Gruppe. Sie haben Einzel- oder Doppelzimmer und teilen sich Wohnzimmer, Küche, Badezimmer. Die Gruppe ist eine sogenannte Außenwohngruppe und gehört zum Hohberghaus, der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung in Trägerschaft des Badischen Landesvereins für Innere Mission (BLV). Jungen, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht zuhause wohnen können und „Hilfe zur Erziehung“ benötigen, wie es in der Fachsprache heißt, werden langfristig aufgenommen. Ebenso wie die unbegleitet aus Kriegs- und Krisengebieten geflüchteten Jugendlichen, die hier unterkommen, finden sie in der Gruppe ein zweites Zuhause. Das Zusammenleben von „Regeljugendlichen“, also Jungen aus Deutschland, mit den geflüchteten Jugendlichen klappe gut, so Gruppenleiterin Stärke. Auch die unterschiedliche Religionszugehörigkeit sei kein Problem. Protestantische und orthodoxe Christen, Muslime – jeder, der will, kann seine Religion leben. Zu Weihnachten ging Ahmed aus Syrien, selbst muslimisch, auch mal mit in den christlichen Gottesdienst im Hohberghaus. „Das war entspannt. Und hinterher gab es leckeres Essen!“, meint er.
Als Geschenk gab es in der Gruppe auch mal eine Bibel auf Tigrinya, einer Sprache, die unter anderem in Eritrea gesprochen wird. Aus diesem ostafrikanischen Land kommt Ermias. Er fand die deutsche Sprache am Anfang sehr schwer. „Aber ich bin dankbar, dass ich Hilfe bekomme. Wir streiten und lachen. Es ist hier wie in einer Familie“, sagt er. Ermias geht zur Schule und macht einmal wöchentlich ein Praktikum als Krankenpfleger in der Vinzentius-Klinik. Ab September beginnt er dort eine Ausbildung zum Krankenpflegehelfer. Er sagt: „Mit Menschen zu tun zu haben, das ist für mich gut.“
Anfang März 2018 besuchte Christine Jung-Weyand, Vorstand des Badischen Landesvereins für Innere Mission, die Außenwohngruppe Sprantal und bedankte sich dort für die geleistete Arbeit. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten einen unschätzbar großen Beitrag zur Integration der jungen Menschen, die hier leben. Ich danke ihnen für ihren engagierten Einsatz für die Jugendlichen.“ Sie bedankte sich auch bei den Jugendlichen, die gerne von ihrer Lebenssituation berichteten.
Autor:Marina Mandery aus Bretten |
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