Sechster Verhandlungstag im Oberderdinger Mordprozess: „Netter Junge von nebenan“ mit schwarzem Humor

Am 5. Februar setzte das Richtergremium um Leonhard Schmidt im Karlsruher Landgericht die Zeugenvernehmungen fort. | Foto: ch
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Der sechste Verhandlungstag im Oberderdinger Mordprozess wurde am gestrigen Dienstag von zahlreichen Prozessbesuchern verfolgt. Mit Spannung erwartet wurde der erste Zeuge, ein ehemaliger Mitarbeiter im Haus Edelberg, der im Januar 2018 entlassen wurde. Seine Vernehmung sowie die einer weiteren Zeugin und ein Beweisantrag der Verteidigung standen auf der Tagesordnung.

Karlsruhe/Oberderdingen (hk) Für die Befragung des ersten Zeugen nahm sich das Richtergremium fast eine Stunde Zeit. Von Oktober 2017 bis Januar 2018 arbeitete der ehemalige Pflegehelfer im Haus Edelberg. Als Grund seiner Entlassung nannte der 34-Jährige „Meinungsverschiedenheiten und Arbeitsverweigerung“. Sein „Ton“ habe den Führungskräften nicht gepasst. Bis zum Eintritt seiner Kündigung soll er freigestellt worden sein. Dem Angeklagten sei er ab und zu in den Raucherpausen begegnet. Aber auch im „Dorf“ sei man sich über den Weg gelaufen: „Es waren immer freundschaftliche Begegnungen“, sagte der 34-Jährige und beschrieb den Angeklagten als „netten Jungen von nebenan“ mit durchaus schwarzem Humor. Zur Verdeutlichung wiederholte der Zeuge eine auf der Arbeit getätigte Aussage des Angeklagten, die ihm merkwürdig erschienen ist: „Weißt du, was scheiße ist? Wenn die Leute scheiße zu einem sind, darf man nicht scheiße zu ihnen sein." Dieser Satz habe sich bei ihm eingeprägt. Bei einem Wiedersehen in einem Oberderdinger Café habe der Angeklagte „emotional“ reagiert, nachdem ihm der Zeuge den Satz in Erinnerung gerufen hatte: Er wies ihn darauf hin, dass er ihm keine Worte in den Mund legen solle.

Zeitspanne zwischen 16 und 18 Uhr ungeklärt

Auf einige Fragen konnte der Zeuge allerdings keine klare Antwort geben, zum Beispiel, als es darum ging, wo er sich am Tag des Brandes zwischen 16 und 18 Uhr aufgehalten hatte. „Höchstwahrscheinlich zuhause“, sagte er. Der 34-Jährige hat sich zudem nur wenige Tage nach dem Brand gegenüber einem ehemaligen Kollegen offenkundig kritisch über das Senioren-Zentrum geäußert: „Endlich hat es mal die Richtigen erwischt“ und „schade, dass nicht das ganze Haus abgebrannt ist“, sollen seine Worte gewesen sein. Der Zeuge, der laut eigenem Bekunden „manisch-depressiv“ sei, konnte sich nicht festlegen, wo und wann er diese Aussagen gemacht haben solle. Richter Leonhard Schmidt warf ein, dass der besagte, ehemalige Kollege des Zeugen sogar eine Notiz an die Einrichtungsleitung gegeben habe, in der die kritischen Äußerungen dokumentiert seien. So rückte der ehemalige Mitarbeiter in den Kreis der Tatverdächtigen. Daraufhin sagte der Zeuge, er hätte mit fast jedem im Haus – außer mit den Bewohnern – seine Probleme gehabt.

Freiwillig bei der Polizei gemeldet

Aber auch sonst nahm der Zeuge keinen Blatt vor den Mund: Ja, er sei immer noch „sauer“ auf die Heimleitung; ja, er habe sich in den sozialen Medien negativ über die Einrichtung geäußert, damit „alle Bescheid wissen, was in dem Haus abgeht“ - was ihm schließlich eine Unterlassungsklage einbrachte - und ja, er habe der Einrichtung mit einer Anzeige gedroht. „Für die Mitarbeiter empfinde ich keinerlei Empathie“, sagte er. Ob er gegen die Kündigung vorgegangen sei, wollte der Verteidiger wissen. „Nein, weil ich nichts von der deutschen Justiz und von Obrigkeiten halte“, begründete er seine Entscheidung. Trotzdem habe er sich, motiviert durch die Kündigung, nach dem Brand freiwillig bei der Polizei gemeldet, um Informationen über die Einrichtung zu liefern.

„Offen, ehrlich und freundlich“

Bei ihrer Vernehmung schilderte die zweite Zeugin zwei Vorfälle im Haus Edelberg, bei denen ein dementer, rollstuhlfahrender Bewohner die Treppe hinunter gestürzt ist. Beides Mal sei es der Angeklagte gewesen, der ihn gefunden habe. „Für mich war es nicht nachvollziehbar, wie der Mann da runtergefallen ist“, betonte sie. Ein anderes Mal hab der Angeklagte ihr ein Bild einer vermummten Person gezeigt. Die Zeugin meinte sich sicher zu sein, dass es sich dabei nicht um das Fahndungsbild gehandelt habe, das von der Polizei nach dem Scheunenbrand in Oberderdingen veröffentlicht wurde. Den Angeklagten beschrieb die Zeugin als nach außen hin „offen, ehrlich und freundlich“, aber zu seinem inneren Wesen habe er nichts preisgeben wollen. Weiterhin beschrieb die Zeugin, wie der Vater des Angeklagten ihren Sohn mit dem Wagen verfolgt habe. Sie selbst habe ihn mehrmals am Haus der Familie vorbeifahren sehen.

"Eindeutig zu klein"

Im Anschluss sollte der Angeklagte im Zuge eines Beweisantrags der Verteidigung noch eine Feldbluse anziehen, um zu zeigen, dass er nicht die vermummte Person auf dem Fahndungsbild ist. Tatsächlich war die Feldbluse dem Angeklagten bei der Anprobe zu eng. Zum Schluss ergriff Richter Leonhard Schmidt nochmal das Wort. Es sei ihm zu Ohren gekommen, dass Zeugen eingeschüchtert wurden, um ihre Aussagen zu überdenken. „Ich habe zwar keine Befehlsgewalt in Oberderdingen, aber ich werde mich dafür einsetzen, dass das nicht weiter passiert“, so der Richter.

Die Verhandlung wird am Freitag, 8. Februar, fortgesetzt.

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Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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