"Genetische Verarmung droht"
Experten regen anderen Umgang mit Rotwild an
Freiburg/Bad Wildbad (dpa/lsw) Der Umgang mit Rotwild in den Gebieten im Südwesten sollte neu geregelt werden: Zu diesem Schluss kommt die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) im Projekt «Rotwildkonzeption Nordschwarzwald». Demnach sollten die Rothirsche und Hirschkühe dort zum Beispiel in bestimmtem Waldteilen Ruhezonen bekommen. Touristen wiederum sollten Bereiche zugewiesen bekommen, wo sie wandern oder radfahren können, ohne die Tiere zu stören.
Uneinigkeit über Gebiete für Rotwild
Rotwild, die größte heimische Säugetierart in Baden-Württemberg, ist oft ein Dorn im Auge der Landwirte oder Waldbesitzer, weil die Tiere erhebliche Bissschäden an Bäumen anrichten können. Jäger wiederum fordern, dass Rotwild mehr Platz bekommt und dass es artgerecht leben können muss. So müsse es erlaubt werden, dass die Tiere, die vor allem in fünf ausgewiesenen Gebieten im Südwesten leben, neue Lebensräume bekommen und dass Reh und Hirsch auch zwischen einzelnen Gebieten hin und her wandern können. Das Landwirtschaftsministerium will hingegen nach früheren Angaben am aus seiner Sicht bewährten Konzept der Rotwildgebiete festhalten.
"Genetische Verarmung droht"
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke unterstützt die Haltung des FVA. «Auch wir haben die Landesregierung in der Vergangenheit mehrfach aufgefordert, den Umgang mit Rotwild neu zu regeln. Sie lässt aber bis heute keinerlei Bereitschaft erkennen, für ein ganzheitliches Wildtiermanagement zu sorgen. Damit nimmt sie billigend in Kauf, dass unserem Wappentier die genetische Verarmung droht.» Während sich Wolf, Biber, Kormoran und Co. überall im Land ungehindert ausbreiten könnten und die Existenz der Weidetierhalter, Landwirte oder Fischer bedrohten, stelle man dem Rotwild bundesweit am wenigsten Lebensraum zur Verfügung.
Rotwild hat im Südwesten am wenigsten Lebensraum
Das Rotwild im Südwesten lebt in den Rotwildgebieten Odenwald, Nordschwarzwald, Südschwarzwald, Schönbuch und Allgäu. Die meisten Tiere, zwischen 4500 und 5500, leben im größten, 105.000 Hektar umfassenden Gebiet Nordschwarzwald, mit dem sich das aktuelle Projekt befasst hatte. Insgesamt gibt es im Südwesten zwischen knapp 5000 und 6000 Tiere. Nur rund 4 Prozent der Landesfläche und etwa 10 Prozent der Waldfläche sind von Rotwild bewohnt - damit stellt der Südwesten bundesweit am wenigsten Lebensraum für die Tiere zur Verfügung.
Tiere wandern kaum zwischen den Gebieten
Sorgen bereitet auch die mögliche genetische Verarmung der Art. Zwar leben die Tiere in den Rotwildgebieten frei und können sie, bis auf das eingezäunte Gebiet Schönbuch, auch verlassen. Außerhalb der Gebiete müssen sie aber laut Jagdverordnung während der Jagdzeit ausnahmslos abgeschossen werden. Das führe dazu, dass die Tiere in den Gebieten eben doch überwiegend unter sich bleiben und kaum je hin und her wanderten, erläuterte FVA-Experte Max Kröschel. Wie diesem Problem beizukommen ist, werde derzeit in einer anderen Studie untersucht.
"Kommunikation muss verbessert werden"
Für das aktuelle Projekt hatten die Forscher seit 2015 Bewegungsmuster - etwa mit Hilfe von Sendern an ausgesuchten Rothirschen - sowie Genetik und Wildschäden in der Rotwildregion Nordschwarzwald untersucht. Außerdem fragten sie Jäger, Förster und Grundbesitzer nach ihren Sorgen und Ängsten gegenüber der Tierart. Der Landesjagdverband begrüßte den Ansatz. «Die Kommunikation zwischen den Akteuren muss verbessern werden», sagte ein Sprecher.
Autor:Kraichgau News aus Bretten |
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