Zementwerk Wössingen: BUND und BI Müll und Umwelt fordern Umstellung auf Erdgas

Nach Durchsicht der geänderten Genehmigung für das Zementwerk der Firma OPTERRA in Walzbachtal-Wössingen, in der neue Emissionsgrenzwerte für Kohlen-monoxid und Gesamtkohlenstoff festgesetzt wurden, erneuern der Regionalverband Mittlerer Oberrhein des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Bürgerinitiative (BI) Müll und Umwelt ihre Kritik.

„In Wössingen wird das Zementwerk als Müllverbrennungsanlage missbraucht, was zu einem massiven Ausstoß von Umweltgiften in die Region führt“, betont Harry Block, Mitglied des Vorstands des BUND Regionalverband Mittlerer Oberrhein. Nach Recherchen der Umweltschützer hat dieses Vorgehen der Zementindustrie System: Für die insgesamt sieben Zementwerke in Baden-Württemberg liegt gemäß Angaben der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) die Genehmigung zur Mitverbrennung von jährlich 1,2 Millionen Tonnen Abfall vor. Das ist mehr als die zwanzigfache Menge des jährlich im Landkreis Karlsruhe gesammelten Hausmülls.

BUND: "Profit auf Kosten der Gesundheit"

„Das ist Profitmaximierung auf Kosten der Gesundheit der Menschen“, erläutert Block. „Müllverbrennungsanlagen sind als so genannte Wirbelschichtöfen gebaut und verfügen über spezielle Filteranlagen, um den Schadstoffausstoß zu reduzieren. In einem Zementwerk - auch wenn es als getarnte Müllverbrennungsanlage betrieben wird - ist der Ofen dagegen auf die Produktion von Zement ausgelegt. Wir erneuern deshalb unsere Forderung, dass die Firma OPTERRA sich umgehend auf den Weg macht, ihr Zementwerk in Wössingen auf den umweltverträglicheren Brennstoff Gas umzustellen.“

Für Rückfragen:
Harry Block, Tel. 0721 35 85 82, bund.mittlerer-oberrhein@bund.net

Hintergrund

Für den Erörterungstermin am 22.12.2015 hatten der BUND Regionalverband Mittlerer Oberrhein und die Bürgerinitiative Müll und Umwelt Einwendungen erhoben, die im Erörterungstermin von Harry Block für den BUND und Gudrun Vangermain für die BI vertreten wurden. Die Genehmigung der Anlage wurde inzwischen vom Regierungspräsidium Karlsruhe erteilt und kann im Internet eingesehen werden: https://rp.baden-wuerttemberg.de/rpk/Service/Bekanntmachung/Seiten/Bekanntmachungen-Bereich-Umwelt.aspx#LANDKREIS%20KARLSRUHE.

Die Zementproduktion ist ein extrem energieintensiver Prozess und die Zementindustrie weltweit mit der größte Energieverbraucher. Deshalb suchen die Firmen kostengünstige Energie für ihre Drehrohröfen zu bekommen. In Wössingen wie auch anderswo in Deutschland wird nun die Idee verfolgt, Müll als Brennstoff einzusetzen und dies noch als umweltfreundlich zu verkaufen. Wer weiß schon, dass u.a. auch die Papierfabrik Stora Enso in Karlsruhe Müll als Energieträger benutzt oder das Rheinhafendampfkraftwerk der EnBW eine Genehmigung für die Mitverbrennung von Abfall hat und die sieben Zementwerke in Baden-Württemberg laut Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) eine Genehmigung für 1,2 Millionen Tonnen Abfallmitverbrennung haben. Zum Vergleich: Im gesamten Landkreis Karlsruhe fallen gerade mal 50.000 Tonnen Hausmüll pro Jahr an.

In Wössingen werden unter anderem Altreifen, wie es der Brand im letzten Jahr den Anwohnern deutlich vor Augen führte, und vor allem Fluff (flugfähiger Abfall, ein Gemisch aus Papier, Kunststoff etc.) verbrannt. Durch die Verbrennung von Fluff, der um recyclingfähig zu werden in einer Sortieranlage getrennt hätte werden müssen, wird nach unserer Ansicht eine ordnungsgemäße und schadlosere Verwertung von Abfällen umgangen und das Gebot der Verwertung vor Verbrennung verletzt. Die Verbrennung von undefiniertem Müll widerspricht nicht nur dem Recyclinggebot des Abfallwirtschaftsgesetzes, sondern auch der „RICHTLINIE 2008/98/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur „ Förderung des Recyclings und der sonstigen stofflichen Verwertung“.

Durch die Energiebereitstellung durch Abfall im Zementwerk Wössingen werden die Schadstoffe in Luft, Wasser und Boden in und um Wössingen erhöht
Zur Erinnerung: Die Jahresfrachten von einigen Stoffen betragen nach Genehmigung von 2015
• 930 kg an Schwermetallen,
• 56 kg bei Cadmium und Thallium,
• 52 kg Quecksilber,
• ungefähr 2 t vom Fluorwasserstoff, und
• 18,6 t vom Chlorwasserstoff – also Salzsäuregas bzw. Gas, das mit Wasser Salzsäure bildet.

