Brettener Schüler engagieren sich für die Bewegung „Fridays for Future“
„Bretten könnte Klimanotstand ausrufen“
Bretten (hk) Greta Tintin Eleonora Ernman Thunberg klingt ein bisschen wie der Name einer Figur aus einer schwedischen Kinderbucherzählung. Doch wer die globale Medienlandschaft der vergangenen zwölf Monate, wenn auch nur aus dem Augenwinkel mitverfolgt hat, dürfte sich an das Mädchen mit den langen, geflochtenen Zöpfen erinnern: Es handelt sich nämlich dabei um die 2003 geborene und inzwischen auch weltbekannte Klimaschutzaktivistin aus Schweden. Die 16-Jährige hatte im Spätsommer letzten Jahres für Aufsehen gesorgt, als sie von Ende August bis Anfang September täglich vor dem Schwedischen Reichstag in Stockholm streikte. Nach der Wahl zum Schwedischen Reichstag setzte sie ihren Streik jeden Freitag fort. Bald fand ihr Protest auf der ganzen Welt unter dem Motto „Fridays for Future“ Nachahmung – so auch in Karlsruhe.
„Mit ihr kann man sich sehr gut identifizieren“
Katja Hiller, Jugendgemeinderätin, und Mirko Farkas vom Edith-Stein-Gymnasium in Bretten waren in den Ferien und der Schulzeit dabei, als sich der Demonstrationszug durch die Innenstadt in Bewegung setzte. „Das Thema Klima- und Umweltschutz war zwar immer präsent, aber eher im Hinterkopf“, glaubt die Brettener Jugendgemeinderats-Sprecherin Jana Freis, die zusammen mit Hiller und Farkas zum Pressegespräch mit der Brettener Woche kam. „Durch Greta hat es die Aufmerksamkeit bekommen, die es verdient. Es hat einfach eine Person wie sie gebraucht, um Menschen zu motivieren und sich gemeinsam für eine Sache einzusetzen“, ist sich Freis sicher. Besonders beeindruckt waren die Schüler von Thunbergs Ehrgeiz und ihrer Ausstrahlung. „Sie wirkt einfach sympathisch“, sagt Freis mit einem Lachen. „Mit ihr kann man sich sehr gut identifizieren.“
„Man sieht gut, dass hier einige Menschen erreicht wurden“
Dass Thunberg noch viele weitere Bürger im Landkreis Karlsruhe überzeugen konnte, darauf könnten die Wahlergebnisse der Kommunalwahlen 2019 hindeuten. In Karlsruhe holten die Grünen mit einem Zuwachs von über 10 Prozent die höchsten Gewinne. „Ich denke, daran sieht man gut, dass hier einige Menschen erreicht wurden“, so Farkas. In Bretten legten die Grünen als zweitstärkste Kraft nach der CDU um 3,8 auf 16,9 Prozent zu – nach Ansicht von Jugendgemeinderätin Freis ein gutes Beispiel dafür, dass nicht überall vor Ort Demonstrationen stattfinden müssten. „Man muss nicht unbedingt zu einer Demo gehen, um den Klimaschutz zu unterstützen.“
„Aus diesen Blicken konnte ich herauslesen, dass sie uns nur als Schulschwänzer sahen“
Hiller und Farkas haben sich dennoch unter die 3.000 Demonstranten in Karlsruhe gemischt. „Wenn man sich mit so vielen Leuten für den Klima- und Umweltschutz zusammentut – das gibt einem das Gefühl, dass man was erreichen kann. Dann wird man endlich mal gehört“, schildert Farkas seine Eindrücke. Besonders in Erinnerung sind ihm aber auch die skeptischen Blicke der Erwachsenen geblieben. „Aus diesen Blicken konnte ich herauslesen, dass sie uns nur als Schulschwänzer sahen“, erinnert er sich. Für ihn sei es deshalb wichtig gewesen, auch während der Ferien zu protestieren, „damit eben genau solche Aussagen außer Kraft gesetzt werden.“ Hiller ergänzt: „Ich denke, wenn man nicht innerhalb der Schulzeit demonstriert, dann hätte es nicht diesen Aufschrei gegeben.“ Und Freis fügt hinzu: „Arbeiter gehen ja auch während der Arbeit demonstrieren.“ Sie fände es toll, wenn Schüler eine Sache, die ihnen am Herzen liegt „durchziehen“, indem sie auf Demos gehen oder ihren Lebensstil verändern. „Mirko und ich haben beispielsweise eine Wette abgeschlossen, bei der wir beide montags und dienstags kein Fleisch essen dürfen“, verrät Hiller.
ESG-Schulleiterin drückte „ein Auge zu“
Sie bedauert die Einstellung der Kritiker: „Ich finde es schade – eigentlich machen wir ja das Ganze, um auf den Klimaschutz aufmerksam zu machen. Nun ist die Hauptdebatte, ob wir zur Schule gehen oder nicht.“ Im Übrigen habe die Schulleiterin des ESG die Fehltage „sehr gut gehandhabt“: „Rechtlich gesehen sind zwei Sozialstunden vorgesehen. Unsere Schulleiterin hat da ein Auge zugedrückt und gesagt: ‚Ich finde es gut, dass ihr euch engagiert. Ich drücke mal ein Auge zu, vielleicht auch zwei‘“, berichtet Farkas. Auf die Unterstützung ihrer Eltern können die Jugendlichen auch zählen. „Solche Leute gibt es auch, man sieht sie leider nicht so oft, weil sie unter den Kritikern untergehen“, glaubt Farkas. Auch Hiller ist davon überzeugt und erinnert sich an die „Omas for Future“, die im Rahmen der Protestbewegung eine Rede gehalten hätten. „Auch ältere Menschen unterstützen uns“, sagt die Schülerin mit einem Lachen.
„Man steht quasi schon an der Haltestelle im Stau“
Unterstützung fordern sie auch vom neuen Brettener Gemeinderat: „Der Gemeinderat könnte sich überlegen, in Bretten den Klimanotstand auszurufen, damit Grundlagen geschaffen werden können“, schlägt Freis vor. „Es wäre schön, wenn der Gemeinderat mit dem Jugendgemeinderat an einem Tisch zusammenkommen könnte.“ Wichtig sei ihnen zudem der Ausbau von Radwegen, Elektromobilität und der Solarstromerzeugung sowie weniger Autoverkehr: „Bei den Schulstoßzeiten sind die Straßen in Bretten verdammt voll. Ich fahre oft mit dem Bus nach Hause, aber man steht quasi schon an der Haltestelle im Stau“, berichtet Farkas. Freis hofft nun, durch das Mobilitätskonzept in Bretten mehr Mitspracherecht zu bekommen. Von den Generationen vor ihnen wünschen sie sich nur Verständnis und Unterstützung. „Ich verstehe nicht, wie das Thema jemandem egal sein“, so Farkas. „Schüler sollten sich weiterhin dafür einsetzen können und dürfen“, plädiert Freis. „Es ist unsere Zukunft, darum geht es. Und es muss mehr Menschen wie Greta, Katja oder Mirko geben.“
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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