Achter Verhandlungstag im Oberderdinger Mordprozess: Sachverständiger belastet den Angeklagten
Wie aussagekräftig sind die sichergestellten Tarnbekleidungsstücke als Beweismittel? Um diese Frage ging es heute am achten Verhandlungstag im Oberderdinger Mordprozess vor dem Karlsruher Landgericht.
KARLSRUHE/OBERDERDINGEN (ch) Wie aussagekräftig sind die sichergestellten Tarnbekleidungsstücke als Beweismittel? Um diese Frage ging es heute am achten Verhandlungstag im Oberderdinger Mordprozess vor dem Karlsruher Landgericht. Dem Angeklagten, einem 24-jährigen Pflegeschüler aus Oberderdingen, wird unter anderem vorgeworfen, in einem Pflegeheim an seinem Wohnort Feuer gelegt zu haben, bei dem eine 82-jährige Bewohnerin ums Leben kam.
Textilexperte wiederholt seine Aussage
Geladen war noch einmal jener Sachverständige für Textilspuren vom Stuttgarter Landeskriminalamt, der bereits zwei Wochen zuvor am vierten Verhandlungstag erstmals seine Untersuchungsergebnisse präsentiert hatte. Damals hatte Strafverteidiger Bastian Meyer die Aussagekraft der Präsentation in Zweifel gezogen. Daraufhin hatte das Gericht den Sachverständigen beauftragt, seine vorgelegten Infrarot-Vergleichsfotos bezüglich Maßstab und Bildschärfe anzupassen, um einen besseren Vergleich zu ermöglichen. Heute nun wiederholte der Experte anhand des überarbeiteten Bildmaterials seine Aussage vom 28. Januar, dass eines der beiden im Haus des Angeklagten beschlagnahmten abgeschnittenen Hosenbeine einer Tarnhose zur vom maskierten Täter getragenen Tarnhose auf den Überwachungskamera-Fotos beim Scheunenbrand am 6. April passe. Außerdem sei eines der beiden Hosenbeine auf einem von dritter Seite aufgenommenen Foto des Angeklagten wiedererkennbar, auf dem dieser eine Bundeswehr-Tarnhose trägt.
Verteidiger hält dagegen
Auch diesmal setzte der Verteidiger ein dickes Fragezeichen hinter die Expertenaussage, dass es aus produktionstechnischen Gründen nahezu ausgeschlossen sei, zwei identische Hosen finden, bei denen die sich wiederholenden Tarnmuster an exakt derselben Stelle sitzen. Dass dies doch so sei, wollte der Verteidiger mit zwei in einem Heidelsheimer Bekleidungsgeschäft erworbenen, gebrauchten Tarnhosen aus Bundeswehrbeständen vorführen, die er auf dem Richtertisch ausbreitete. Doch der Sachverständige war nicht überzeugt. Seiner Meinung nach sind die beiden neu vorgelegten Hosen zwar auf den ersten Blick sehr ähnlich, unterscheiden sich jedoch geringfügig aufgrund minimal versetzter Schnittnähte.
Angeklagter besaß mehrere Tarnkleider
Keine Übereinstimmung konnte der Sachverständige zwischen einer sichergestellten abgeschnittenen Bundeswehrhose und einem anderen Foto feststellen, auf dem eine nicht erkennbare Person ebenfalls eine solche Tarnhose trägt. Die Hosenfarbe auf dem Foto sei im Gegensatz zur sichergestellten Hose verwaschen, die Position der Tarnmuster nicht identisch. Auch passe die Hose auf dem Foto nicht zu den abgeschnittenen Unterteilen. Zur Frage einer möglichen Übereinstimmung zwischen einer sichergestellten Tarnjacke und der Tarnjacke des Brandstifters auf der Überwachungskamera beim Scheunenbrand lasse sich „keine seriöse Aussage machen“, stellte der Vorsitzende Richter Leonhard Schmidt fest, bevor er schon nach knapp einer Stunde den achten Verhandlungstag für beendet erklärte.
Umarmungen für den Angeklagten
Beim nächsten Termin am 25. Februar soll laut Schmidt neben zwei Zeugen erneut eine Sachverständige des Landeskriminalamts gehört werden. Der Verteidiger regte noch kurz ein Ermittlungsverfahren gegen einen der Zeugen wegen Bedrohung zum Nachteil des Pflegeheims an. Dann spielten sich herzergreifende Szenen vor der Bank des Angeklagten ab. Rund ein Dutzend Verwandte und Bekannte standen Schlange, um den jungen Mann mal länger, mal kürzer zu umarmen. Freundinnen und Freunde sprachen ihm Mut zu und es flossen Tränen. Dann wurde der junge Mann von den Justizbeamten wieder abgeführt.
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Autor:Chris Heinemann aus Bretten |
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