Siebter Verhandlungstag im Oberderdinger Mordprozess – „Er wollte sein Gewissen erleichtern“

Der vor dem Landgericht Karlsruhe angeklagte 24-jährige Pflege-Azubi hat auch am siebten Verhandlungstag sein Schweigen nicht gebrochen.
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Im Oberderdinger Mordprozess hatten am Freitag, 8. Februar, ein Zeuge und der für den Fall beauftragte Gutachter das Wort. Das Richtergremium um den Vorsitzenden Richter Leonhard Schmidt nahm sich beim Zeugen fast zwei Stunden Zeit, um seine Version der Geschehnisse auf ihre Stichhaltigkeit abzuklopfen, während die Rede des Gutachters merklich kurz ausfiel.

Karlsruhe/Oberderdingen (hk) Der geladene Zeuge, ein 19-jähriger Altenpflege-Azubi aus dem Haus Edelberg, schilderte sein lockeres Verhältnis zum Angeklagten: Man sei sich ab und zu im Raucherraum oder im Umkleidezimmer begegnet. Besonders in Erinnerung geblieben sind ihm allerdings die Erzählungen des Angeklagten von seinen Feuerwehr- und DRK-Einsätzen. Der Angeklagte habe davon gesprochen, wie gerne er Feuer lösche und wie „cool“ er es fände, wenn mal etwas Größeres brennen würde und er Leben retten könnte. Dies würde sein Ansehen bei seinen Teamkollegen in der Feuerwehr steigern, habe der Angeklagte zu ihm gesagt. Daraufhin habe der Zeuge mit Unverständnis reagiert, wohingegen der Angeklagte mit „Ansichtssache“ geantwortet haben soll. Dieses Gespräch soll einen Tag vor dem Brand im Senioren-Zentrum stattgefunden haben.

Video vom „Feuerteufel“

Richter Leonhard Schmidt befragte den Zeugen auch zum „Feuerteufel“ aus Oberderdingen, der für die beiden Scheunenbrände im April und Mai 2018 verantwortlich ist. Der Zeuge meinte sich sicher zu sein, vom Angeklagten einen Videofilm gezeigt bekommen zu haben. Zu erkennen sei wenig gewesen. Ein weißer Schriftzug auf der Jacke, ein Kanister in der rechten Hand des Vermummten, der nervös umherlief – so lauteten die Details, an die sich der Zeuge erinnerte.

„Er wollte darüber reden“

Nach dem Brand im Haus Edelberg habe der Zeuge den Angeklagte kurz gesehen, als dieser seine Krankmeldung abgeben wollte. „Er wirkte etwas geknickt“, sagte der 19-Jährige. Später hätten er und die damalige Freundin des Zeugen den Angeklagten an der Bushaltestelle am Amthof in Oberderdingen getroffen. Das kurze Aufeinandertreffen habe dann in einem Gespräch unter vier Augen in einem Oberderdinger Cafe gemündet. Der Angeklagte hätte darauf bestanden, dass der Zeuge ohne seine Freundin kommt. Gesprächsthema sei, auf Wunsch des Angeklagten, der Brand im Senioren-Zentrum gewesen. „Er wollte darüber reden“, sagte der Zeuge und schilderte, wie der Angeklagte eine halbe Stunde vor dem Alarm eine männliche Reinigungskraft in einem blauen Oberteil gesehen haben will. Dies sei deshalb merkwürdig gewesen, da im Haus Edelberg nur weibliche Reinigungskräfte beschäftigt seien. Der Angeklagte sei gerade dabei gewesen, eine Bewohnerin zu versorgen, als der Alarm losging. Beim Gespräch zwischen den beiden Pflege-Azubis hätte sich der Angeklagte Vorwürfe gemacht, die Bewohnerin im Brandzimmer nicht sofort gerettet zu haben. Der Angeklagte hätte bereits zu diesem Zeitpunkt den Verdacht geäußert, dass es sich um Brandstiftung handelt – er hätte nämlich Spiritus gerochen. „Ich glaube, er wollte sein Gewissen erleichtern“, sagte der Zeuge. Das Gespräch habe schließlich damit geendet, dass der Angeklagte dem Zeugen ein Bild von seiner Tarnkleidung gezeigt und ihn gefragt hätte, ob er sie nicht nehmen wolle, da sie ihm zu klein wäre. Der Zeuge habe abgelehnt.

Zeuge wollte „nichts mit Polizei und Gericht“ zu tun haben

Warum der Zeuge sich denn erst über ein halbes Jahr nach dem Brand im Haus Edelberg bei der Polizei gemeldet hätte, wollte Richter Schmidt wissen. Der Zeuge erklärte dies lapidar damit, dass er „nichts mit der Polizei und dem Gericht“ zu tun haben wollte. Erst auf Drängen einer Kollegin habe er den Entschluss gefasst, zur Polizei zu gehen.

Keine Anzeichen für Psychose

Im Anschluss an die Zeugenvernehmung wurde der psychiatrische Gutachter Matthias Wagner gebeten, Stellung zu nehmen. Diese fiel allerdings kurz aus. Da der Angeklagte seine Mitwirkung an einem Gutachten abgelehnt hatte, musste der Psychiater während den Verhandlungstagen nach Anhaltspunkten für psychiatrische Störungen suchen. „Ich habe den Angeklagten als jungen Mann erlebt, der die Verhandlung aufmerksam wahrnimmt.“ Dabei habe er keine Anzeichen für eine Psychose oder sonstige Verhaltensauffälligkeiten finden können. „Alles normal und unauffällig“, stellte der Gutachter fest. Einen Aspekt habe er aber als merkwürdig empfunden: Zusätzlich zu seiner Ausbildung engagierte sich der 24-Jährige bei der Feuerwehr und dem Deutschen Roten Kreuz. Das sei hinsichtlich der Belastung und Leistungsfähigkeit problematisch. Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus komme seiner Ansicht nach nicht infrage.

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Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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