Dabei ging die damalige Genehmigung des Regierungspräsidiums an die Grenze des gesetzlich Möglichen zu Gunsten des Schutzes von Mensch und Umwelt.
Unsere Alternative ohne Gifte - Gasfeuerung - wurde damals aus Kostengründen vom Betreiber in der für die Emissionen wichtigen Genehmigung von 2014 verworfen. Die Politik wäre gefordert gewesen und betet jetzt die Mitverbrennung von Müll in dafür nicht gedachten Drehrohröfen noch gesund.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat sich auch bei dieser Genehmigung für zwei Schadstoffe (CO und TOC) Mühe gegeben, unsere Einwendungen in der Genehmigung zu entkräften und ihnen minimal Rechnung zu tragen. Unsere grundsätzlichen Einwendungen gegen die Nutzung von Abfall zur Energiebereitstellung in einem Zementwerk können die Beamten eines Regierungspräsidiums, die sich an alle Verordnungen und Gesetze der Politik halten müssen, nicht nachgehen.

Bei den am 22. Dezember 2015 verhandelten Stoffen Kohlenmonoxid und TOC (dabei geht es bei TOC= Gesamtkohlenstoff um einen Summenwert für die im Abgas enthaltenen organischen Stoffe. Dazu gehören: Methan, Ethen, Ethin, Propen und Butadien, sowie die hochgiftigen Stof-fen Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylole (BTEX), Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Polychlorierte Biphenyle (PCB) sowie die in winzigen Mengen krebserregenden Polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane) handelt es sich um Stoffe, bei denen die 17. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) allerdings Ausnahmen für die Grenzwerte für diese Stoffe vorsieht, sofern die Emissionen rohstoffbedingt sind. Das Vorprodukt des Zementes (der Kalk) beinhaltet zum Teil diese Stoffe. Die Frage war und ist: wieviel?

Es wäre für die Einwender vertrauensstiftend gewesen, wenn der Genehmigungsantrag nicht auf einem Gutachten des Forschungsinstituts der Zementindustrie (FIZ) basiert hätte. BUND und BI Müll und Umwelt zweifeln nicht an der Kompetenz des Instituts, aber die Frage nach seiner „Unabhängigkeit“ hinterlässt doch ein „Geschmäckle“. Denn es sind solche Institute, die sowohl die Erstellung der Umweltgesetze als auch deren Umsetzung als Lobbyisten begleiten. So ist es auch nicht verwunderlich, dass das Bundesimmissionsschutzgesetz für Zementwerke nicht die volle Gültigkeit besitzt.

In der Sache zeigt sich dies bei diesem Verfahren beim Sachverhalt der Einschätzung des Kohlenmonoxids: Im Versuch mit den Rohmaterialien im Labor hatte das FIZ eine weit niedrigere Emission an CO (zwischen 58-173 mg/m3) festgestellt, als bei den begleitenden Emissionsmessungen vor Ort im Zementwerk (mittlere Konzentration von 1425 mg/m3) gemessen wurde. Hier ist nach Aussage des FIZ und auch nach Einschätzung des Regierungspräsidiums der Einfluss des für die Minimierung der Stickoxide notwendigen technischen SNCR-Entstickungsverfahren maßgeblich. Dem können wir uns nur bedingt anschließen, weil einschätzen und wirklich wissen zwei ganz verschiedene Tatsachen beinhalten können.

In Versuchsanlagen in Österreich und in Deutschland wurden spezielle Oxidationskatalysatoren zur Minderung von CO und organischen Komponenten im Drehrohrofenabgas getestet, die noch weiter fortgeführt hätten werden müssen. RP und Betreiber sind jedoch der Ansicht, dass der Aufwand für eine solche Nachrüstung im großtechnischen Maßstab finanzielle Mittel im Millionenbereich erfordern würde. Dies sei nicht verhältnismäßig und deshalb habe man unsere Einwendungen zur Ausschöpfung des fortschrittlichen Stands der Technik zurückweisen müssen.

Die Firma Opterra hat im Nachgang zum Erörterungstermin ihre Emissionswerte im Februar 2016 reduziert, die nun genau in dieser Höhe vom RP genehmigt wurden.
Die Alternative – ohne jegliche Zusatzemissionen von hochgiftigen Schwermetallen, und mit viel weniger Stickoxiden und geringerem Kohlendioxidausstoß – wäre die Feuerung mit Gas gewesen. Die Erklärung von Harry Block in der Erörterung am 22.12.2015 hat deshalb weiter Bestand: „Wir bleiben aber auch bei dieser Genehmigung bei unserer durch die EU bekräftigte Forderung nach Umstellung der Feuerung im Zementwerk Wössingen auf Gas für die gesamte Anlage. Gas hat keinerlei schädliche, giftigen Stäube, ist vor Ort vorhanden und aus ökologischen Gründen die einzig hinnehmbare Verbrennungsalternative.“

Autor:

Kraichgau News aus Bretten

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